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Die mehrmals ausgezeichnete Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e.V. wird vom bayrischen Verfassungsschutz als „linksextrem“ eingestuft. Doch dieser Vorwurf steht auf wackligen Beinen und diskreditiert Engagement gegen Rechtsextremismus.
Der kürzlich erschienene Verfassungsschutzbericht 2008 des Bayerischen Innenministeriums ist mit seinen knapp 250 Seiten eine ausführliche Publikation. Dass darin auch ein eingetragener Verein aus München aufgeführt wird, der bereits mehrere Auszeichnungen erhalten hat, sollte zu denken geben – allerdings über den Bericht, nicht über besagten Verein. Es handelt sich um die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e.V., kurz a.i.d.a. Der Verein dokumentiert seit 1990 die Aktivitäten der rechtsextremen Szene und informiert darüber die Öffentlichkeit. Bereits zweimal wurde a.i.d.a. durch das bundesweite „Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt“ ausgezeichnet. 2008 erhielt der Verein immerhin den „Förderpreis Münchner Lichtblicke“, unter anderem von der bayerischen Landeshauptstadt München und dem städtischen Ausländerbeirat.
Warum also findet sich ausgerechnet dieses Archiv, das sich um die Aufklärung der Öffentlichkeit über das Thema Rechtsextremismus so verdient gemacht hat, gleich mehrmals im bayerischen Verfassungsschutzbericht wieder, aufgeführt unter dem Begriff „sonstige Linksextremisten“? Eine genauere Studie des Berichtes ergibt: viel ist nicht dran an der Geschichte. Denn begründen können die Staatsschützer ihre Entscheidung nicht. a.i.d.a. spricht von einer gezielten „Diffamierungskampagne der bayerischen Staatsregierung“, die sich angeblich bereits Anfang 2009 angekündigt habe: „Ziel ist es, uns zurückzudrängen, so dass uns am Ende keiner mehr ernst nimmt“, sagte Vereinsvorstand Marcus Buschmüller (gegenüber der MUT-Redaktion).
Bereits im Februar, so heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme von a.i.d.a., habe das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz den Bayerischen Jugendring und weitere Empfänger dazu aufgefordert, die Zusammenarbeit mit dem Archiv zu beenden. Der Jugendring solle an einer bislang regelmäßig stattfindenden gemeinsamen Veranstaltung mit a.i.d.a. in diesem Jahr nicht mehr teilnehmen. Untermauern könne das Landesamt seine Aufforderung lediglich durch unvollständige Zitate aus der a.i.d.a.-Webseite, vermeintlich vom Archiv verlinkte Homepages und sogar durch einen Flyer, der gar nicht von a.i.d.a. stamme.
a.i.d.a. linksextremistisch?
Im Bericht selbst taucht das Archiv an drei Stellen auf. Zunächst in einer Tabelle unter der Kategorie „sonstige Linksextremisten“, wobei die Auflistung nicht weiter erklärt oder untermauert wird. Darüber hinaus wird a.i.d.a. in der Rubrik „Freie Nationalisten München“ als Ziel einer Neonazi-Demonstration sowie in einer weiteren Rubrik als Ziel extrem rechter Aktivitäten genannt. Warum das Archiv allerdings im Bericht auftaucht, wird an keiner Stelle klar. Auf Nachfragen von Journalisten, so heißt es in der a.i.d.a.-Stellungnahme weiter, habe der bayerische Staatsminister des Innern, Joachim Herrmann, keine gute Figur abgegeben, sondern der Theorie von einer Diffamierungskampagne sogar noch Auftrieb gegeben.
Herrmann spricht im Zusammenhang über die Arbeit von a.i.d.a. sogar von „Unterwanderungsversuchen“, um mehr Einfluss bei demokratisch initiierten Projekten gegen Rechtsextremismus zu erlangen und „linksextremistische Vorstellungen“ zu verbreiten. Warum er glaubt, der Verein verfolge die Beseitigung der Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, konnte Herrmann allerdings nicht belegen.
Was die verlinkten Homepages auf der a.i.d.a.-Webseite betrifft, so stammt ein Großteil der im Verfassungsschutzbericht angeführten Zitate nicht aus den von a.i.d.a. verlinkten Seiten, sondern aus „Internetauftritten, die sich erst aus einer weiteren Verlinkung ergeben“. Zudem weist das Archiv – wie häufig üblich – explizit darauf hin, dass es keine Verantwortung für die Inhalte verlinkter Webseiten übernimmt. Die Fachstelle im Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz war (gegenüber der MUT-Redaktion) zu keiner telefonischen Stellungnahme in Bezug auf den Fall a.i.d.a. bereit.
Inzwischen hat der Münchner Verein eine Rechtsanwältin eingeschaltet, da die Auflistung im Verfassungsschutz ernste Folgen hat. Derzeit droht dem Verein der Verlust der erst im Januar 2009 ausgewiesenen Gemeinnützigkeit.
Zur Website von a.i.d.a
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Nora Winter