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Auf dem dritten Politischen Salon des Projektes „Lola für Lulu“ ging es kontrovers zu. Thema: „Was bringt uns der Girls’ Day im Landkreis Ludwigslust?“ Das Ergebnis: Der Mädchen-Zukunftstag ist eine hervorragende Idee – aber noch ausbaufähig.
Für den Politischen Salon haben sich Ludwigsluster Schülerinnen und Schüler etwas ganz Besonderes ausgedacht: Einen Tag lang sind sie mit der Kamera durch die Stadt gezogen und haben Bürgerinnen und Bürger gefragt, was ihnen zum „Girls’ Day“ so einfällt. Der Kurzfilm stellte einen perfekten Einstieg für eine spannende Diskussion dar. Spannend, weil äußerst kontrovers.
Rüdiger Dohse vom DGB Nord in Schwerin koordiniert den Mädchen-Zukunftstag in Mecklenburg-Vorpommern und zog beim Salon eine positive Bilanz: „In diesem Jahr startet der Girls’ Day bereits zum neunten Mal“, resümierte er. „und mittlerweile konnten insgesamt 26.000 Plätze zur Verfügung gestellt werden – ich finde, das kann sich sehen lassen“. Seit 2001 bekommen Mädchen die Gelegenheit, einmal im Jahr in männerdominierte Berufe „reinzuschnuppern“. Der Girls’ Day ist das größte Berufsorientierungsprojekt in Deutschland und will Mädchen an zukunftsweisende Berufe im technischen, naturwissenschaftlichen und handwerklichen Bereich heranführen – auch im Landkreis Ludwigslust.
2009 gibt es in ganz Mecklenburg-Vorpommern 3500 Plätze und knapp 400 Begleitveranstaltungen. Besonders erfreut zeigte sich Dohse über die Tatsache, dass viele Ludwigsluster Schülerinnen seit dem vergangenen Jahr verstärkt auf weiter entfernt stattfindende Angebote zurückgreifen und beispielsweise auch nach Rostock oder Schwerin fahren, um dort an begleitenden Infoveranstaltungen teilzunehmen.
Mädchen haben zu wenig Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten
Dieses auf den ersten Blick positive Ergebnis kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch einiges im Argen liegt, wenn es um die konkrete Umsetzung geht. „Ein Problem ist, dass sich viele Mädchen zu wenig von den Unternehmen angesprochen fühlen“, stellte Yvonne Griep fest. Sie arbeitet in der Gender Fachstelle Mecklenburg-Vorpommern und sieht ganz klar die Arbeitgeber in der Pflicht. Wenn diese wirklich die Ausbildungsquote von Mädchen und jungen Frauen erhöhen wollten, dann müssten sie sich mehr darum bemühen, dass sich die Mädchen auch ernst genommen fühlen. Denn: in Sachen Geschlechtergerechtigkeit sei gerade in den Betrieben noch viel zu tun. „Die Erfahrung zeigt, dass Mädchen in der Schule zwar besser abschneiden als Jungs“, so Griep, „aber in der Ausbildung und im Arbeitsleben zeigen viele noch zu wenig Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten“. Diese müssten gerade in männerdominierten Ausbildungszweigen mehr gefördert werden.
Vorbildlich hingegen ist die Einstellung von Stephan Haring, stellvertretender Geschäftsführer der Design Schule Schwerin: „Es geht alles, wenn man nur will!“ In diesem Jahr werden sage und schreibe 115 Schülerinnen nach Schwerin kommen, um einen Tag lang in die Bereiche Grafik-, Mode- und Gamedesign reinzuschnuppern. Die Design Schule teilt die Mädchen in kleine Gruppen ein und gibt ihnen die Gelegenheit, am Girls’ Day wirklich etwas für sich mitzunehmen.
Qualität statt Quantität
Mit einigen Schulen hat Haring am Girls’ Day keine guten Erfahrungen gemacht. Viele Lehrkräfte setzen sich häufig nur ungenügend dafür ein, dass ihre Schülerinnen am Girls’ Day teilnehmen. Haring habe sogar das Gefühl, dass manche Lehrkräfte eine Teilnahme der Schülerinnen schlichtweg verhindern wollten. Es scheint fast, als betrachteten sie den Girls’ Day nicht als Chance für die Schülerinnen, sondern lediglich als eine Last für sich selbst: Was anfangen mit den Jungs an diesem Tag? Das können die Jugendlichen, die mit in der Diskussionsrunde sitzen, bestätigen. Sie werden in ihrer Schule kaum darauf aufmerksam gemacht, dass der Mädchen-Zukunftstag vor der Tür steht; von einer Ermutigung durch die Lehrkräfte, daran teilzunehmen, kann im Falle von Bella, Anna und Markus nicht die Rede sein. „Unseren Lehrern ist vor allem wichtig, dass wir die Schulfreistellung rechtzeitig abgeben“.
Heidrun Dräger, Gleichstellungsbeauftragte im Landkreis Ludwigslust, zieht am Ende der Diskussion Bilanz: Der Girls’ Day funktioniert nur, wenn alle dahinter stehen – Schülerinnen, Lehrkräfte, Eltern und die Unternehmen. „Mir kommt es in erster Linie auf die Qualität an; lieber ein paar Betriebe weniger, die daran teilnehmen, dafür aber interessante Angebote“. Das ursprüngliche Ziel des Girls’ Day sollte dabei nicht aus den Augen verloren werden. Schließlich geht es nicht um herkömmliche Berufsorientierung, sondern darum, technische und naturwissenschaftliche Berufszweige für Mädchen attraktiver zu machen. Die Jungs sollten allerdings nicht ausgeschlossen werden, sondern – vielleicht an einem anderen Tag – ein ähnliches Angebot wahrnehmen können. „Der Girls’ Day ist eine gute Idee, nur sollte es dann zusätzlich auch einen Boys’ Day geben“, gibt der Ludwigsluster Facharzt Christoph Hoffmann zu bedenken, der ebenfalls im Film zu sehen ist.
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Jan Schwab
Internet: www.lola-fuer-lulu.de