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01.05.2020 - 00:05, Halle an der Saale

In der Nacht kam es an der Straßenbahnhaltestelle am Rennbahnkreuz laut Polizei "zu einer Auseinandersetzung". Auf Anfrage der Mitteldeutschen Zeitung teilte ein Polizeisprecher mit: "Kurz vor 1 Uhr waren zwei Gruppen aneinandergeraten. Zunächst sollen zwei Syrer im Alter von 21 Jahren beleidigt und später dann von drei Tätern angegriffen worden sein."
 
Die Mobile Opferberatung schreibt zu dem Angriff:
"Kurz vor 1 Uhr nachts wollen zwei 21-Jährige, ein syrischer und ein palästinensisch-syrischer Geflüchteter, im Stadtteil Neustadt an der Haltestelle “Rennbahnkreuz” von der Straßenbahn in den Bus umsteigen. Hier wird einer der beiden von drei männlichen Unbekannten umringt, die mit ihnen ausgestiegen waren. Zudem werden beide aus der Gruppe heraus rassistisch und homofeindlich beleidigt. Als der Freund des Bedrängten nach dem Grund für die Beleidigung fragt, werden beide unvermittelt angegriffen. Sein Freund wird dabei zu Boden geschlagen und so massiv gegen seinen Kopf getreten, dass er das Bewusstsein verliert. Er wird mit lebensbedrohlichen Gesichts- und Kopfverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert, wo er in den folgenden Tagen mehrfach operiert und intensivmedizinisch betreut werden muss. Sein Freund wird leicht am rechten Knie verletzt und ambulant vor Ort behandelt. Die Polizei ermittelt wegen versuchten Totschlags gegen einen 17, einen 19- sowie einen 22-Jährigen."
 
Die Polizei stellte drei deutsche Tatverdächtige: einen 17-Jährigen aus dem Saalekreis sowie einen 19 und einen 22 Jahre alten Mann aus Halle. Gegen die Männer wird nun wegen versuchten Totschlags ermittelt. Sie sind weiterhin auf freiem Fuß, so Junghans. Die Staatsanwaltschaft stellte keinen Haftantrag. Der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt kritisierte, dass Rassismus als mögliches Tatmotiv in der Berichterstattung nicht einmal als Möglichkeit oder Frage erwähnt wurde.
 
Update: Du bist Halle berichtet ausführlich über den Prozess gegen die drei Tatverdächtigen, darunter auch über diverse Versäumnisse der Ermittlungsbehörden:
"Wie schon die Polizei, welche die Tat in einer Pressemitteilung lediglich als „tätliche Auseinandersetzung“ zwischen Jugendgruppen darstellte und verharmloste, ignorierte auch die Staatsanwaltschaft Halle zahlreiche konkrete Anhaltspunkte für ein rassistisches Motiv. So sucht man die rassistischen und homofeindlichen Beleidigungen gegen die beiden Betroffenen in der Anklage aus November 2020 vergeblich. Dementsprechend kontextlos wurde der Prozess auch vom Landgericht in einer Pressemitteilung angekündigt. Auch im Bericht des MDR zum Prozessauftakt erfuhr die Öffentlichkeit nichts zu den Hintergründen der Tat. Lediglich die Mitteldeutsche Zeitung fragte in einem Artikel, ob „Ausländerfeindlichkeit“ Grund für die schwere Attacke gewesen sein könne. Bereits Mitte April 2021 hatte die Mobile Opferberatung zudem kritisiert, dass das versuchte Tötungsdelikt auch nicht in der öffentlichen Statistik des Innenministeriums zu politisch rechts motivierter Gewalt in Sachsen-Anhalt 2020 zu finden ist. Davon, dass das Landeskriminalamt die Tat erst nach Statistikschluss schließlich doch noch als politisch rechts motiviert einstufte und nachträglich auch statistisch erfasste, erfuhr die Öffentlichkeit nichts."