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Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Egon Schweiger, Leiter des Projektes "Augenblicke des Einhaltens" des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma in Baden-Württemberg
Der Praxisverbund „Living Equality“ der Amadeu Antonio Stiftung unterstützt lokale Akteure, die sich für die Stärkung der Gleichwertigkeit aller Menschen im Alltag einsetzen. Heute: Das Schulprojekt „Augenblicke des Einhaltens“ des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma in Baden-Württemberg.
Von Jan Schwab
In der Metropolregion Rhein-Neckar – also in und um die Stadt Mannheim – leben ungefähr 3.500 Sinti und Roma. Um Vorurteile abzubauen und neue Wege der gegenseitigen Verständigung zu finden, bietet der Landesverband Deutscher Sinti und Roma in Baden-Württemberg an Mannheimer Schulen das Projekt „Augenblicke des Einhaltens“ an. Die Grundidee: Durch Aufklärung und Information sollen Schüler und Lehrer für die Lebensverhältnisse der Sinti und Roma in der Region sensibilisiert werden, überholte Rollenbilder und Klischees widerlegt werden.
Sinti und Roma gehören zu denjenigen Gruppen, die am häufigsten Diskriminierung und Ablehnung ausgesetzt sind. Wie tief verwurzelt die Vorurteile gegenüber Sinti und Roma – von vielen Menschen nach wie vor „Zigeuner“ genannt – auch heute noch sind, machen frühere Umfragen des Zentrums für Antisemitismusforschung in Zusammenarbeit mit EMNID und Allensbach deutlich: Demnach lehnen weit über 60 Prozent der Bundesbürger generell Sinti oder Roma als direkte Nachbarn ab. Dieses erschreckende Umfragedetail präsentierte die SPD-Gemeinderätin und Landtagsabgeordnete Helen Heberer bei der Vorstellung des Projekts im Mannheimer Kulturhaus „RomnoKher“.
Historische Parallelen
Sinti und Roma wurden bis zum Ende des 15. Jahrhunderts in fast allen europäischen Ländern urkundlich erwähnt. Im 18. Jahrhundert konnte anhand der Verwandtschaft der Minderheitensprache Romanes und der altinidschen Hochsprache Sanskrit nachgewiesen werden, dass die Sinti und Roma ursprünglich aus Nordindien stammen. Obwohl es im Mittelalter und in der Neuzeit immer wieder überlieferte Beispiele für ein friedliches Miteinander zwischen dieser Minderheit und der Mehrheitsbevölkerung gab, hat sich bei letzterer ein Bewusstsein antiziganistischer Klischees und Vorurteile verfestigt, die später die Nationalsozialisten für ihre Propagandazwecke benutzten. Während der Hitler-Diktatur wurden 500.000 Sinti und Roma von den Nazis systematisch ermordet. Nicht nur in diesem Punkt bestehen Parallelen zur Geschichte der Verfolgung der europäischen Juden: Sowohl Antisemitismus als auch Antiziganismus wurzeln von Anfang an in christlichen Feindvorstellungen. Während der christliche Antijudaismus Juden ausgehend von der Legende der Juden als „Gottesmörder“ verfolgte, wurden „Zigeuner“ als Heiden oder Verbündete des Teufels stigmatisiert. Sowohl Juden als auch Sinti und Roma mussten in der Folge immer wieder als Sündenböcke für alle möglichen Missstände in der Gesellschaft herhalten.
„Tandem-Teams“ zur Überwindung von Vorurteilen
All dies legt nahe, die bestehenden Vorurteile gemeinsam zu bekämpfen. Ein „Tandem-Team“ aus je einem Vertreter der Sinti und Roma und der örtlichen jüdischen Gemeinde erarbeitet gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern verschiedene Themen. So diskutieren die Gruppen beispielsweise Klischeevorstellungen über Sinti und Roma in den Medien. Die Teamer eröffnen Einblicke in gemeinsame und unterschiedliche Erfahrungen mit antiziganistischen und antisemitischen Vorurteilen im Alltag. Spezielle Materialien und moderne Medien helfen den Teilnehmenden, sich intensiv mit Vorurteilen und Ressentiments gegen Sinti und Roma, Juden und anderen Minderheiten auseinander zu setzen.
Wichtiger Bestandteil des Vorhabens sind auch Fortbildungen für Lehrkräfte. Denn: Um ihre Schüler für wichtige Probleme wie Diskriminierung sensibilisieren zu können, müssen Lehrerinnen und Lehrer selbst gut über die jeweiligen Themen Bescheid wissen. So bot eine zweitägige Fortbildung in der Evangelischen Akademie im baden-württembergischen Bad Boll eine einmalige Gelegenheit für Lehrkräfte aus ganz Deutschland, sich fit zu machen für die Arbeit gegen Antiziganismus und Antisemitismus in der Schule. Anregende Vorträge gewährten z.B. Einblicke in die Lebenswirklichkeiten von Sinti, Roma und Juden und informieren über zivilgesellschaftliche und schulische Möglichkeiten bei der Bekämpfung von Rassismus.
Erfahren Sie mehr über den Projektverbund "Living Equality".
Besuchen Sie auch die Webseite http://www.living-equality.org