Sozialsenatorin Knake Werner besichtigte in Berlin-Friedrichshain den Infocontainer gegen den Laden Tromsö in dem "Thor Steinar"-Kleidung vertrieben wird, die in der rechtsextremen Szene sehr beliebt ist.
Der Informations- und Protestcontainer der Initiative gegen Rechts Friedrichshain befindet sich direkt vor dem Kleidungsgeschäft „Tromsö“ in der Petersburger Straße in Berlin Friedrichshain, in dem die in der rechtsextremen Szene beliebte Marke „Thor Steinar“ verkauft wird. Die Initiative gegen Rechts Friedrichshain stellte der Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales Dr. Heidi Knake-Werner ihr Protestkonzept mit dem Informationscontainer vor. In dem daran anschließenden Gespräch, zu dem die Senatorin geladen hatte, informierten sich Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft über demokratische Handlungsstrategien gegen rechtsextreme Normalisierungsbestrebungen im öffentlichen Raum. Darunter der Stadtrat in Lichtenberg, Andreas Prüfer, der Fraktionsvorsitzender der SPD in Reinickendorf, Sascha Braun, Bianca Klose, von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) und Anna Delia Papenberg von der Initiative Mitte gegen Rechts, die bereits Anfang 2008 eine ähnliche Containeraktion gegen den „Tönsberg“-Laden in Mitte durchgeführt hat. Knake-Werner betonte eingangs die Bedeutung einer kontinuierlichen Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen und Projekte im Kampf gegen Rechtsextremismus. Der Senat werde auch weiterhin vorrangig auf die Stärkung zivilgesellschaftlicher Strukturen setzen und die Arbeit der Berliner Strukturprojekte wie die Opferberatung Reach Out sowie die MBR sicherstellen, auch wenn sich die Bundesregierung im kommenden Jahr mit Auslaufen der Bundesprogramme aus der Finanzierung zurückziehen sollte.
NPD um Normalität bemüht
Bemühungen Rechtsextremer um Normalisierung in den Berliner Bezirken sind insbesondere in zwei Bereichen zu beobachten, so Bianca Klose (MBR): „Zum einen versucht, allen voran die rechtsextreme NPD, offensiv in öffentlich-rechtliche Räume vorzudringen und sich als ‚normale’, und damit wählbare Partei zu inszenieren. Zum anderen führt die Etablierung immer weiterer rechtsextremer Treffpunkte und rechtsextremer Infrastruktur, z.B. in Form von Szeneläden in den Bezirken zu einer kontinuierlichen Präsenz rechtsextremer Erlebniswelten und rechtsextremen Lifestyles im öffentlichen Raum.“ Das strategische Ziel bestehe darin, durch einen allmählichen Gewöhnungseffekt gesellschaftliche Tabus zu unterlaufen und rechtsextreme Erscheinungsformen im Alltagsleben zu verankern. Diese rechtsextremen Raumgreifungsstrategien stellen eine Herausforderung für die Bezirke und das Land Berlin dar, der sich in Berlin immer mehr Akteure aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft stellen.
Vertrag soll rechtsextreme Mieter verhindern
Die Mobile Beratung unterstützt hierbei seit Jahren verschiedenste zivilgesellschaftliche Akteure und Initiativen. So hat die MBR einen antirassistischen Mietvertrag (Muster-Raumnutzungsvertrag) entwickelt und eine Handreichung zum Thema erstellt. Der Vertrag soll den Entscheidungsträgern neue demokratische Spielräume gegenüber rechtsextremen Raumanfragen eröffnen und es der NPD verunmöglichen, sich in den angemieteten öffentlich-rechtlichen Räumen rechtsextrem, rassistisch, antisemitisch oder aber antidemokratisch zu äußern und zu inszenieren. Für den Umgang mit rechtsextremer Infrastruktur, wie Szeneläden und Kneipen, hat die MBR als präventive Maßnahmen Klauseln für Gewerbemietverträge entwickelt, durch die sich Mieter und Mieterinnen dazu verpflichten keine Produkte oder Veranstaltungen mit rechtsextremem Bezug anzubieten.
Dass die Berliner Politik und Verwaltung zunehmend die Empfehlung der MBR für ein gemeinsames und einheitliches Vorgehen von Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft ernst nimmt, zeigen die Beispiele der bei der Veranstaltung anwesenden Akteure.
