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01.01.2018 - 00:01, Sachsendorf, Cottbus

3 Verletzte
Sachsendorf, Cottbus
Brandenburg

In der Neujahrsnacht haben Unbekannte eine Asylunterkunft gestürmt und dort mindestens drei Geflüchtete schwer verletzt.
 
Als sie gegen 1:30 Uhr auf dem Nachhauseweg am Gelsenkirchener Platz in Sachsendorf ankommen, beginnt eine etwa zehnköpfige Gruppe von jungen Deutschen sie als „Scheiß Ausländer“ zu beschimpfen und zu verfolgen. So erzählt es einer der drei Betroffenen des Angriffs der Bürgerinitiative "Cottbus schaut hin", die zuerst von dem Übergriff berichtete. Die drei Opfer versuchten die Täter zu ignorieren und schnellstmöglich in ihre Unterkunft zu gelangen. Schon auf dem Weg seien sie mit Schlagringen und Bierflaschen malträtiert worden.
 
Die zwei diensthabenden Wachleute ließen die drei Bewohner zwar in den Eingangsbereich, kurz darauf aber auch die Angreifer. Den weiteren Angriff beschreiben die Geschädigten gegenüber der Bürgerinitative wie folgt:
 
"Wir haben mehrmals zu den Wachmännern gesagt, dass sie die Polizei anrufen sollen. Aber sie haben nicht reagiert und einfach 20-25 Minuten zugeschaut, wie wir von über zehn Deutschen im Flur und Treppenbereich geschlagen wurden. Nach ca. 25 Minuten haben die Wachmänner die Tür für die Deutschen geöffnet und zu ihnen gesagt, dass sie raus gehen müssen, weil jetzt die Polizei kommt.“ Der zehn Minuten später eintreffenden Polizei habe einer der Wachleute danach noch eine falsche Richtungsangabe darüber gemacht, wohin die Täter geflohen seien, so die Geschädigten weiter. Die Polizei ermittelt wegen schwerer Körperverletzung, der Staatsschutz ist eingeschaltet.  
 
Alle drei Geschädigten sollen laut Bürgerinitiative massive Verletzungen im Gesicht erlitten haben. Einer von ihnen wird immer noch mit gebrochenem Kiefer im Klinikum behandelt.
 
"neues deutschland" beschreibt die Polizeidarstellung des Vorfalls wie folgt zusammen: "Nach Angaben der Polizei ging bei den Einsatzkräften gegen 02.10 Uhr ein Notruf vom Wachschutz der betroffenen Unterkunft ein. Mehrere Deutsche sollen dort zuvor geklingelt und die Wachschutzmitarbeiter geöffnet haben. Als dann keiner eingetreten sei, hätten Mitarbeiter an der Tür nachgesehen. Dann hätten vier Männer und zwei Frauen die Unterkunft gestürmt und seien auf mehrere Geflüchtete losgegangen. Beim Eintreffen der Polizei sei bereits eines der Opfer mit Gesichtsverletzungen von den Rettungskräften versorgt worden. Diese sollen ihm mit einer Flasche zugefügt worden sein." 
 
Zwar haben die Sicherheitsleute die Polizei alarmiert. Offen ist aber, wann sie die Einsatzkräfte riefen und wie sie sich bis zu deren Eintreffen verhielten. Bewohner der Unterkunft schilderten der Bürgerinitiative, dass Wachleute nur zugeschaut hätten, als die Geflüchteten geschlagen und schwer verletzt wurden. Laut rbb überprüfe die Stadtverwaltung, ob der Sicherheitsdienst Fehler gemacht hat, denn der Wachschutz ist von der Stadt beauftragt und nicht vom Träger der Asylunterkunft.
 
