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Vergeblicher Aufruf gegen Neonazis in Gera

Am 11. Juli 2009 fand in Gera ein groß angelegtes Neonazi-Treffen statt - unter dem irreführenden Titel  "Rock für Deutschland". Nach Zählungen der Polizei strömten 3900 Rechtsextremisten in die thüringische Stadt. Zivilgesellschaft? Fehlanzeige. Nur 700 Teilnehmer wurden gezählt. Das Geraer 'Aktionsbündnis Kabelbruch' hatte zum energischen Gegenprotest aufgerufen. Polizei hielt die Gegendemonstranten weit vom Veranstaltungsort fern.

Beim dem von der NPD organisierten Neonazi-Festival "Rock für Deutschland" zählte die Polizei rund 3000 Rechtsextremisten. Unabhängige Beobachter sprachen sogar von 4000.  Wie ein Polizeisprecher sagte, verliefen der Protest sowie das Festival bis zum Nachmittag friedlich. Zu der Demonstration unter dem Motto "Gera bunt, tolerant und weltoffen" aufgerufen hatte die Stadt gemeinsam mit einem Aktionsbündnis aus Parteien und Initiativen. Oberbürgermeister Norbert Vornehm (SPD) sagte, die Stadt wolle erneut deutlich Flagge zeigen gegen Rechts. Doch davon war nicht viel zu sehen.

Das Nazitreffen fand zum siebten Mal statt. Unter dem Motto "Hier bleiben - anpacken!" versammelten sich wie in den vergangenen Jahren wieder Neonazis aus unterschiedlichsten Strukturen. Darunter NPD-Mitglieder, Freien Kameradschaften, Autonomen Nationalist(innen) und Sympathisant(innen). Neben ranghohen NPD-Mitgliedern wie Bundesparteichef Udo Voigt und Landeschef Frank Schwerdt waren Auftritte einschlägig bekannter Bands der rechtsextremen Musikszene wie etwa „Die Lunikoff Verschwörung“ und „Sleipnir“ geplant.

Eine ausführliche Reportage können sie hier auf MUT lesen!

Die Geraer "Aktion Kabelbruch" hatte vor dem Konzert folgenden Aufruf veröffentlicht:

"Aufgrund des prominent besetzten Rechtsrock- und Rednerprogramms ist zu befürchten, dass eine neue Qualität in seiner Stellung als bundesweit zweitgrößtes Neonazifest erreicht wird. So zog die angekündigte RechtsrockbandLunikoff Verschwörung" 2005 über 2000 Anhänger(innen) nach Pößneck. Mit dem NPD Parteivorsitzenden Udo Voigt als Redner, werden hier gezielt Parteipolitik und Subkultur verknüpft. Das Publikum wird somit auf breiter Fläche umworben. Der Einfluss, solch einer Ansammlung von  auf bloße Sympathisant(innen) ist enorm und gleichermaßen beängstigend.

Die Brisanz des Großereignisses steigt zusätzlich mit der  Etablierung des Veranstaltungsortes. Es gelingt den Neonazis Jahr für aufs Neue ihre Feierlichkeiten in Gera abzuhalten. Dem entgegen  bspw. die Erfolge der Proteste gegen das bundesweit größte "Fest der Völker". Hier wurde es geschafft den Neonazis einen permanenten Austragungsort zu nehmen. In Gera scheint die Projektionsfläche für menschenfeindliche Ideologien allerdings traurige Selbstverständlichkeit zu sein.

Dies lässt sich als Folge des allgemeinen Desinteresses betrachten, mit dem in dieser Stadt Problemen wie Alltagsrassismus und propagiertem Faschismus begegnet wird. Nationalistische Parolen und Symbole werden an
Wände oder andere Orte geschmiert, Menschen die nicht ins eingeschränkte Weltbild passen werden zusammengeschlagen, mit Messern bedroht und eingeschüchtert. Allein in diesem Jahr sind über 20 Aktivitäten und
Angriffe dokumentiert. Erst am 26. Juni wurde ein Jugendlicher zusammengeschlagen, sodass er mehrere Knochenbrüche erlitt.

Die Kommunalpolitik zeigt sich unfähig, Angriffe werden bagatellisiert. Tatsächliches Engagement gegen rechte Gewalt ist selbst innerhalb bürgerlicher Initiativen wie dem Runden Tisch für Toleranz und Menschlichkeit scheinbar keine Selbstverständlichkeit. Für einige Mitglieder ist die Beteiligung nur pro forma. Dieses Bündnis ist somit ein perfektes Beispiel für den Status quo in Gera. Antifaschistische Courage bleibt einzelnen überlassen.

"Gesocks" und "Viehzeug"

Das alljährliche NPD-Fest stellt den Höhepunkt dieser Ignoranz dar. Anstatt einer progressiven und aktiven Positionierung gegenüber rassistischen Umtrieben, äußerte sich beispielsweise der Vize der Wählervereinigung Arbeit für Gera (AFG) Dirk Plette mit  menschenverachtenden Äußerungen, die Nazivokabular in nichts nachstehen.
Man müsse genau aufpassen, damit sich nicht wieder solches "Gesocks" und "Viehzeug" wie im vergangenen Jahr an der Demonstration beteilige, wird Plette zitiert. Auf Nachfrage erklärte er, damit den linksextremen schwarzen Block zu
meinen, der 2008 zu "Gera bunt" auftauchte. Er befürchtet, dass dieses Auftreten Bürger abschrecke. Was er damit eigentlich sagen will ist klar. Ihm geht es um Kriminalisierung. Antifaschist(innen) werden mittels Extremismustheorie mit Neonazis gleichgesetzt. Es wird eine demokratische Mitte konstruiert, die sich vor allen extremistischen Ränder verteidigen müsse.

"Wir verurteilen Plettes Aussagen aufs schärfste" kommentiert dies Anna Schneider, Pressesprecherin der Antifaschistischen Aktion Gera (AAG). "Mit seiner Strategie sucht er nicht den Dialog, sondern verdreht und banalisiert Rassismus und Nationalismus. Will sich die AFG von dieser Stimmungsmache distanzieren, muss sie Plette ausschließen. Wir solidarisieren uns mit den wenigen konsequenten Zivilgesellschafter(innen) bei den Ortsgruppen von Unicef, Bündnis 90/Die Grünen und der Linken, die es ernst meinen mit ihrem Engagement gegen Neonazis und Plettes Äußerungen verurteilten."

Daher wird sich am 11. Juli ein antifaschistischer Block an der Demonstration des Bürgerbündnisses beteiligen. Treffpunkt ist 10.00 Uhr, Auftakt zwei Stunden später auf dem Platz vor dem Kultur- und
Kongresszentrum. Außerdem ruft das Aktionsbündnis Kabelbruch alle Menschen dazu auf, mit zivilem Ungehorsam das Neonazifest zu blockieren. Schneider dazu: "Wir werden uns der faschistischen Gewalt und Propaganda auf allen Wegen entgegenstellen. Unser Ziel ist es, das NPD-Fest zu stören und die alltägliche Normalität in Gera endlich zu brechen."

Soweit der Aufruf aus Gera.  Mehr über den Samstag in Gera  in einer eigenen MUT-Reportage . Hier ein MDR-Bericht.


Aufruf zu friedlichen Protesten bei "Gera bunt"

Mehr zu den Gegendemonstrationen in Gera

Link zu einem Artikel dazu auf netz-gegen-nazis.de



www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/ Foto aus Arnstadt / hk

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