Geschlossenes Vorgehen der Beteiligten
Andreas Prüfer, Stadtrat in Lichtenberg, hat ausgehend von eigenen Erfahrungen maßgeblich an dem Beschluss des Rates der Bürgermeister (RdB) vom 26. März 2009 mitgewirkt der den Einsatz von Nutzungsvereinbarungen, die die Empfehlungen der MBR berücksichtigen, empfiehlt. Prüfer bestätigte, dass ein enges Zusammenwirken von Vermietern und Vermieterinnen, Zivilgesellschaft und Politik/Verwaltung wichtige Erfolgskriterien dafür sind, rechtsextremen Raumgreifungsstrategien entschieden entgegen zu treten. Dafür ist das Ausschöpfen aller juristischen Mittel unerlässlich. Die politische Auseinandersetzung könne dies natürlich nicht ersetzen, aber effektiv ergänzen.
Sascha Braun, Fraktionsvorsitzender der SPD in Reinickendorf, berichtete von den Erfahrungen seines Bezirks wo die NPD im April dieses Jahres ihren Bundesparteitag abhielt. Ähnlich wie schon 2006, als die NPD ihren Landesparteitag in Räumen des Bezirksamts durchführte, scheute der Bezirk neben der politischen auch die juristische Auseinandersetzung nicht. Auch wenn die Nutzung der Räume durch die NPD nicht verhindert werden konnte, so wurden doch die Nutzungsbedingungen für die NPD durch die Anwendung eines restriktiven Nutzungsvertrages erheblich eingeschränkt und somit die Hürden relativ hoch gesetzt. Durch die Anwesenheit von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Bezirksamts sowie Beauftragten des Bezirksamtes konnten Vertragsbrüche dokumentiert werden, so dass eine erneute Anmietung der Räume durch die NPD zukünftig erschwert sein sollte. Braun betonte die sehr gute Kooperation der demokratischen Parteien über alle politischen Lager hinweg. Als großen Erfolg wertete Braun zudem, dass die Anwendung des Nutzungsvertrages gerichtlich als gängige Verwaltungspraxis anerkannt wurde – dies ist Berlin- und bundesweit erstmalig der Fall.
Aus der Perspektive zivilgesellschaftlicher Akteure berichtete Anna Delia Papenberg von der Initiative Mitte gegen Rechts sowohl von vielen positiven Erfahrungen und Erfolgen mit dem Containerkonzept in Berlin-Mitte als auch von der Schwierigkeit, langfristig zivilgesellschaftliches Engagement auf hohem Niveau aufrecht zu halten. Zumal, wenn die Verwaltung sich nicht mehr kooperativ zeigt. Anfang 2008 hatte sich ausgerechnet im einst durch jüdisches Leben geprägten Scheunenviertel Berlins der Laden „Tönsberg“ einquartiert, der ebenfalls die Marke „Thor Steinar“ anbietet. Anwohner machten dagegen mobil und gründeten die Initiative Mitte gegen Rechts. Die Initiative entwickelte erstmals das Containerkonzept: Dem Laden wurde direkt vor die Tür ein Container gesetzt, auf dem einfallsreich über rechtsextreme Ideologie und Erscheinungsformen aufgeklärt wird. Ein umfangreiches Begleitprogramm flankierte öffentlichkeitswirksam die Problematik der zunehmenden rechtsextremen Präsenz im Umfeld des Ladens in der Rosa Luxemburg Straße. Der Protest war erfolgreich, dem Laden wurde gekündigt. Als fatal bezeichnet Papenberg das Handeln der bezirklichen Verwaltung. Der Antrag der Initiative, die Informations- und Protestcontainer über einen längeren Zeitraum weiterhin vor dem „Tönsberg“-Laden stehen zu lassen, wurde abgelehnt.
Der Container in Berlin-Friedrichshain, mit dem die Initiative gegen Rechts Friedrichshain (IGR) Anwohnerinnen und Anwohner sensibilisieren und über die Marke „Thor Steinar“ aufklären will, wird zunächst bis Ende September vor dem „Tromsö“ in der Petersburger Straße stehen. Der Container ist gestaltet mit Hintergrundinformationen über die Marke „Thor Steinar“, die Geschichte des Gebäudes als Folterkeller der SA im Nationalsozialismus sowie mit einer Chronologie von rechtsextremen Aktivitäten in Berlin-Friedrichshain. Neben der IGR engagieren sich seit Eröffnung des „Tromsö“ auch angrenzende Vereine und Nachbarn gegen den Laden, Demonstrationen, eine Kiezparade, mehrere Informationsabende, Flyer-Verteilaktionen, Veranstaltungen mit Gewerbetreibenden und eine Plakataktion wurden bisher durchgeführt, um deutlich zu machen, dass der Laden “Tromsö” in Friedrichshain unerwünscht ist.
Das Pressegespräch fand am 2. September in Räumen des Interkulturellen Hauses Friedrichshain statt, in dem sich viele Projekte und Initiativen befinden, die sich an Protestaktivitäten gegen „Tromsö“ beteiligt haben und weiterhin beteiligen werden.