Die Initative "Cottbus schaut hin" recherchierte im (inzwischen gelöschten) Facebook-Profil des Unternehmers Kai Distelkam, dessen "Dienstleistungsgruppe" für den Wachschutz in der Unterkunft zuständig ist. In Distelkams „Gefällt-mir-Angaben“ fänden sich unter anderem Seiten mit folgenden Titeln: "Das Ritterkreuz and the Ritterkreuzträger Wehrmacht (eine Wehrmachtstraditionsseite), Frank Rennicke (ein rechtsextremer Liedermacher), Unbequeme Jugend Cottbus (Jugendgruppe von Inferno Cottbus), Sachsen stellt sich quer: Asylmissbrauch stoppen; Chemnitz, Sachsen, Deutschland gegen Scheinasylanten und mehrere Facebookseiten der AfD. Distelkam teilt Nachrichten von „Heimat und Tradition Chemnitz Erzgebirge“ unter anderem einen Aufruf unter dem Titel „Einsiedel sagt Nein zur Erstaufnahme-Einrichtung“. Im Mai spekuliert er, der Tod von Michèle Kiesewetter sei gar nicht auf Neonazis, sondern auf Islamisten zurückzuführen und ein Freund rät ihm die verschwörungstheoretische Dokumentation mit dem vielsagenden Titel „Das NSU Märchen“ anzusehen. Distelkams Unternehmen wird von Freunden beworben, die sich wenig Mühe geben ihr neonazistisches Gedankengut zu verbergen. Einer der Beschäftigten nimmt seinen Arbeitgeber gegen den Vorwurf, Löhne nicht auszuzahlen in Schutz; er sei stolz dort beschäftigt zu sein. Seine eigenes Facebookprofil wird derweil von seiner „Weihnachtsdeko“ geschmückt im Nazi-Stil samt Hakenkreuz.
 
Über die Silversternacht in Cottbus schreibt "Cottbus schaut hin": 
"Am Nachmittag des letzten Tages des Jahrs 2017 lud der Verein „Zukunft Heimat e.V.“ erneut zu einer Kundgebung mit Redebeiträgen von prominenten Personen aus der AfD und Pegida ein. Während die Rednerin Birgit Bessin davon sprach „friedlich in das neue Jahr zu kommen“, ereignen sich wenig später im Zentrum von Cottbus gefährliche Situationen. Durch den häufig zu beobachtenden verantwortungslosen Umgang mit Knallkörpern, war die Lage bereits am frühen Abend angespannt. Die Polizei leitete gegen 22 Uhr Maßnahmen ein, indem sie mehrere junge Geflüchtete separierte, die Personalien feststellte, Fotomaterial von ihnen erstellte, mit Gewahrsam drohte und sie für die gesamte Nacht des Platzes verwies. Nach dieser polizeilichen Maßnahme folgten weitere Platzverweise und Drohungen an unbeteiligten Flüchtlingen. In einem Video von „Cottbus schaut hin“ wird deutlich, dass sich die Polizei unverhältnismäßig ihnen gegenüber verhielt. Die Pressesprecherin der Initiative „Cottbus schaut hin“ schildert die Situation wie folgt: „Einige Polizistinnen und Polizisten sprachen in sehr aggressivem Tonfall, sowie mit sehr unprofessionellem Sprachgebrauch mit den Migranten. Die Männer wurden behandelt wie respektlose Verbrecher, obwohl sie sich kooperativ zeigten.“ Auf dem Altmarkt waren gegen 22:45 Uhr Hitlergrüße zu hören und Rufe wie: „Zukunft Heimat“. Auch vermummten sich junge deutsche Männer mit Sturmhauben, eine davon rot-weiß gestreift, wie die Farben des „FC Energie Cottbus“ und warfen ohrenbetäubende Feuerwerkskörper auf den Stadthallenvorplatz. Dabei stand die Polizei tatenlos in unmittelbarer Nähe zu den Tätern. Des Weiteren warfen junge Männer kurz nach Mitternacht absichtlich mehrmals Knallkörper in Kleingruppen von Menschen mit Migrationshintergrund, dabei auch Kinder. Danach amüsierten und lachten sie über ihre Taten. Derzeit befand sich die Polizei weiterhin vor Ort, schritt aber nicht ein."