Ein rechtsextremer Aufmarsch in der sachsen-anhaltinischen Stadt Dessau war erst verboten - dann hat ihn das zuständige Verwaltungsgericht doch erlaubt. Deshalb rief das Dessau-Roßlauer Bündnis gegen Rechtsextremismus am Samstag zu einer spontanen Kundgebung auf. Das Motto: „Bunt statt Braun“.
"Es sei kein guter Tag für die Stadt, wenn rechtsextreme Neonazis durch das Stadtgebiet marschieren dürfen" zitiert die Mitteldeutsche Zeitung Dessaus Oberbürgermeister Klemens Koschig. Wenn 1 000 Ordnungskräfte für die Absicherung nötig seien, dann müsse eine solche Veranstaltung auch verboten werden können, wünschte er sich. Dass dieser 8. März dennoch ein guter Tag sei, das ergebe sich für ihn aus der Teilnahme hunderter Dessau-Roßlauer an dieser Kundgebung. Weiter berichtet mz-online:
"Innenminister Holger Hövelmann dankte der Stadt Dessau-Roßlau ausdrücklich für ihr Engagement, "diese braune Demonstration in dieser Stadt verhindern zu wollen", verwies aber auf das Grundrecht auf Demonstration. Indes forderte Hövelmann auf, gegen rechtes Gedankengut in jeder Form und an jedem Ort aufzutreten und dafür zu sorgen, das Rechte bei den nächsten Wahlen nicht wieder in die Parlamente einziehen. "Wir wollen sie da nicht haben und sie gehören da auch nicht hin", so Hövelmann. Weiteren klaren Bekenntnissen zu Demokratie und Antifaschismus und für ein weltoffenes Dessau-Roßlau durch Kirche, Gewerkschaft, Hochschule, Theater und Partei, folgte ein Weg der Erinnerung und Mahnung zu verschiedenen Orten des Gedenkens in der Dessauer Innenstadt." Dabei gab es auch eine Gedenkminute am Gedenkstein zur Erinnerung an den im Jahr 2000 in Dessau ermordeten Mozambikaners Alberto Adriano.
Die angemeldete Demonstration der NPD war zunächst von der Stadtverwaltung verboten worden. Die Stadt
Dessau, die gleichzeitig das Kurt-Weill-Fest feiert, sah die NPD-Demonstration als Schlag gegen ihr Image. Aus diesem Grund wurde die Entscheidung, die Veranstaltung zu verbieten, von den Vertretern aller demokratischer Parteien und Organisationen befürwortet. Das Festival zu Ehren des Komponisten Kurt Weill, der 1933 das nationalsozialistische Deutschland verlassen musste, bringt der Stadt internationale Aufmerksamkeit. Trotzdem hob das Verwaltungsgericht Dessau dieses Verbot wieder auf. Das Gericht urteilte, dass ein Versammlungsverbot nicht infrage kommt, solange das mildere Mittel der Erteilung von Auflagen nicht ausgeschöpft sei. Infolge durfte die NPD dann doch noch demonstrieren - allerdings nur rund 100 Anhänger folgten ihrem Aufruf, deutlich weniger, als in den letzten Jahren.
„Bunt statt Braun“
Ab12 trafen sich die Rechtsaußen am Bahnhof , bereits ab 11 riefen Antifagruppen zum Gegenprotest auf. Zudem plante der "Beatclub Dessau" einen Staffellauf durch die City und wollte am Bahnhofsvorplatz, dem Sammelpunkt der Neonazis, ein Kontra "mit lauten Beats" bieten. Unter dem Motto "Bunt statt Braun" mobilisierte das Dessau-Roßlauer Bündnis gegen Rechtsextremismus für Samstagmittag zu einer eigenen Gegen-Kundgebung. Treff war um 13 Uhr das Anhaltische Theater. „Es ist die ureigenste Angelegenheit einer Kultureinrichtung, sich für Demokratie und Toleranz einzusetzen“, begründete Joachim Landgraf, der Verwaltungsdirektor der Bühne, die Wahl des Orts, zu mehrere Hundert Menschen kamen. Im Anschluß begann ein Stadtrundgang zu Stationen des Naziterrors in Dessau.
Am Denkmal der Opfer des Faschismus wurde an die Verfolgung von Juden, Christdemokraten, Parteilosen und auch gewerkschaftlich nicht organisierte Menschenim Dritten Reich erinnert. Die Jüdische und Dessauer Kirchengemeinden machten an der Gedenkstele in der Askanischen Straße darauf aufmerksam, dass dort vor 100 Jahren die Synagoge geweiht und diese im November 1938 zerstört wurde. An der Friedensglocke, der letzten Station des Mahnweges, wies Joachim Landgraf auf die Aktualität des Gründungsaufrufs des Bündnisses gegen Rechtsextremismus von 1998 hin: "Gemeinsam wollen wir allen Erscheinungsformen des Rechtsextremismus in Text, Wort, Symbolik und Tat gewaltfrei entgegentreten," zitiert die Mitteldeutsche Zeitung.
Dessau galt während des Faschismus als ein Dreh- und Angelpunkt der deutschen Rüstungsindustrie. So wurden in der Muldestadt Kampfflieger für die deutsche Wehrmacht und Kriegsmunition hergestellt. Zudem wurde das in den Gaskammern der Vernichtungslager eingesetzte "Zyklon B" hier produziert - bis am März 1945 die Alliierten die Stadt aus der Luft angriffen.
Protest gegen Neonaziaufmarsch auch in Lübeck (Lübecker Nachrichten, 9.3.)
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / j.pertrigeat
Das Titel-Foto entstand beim Protest gegen eine extrem
weiträumig abgesperrte Neonazikundgebung
in Dessau im März 2005, Copyright H.Kulick