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Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Schülerinnen und Schüler der Lobdeburgschule in Jena kleben Plakate gegen das "Braune Haus". Neonazis zerstören als Reaktion die Plakate und beschmieren die Schule.
Im Rahmen des Fachs „Kreatives Gestalten“ haben Schülerinnen und Schüler aus der 8. Klasse der Jenaer Lobdeburgschule drei Monate lang Plakate gegen Rechtsextremismus und für Zivilcourage entworfen. Drei, von einer Jury ausgewählte Plakate, sollen in den nächsten Wochen in der nähe des „Braunen Hauses“ in Jena-Altlobeda der Öffentlichkeit präsentiert werden. Das erste Plakat wurde am Montag, dem 12. April, an einer Plakattafel an der Wand des Hauses Jenaische Straße 37 angebracht. Begleitet wurde die Aktion von Sambarhytmen der Band „Jelosa“ und großem Applaus. Doch schon kurz nach der Aktion beschmieren Neonazis die Schule.
Der Initiativkreis „Was tun gegen das braune Haus?!“
Entstanden ist die Aktion in Zusammenarbeit mit dem „Aktionsnetzwerk gegen Rechtsextremismus“ und dessen Initiativkreis „Was tun gegen das braune Haus?!“, mitfinanziert wird das Projekt von der Amadeu Antonio Stiftung. „Wir wollten ein Zeichen setzen gegen die Menschenfeindlichkeit der Nazis“ sagte Dr. Wolfgang Rug, einer der Initiatoren des Initiativkreises der TLZ. Mit der Aktion soll gezeigt werden, „dass weder in Lobeda-Altstadt, noch in Jena oder Thüringen Platz für Neonazis ist“, so Rug weiter.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Initiativkreis mit einer Plakataktion aufmerksam machen will. Schon vor einem Jahr, im Vorfeld der Landtagswahlen in Thüringen, wurde im Rahmen der Kampagne „Kein Ort für Neonazis in Thüringen“ plakatiert. Damals wurden die Plakate wiederholt von Bewohnern des „Braunen Hauses“ attackiert und sogar die Plakatwand aus der Verankerung gerissen.
Heftige Reaktionen in den nachfolgenden Tagen
Auch in den letzten Tagen vielen die Reaktionen der Jenaer Neonaziszene auf die Plakataktion heftig aus. Das von den Schülerinnen und Schülern erstellte Plakat wurde wiederholt angegriffen. Bereits in der ersten Nacht vom 12. auf den 13. April wurde das Plakat verunstaltet und mit der Aufschrift „FN Jena“ und Vielfalt „der Kulturen erhalten“ beschmiert - ein Hinweis auf das den sogenannten Ethnopluralismus. Dieser klingt modern, riecht aber schon nach "Deutschland den Deutschen" oder "Türken in die Türkei". Besonders deutlich kommt er beim jährlich in Thüringen stattfindenden "Fest der Völker" zum Ausdruck, wo sich Neonazis aus ganz Europa treffen.
Nach dem die Plakattafel von den Initiatorinnen und Initiatoren wieder weitestgehend in den ursprünglichen Zustand gebracht wurde, folgten umgehend weitere Zerstörungen. Die unteren Teile des Plakats wurden abgerissen und die oberen mit schwarzen Farbbeuteln beworfen. In unmittelbaren Zusammenhang stehen außerdem bedrohlich wirkende Schmiererein an der Jenaer Lobdeburgschule. An deren Eingang wurde in direktem Bezug auf die Plakataktion der Schüler „Farbenfreude statt Dummheit“ in roter, fast 2 Meter hoher Schrift geschmiert. Außerdem wieder „FN – Jena“, ein Verweis auf das Jenaer Neonazinetzwerk, das wohl in direktem Kontakt zum „Braunen Haus“ stehen dürfte. Der Spuk um das „Braune Haus“ und die Jenaer Neonazi-Szene ist also nicht vorüber.
Die Vorgeschichte und das „Braune Haus“
Seit 2002 befindet sich die ehemalige Gaststätte „Zum Löwen“ im Jenaer Stadtteil Altlobeda im Besitz bekannter Neonazis und wird seit dem von den Betreibern als „Wohn- und Schulungsobjekt“ genutzt. Die verharmlosende Beschreibung kaschiert, dass die NPD- und Kameradschaftszentrale rechtsextremistischen Agitationszwecken dient und einen wichtigen Knotenpunkt rechtsradikaler Aktivitäten in Thüringen bildet. Regelmäßig finden dort eindeutig rechtsradikal motivierte Veranstaltungen statt, zu denen auch führende Größen wie etwa Horst Mahler eingeladen werden. Weiterhin wird dort versucht, Jugendliche durch Bereitstellung von Probe- und Aufenthaltsräumen für die eigenen Zwecke zu gewinnen. Außerdem zeichnet sich die Entwicklung ab, in Form enger Beziehungen zu der Burschenschaft Normannia auch junge Studenten für rechtsradikales Gedankengut zu begeistern.
2009 wurde das Haus aufgrund baulicher Mängel von der Stadt geräumt - die Betreiber hatten erhebliche bauliche Veränderungen ohne amtliche Genehmigung vorgenommen, so dass ein sicheres Betreten des Gebäudes nicht länger gewährleistet war. Bis dato ist dass Haus amtlich versiegelt, Veranstaltungen finden allerdings weiterhin im Garten des Grundstücks statt. Der Strom wird von einem nachbarschaftlichen Sympathisanten zur Verfügung gestellt. Zurzeit fehlen den Betreibern die für eine Renovierung benötigten finanziellen Mittel. Aktuell wird von der Neonaziszene versucht, unter Berufung auf „nationale Solidarität“ Spenden für eine Wiedereröffnung zu sammeln.
Nicht nur trotz, sondern wegen der Einschüchterung
Zu hoffen bleibt, dass durch weiterhin engagiertes Vorgehen der Jenaer Bevölkerung beispielsweise durch eine Blockade des auch für das Jahr 2010 in Pößneck geplanten, jährlich stattfindenden „Fest der Völker“ den Neonazis der Geldhahn weiter zu gedreht wird, so dass menschenfeindliches Gedankengut weiter ins Abseits gedrängt werden kann. Die Aktion der 8. Klasse der Lobdeburgschule ist dabei ein wichtiger Baustein, um die demokratische Position der Bevölkerung zu demonstrieren und weiterhin trotz, oder gerade wegen der Einschüchterungsversuche der Neonazis für Sensibilität in der Öffentlichkeit zu sorgen.
Von Sebastian Heidebrecht
Fotos: W. Rug