Am 28. und 29. März traten die Sportfreunde Stiller in den Kleinstädten Finowfurt und Berlebeck auf, vom Erlös sollten lokale Projekte gegen Rechtsextremismus finanziert werden. Mit ihrem aktuellen Song "Antinazibund" fordern die drei Jungs aus Süddeutschland dazu auf, sich gegen rechtsextremes Gedankengut zu wappnen und für eine menschenfreundlichere Gesellschaft einzutreten. Doch warum Finowfurt und Berlebeck?
Von Franziska Schwarzmann, Kai Jahns und Fotos von Holger Kulick
"Wir sind froh, dass ihr für richtige Toleranz steht und gegen diese rechte Scheiße" begrüßte in der Sporthalle Finowfurt Sänger Peter von den Sportfreunden Stiller sein Publikum von der Bühne. Ganz bewusst wollten die Sportfreunde Stiller mit zwei Benefiz-Konzerten Initiativen stärken, die sich gegen Neonazismus engagieren. Zum Beispiel in Finowfurt, wo ein sehr engagiertes Schülerbündnis aktiv ist. Die Initiative "light me Amadeu!" mahnt: "Nicht weit vom brandenburgischen Finowfurt entfernt, in Autobahnnähe, hat sich mit Klaus M. ein Mitglied des Landesvorstandes der DVU angesiedelt. Regelmäßig finden Neonazikonzerte statt. Musik lädt die Szene auf, lässt sie wachsen, manipuliert und radikalisiert sie. Musik und die dazu gehörigen jugendkulturellen Milieus sind prägend für die politische Einstellung vieler Jugendlicher und junger Erwachsener. Die Zugehörigkeit zu einer Szene ist aber nicht fest. Die Einschränkung des Angebots einer rechtsextremen Erlebniswelt bedeutet gleichzeitig eine zahlenmäßige Beschränkung der Szene und verhindert rechtsextreme Gewalt."
Über das Ausmaß von Rechtsextremismus in der Umgebung von Finowfurt und dem nahen Eberswalde machten sich die Mitglieder der Sportfreunde Stiller vor ihrem Konzert selbst ein Bild. Dazu wurde eine Round-table-Debatte mit Initiativvertretern und Kommunalpolitikern organisiert. Am Rande berichteten Tourbegleiter, dass es nicht wenige Drohungen gegen die Sportfreunde gäbe, seitdem sie sich explizit als Nazigegner äußerten. Chapeau, dass sie es auch weiterhin tun! "Gegen Nazi-Scheiße zu sein, ist doch aber selbstverständlich!", meinte Sänger Peter im MUT-Gespräch. Daraus demnächst mehr.
Beim round-table-Gespräch in Finowfurt
Auch Neonazifunktionär Klaus M. fühlte sich offensichtlich herausgefordert und meldete zeitgleich eine Demonstration gegen Intoleranz und das Konzert an, der etwa 70 Neonazis folgten. Polizei hielt den Veranstaltungsort allerdings hermetisch abgeriegelt, so blieben Ängste der Sportfreunde Stiller vor einer direkten Konfrontation unbegründet. Ihr Engagement soll nun weitergehen.
So unterstützen die Sportfreunde - gemeinsam mit dem Brandenburger Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit - Jugendliche und Jungwähler, die sich vor den Brandenburger Kommunalwahlen im Herbst mit DVU, NPD und möglichen Tarn-Wählerinitiativen, die sie zur Wahl stellen werden, auseinander setzen. Das Konzert in Finowfurt war zugleich Startschuss für die Initiative "Kein Ort für Nazis" in Nordost-Brandenburg.
"Kein Ort für Nazis"Projekte, die dieses Motto bis zu den Kommunalwahlen am 28. September in Aktionen oder Projekten zum Ausdruck bringen wollen, können sich um bis zu 250 Euro aus einem Fond bewerben, der extra hierfür zur Verfügung gestellt wurde. Der Kreativität der Akteure sind dabei keine Grenzen gesetzt - alle Ideen, die sich mit demokratischer Kultur auseinandersetzen, sind willkommen, sich zu bewerben.
Denn: Rechtsextremismus in Brandenburg hat viele Facetten, vielfältig muss deshalb auch die Auseinandersetzung mit ihm sein. Die einzige Bedingung für die Bewerbung ist, dass die Initiativen aus den Regionen Oberhavel, Märkisch-Oderland, Uckermark oder Barnim kommen. Unterstützt wird die Initiative von der Amadeu Antonio Stiftung, dem Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, der Kampagne "Laut gegen Nazis", der Stadt Eberswalde, der Stiftung SPI und dem Antinazibund der Sportfreunde Stiller. Ansprechpartner in der Region ist die Schülerinitiative "Light me Amadeu".
Beim Konzert in Finowfurt
Ein ähnlich intensives Engagement unterstützt die populäre Band im nordrhein-westfälischen Berlebeck bei Detmold, wo rund um den Konzertveranstaltungsort auch ein Straßenfest gegen Rassismus stattfand. Das Konzert war schon seit langem ausverkauft.
München als Wiege des Antinazibunds
Vor rund 6.000 Zuschauern hatten die Sportfreunde Stiller Ende Januar ihren Antinazibund ins Leben gerufen - dort, wo Hitler 1923 seinen ersten Putsch versuchte, vor der Feldherrenhalle in München. Mit dabei waren Münchens Oberbürgermeister Ude, Jörn Menge, Initiator der Kampagne „Laut gegen Nazis“, und Anetta Kahane von der Amadeu Antonio Stiftung. Ziel des neuen Bündnisses soll es sein, jedermann gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus in Deutschland zu mobilisieren.
"Gegen den Gedächtnisschwund ist unser Antinazibund", begründen die Sportfreunde Stiller musikalisch ihr Engagement und trugen zu Füßen der Feldherrenhalle auf dem Münchener Odeonsplatz ihren Song "Antinazibund" vor. Dies sei ihre "Titelmelodie zur Beerdigung diskriminierender Hirnverprellungen" . Damit gehe es ihnen darum, "menschenverachtenden Rassisten zu zeigen, dass Ihre Gesinnung nur eine Scheissvergangenheit, aber keine Zukunft hat!". An diesem Bund kann sich seit Ende Januar auf
www.antinazibund.de auch jeder beteiligen durch eine Online-Unterschrift oder auch ein Statement. Den Song dazu kann sich jederman dort downloaden. "Damit wollen wir web-weit ein Zeichen setzen, dass Deutschland gegen Neonazis Flagge zeigt", hofft Mitinitiator Jörn Menge von „Laut gegen Nazis".
Auch Münchens Oberbürgermeister Ude begrüßte die Initiative. Er wandte sich energisch gegen die Versuche von "NPD, DVU und rechtsextremen Zirkeln", für die Münchener Kommunalwahlen im März 2008 unter "Tarnnamen" zu kandidieren und die Wähler über ihre wahre demokratiefeindliche Haltung zu täuschen. "Da steht Bürgerinitiative drauf, ist aber NPD drin", mahnte Ude. Wermutstropfen: zumindest einen Sitz konnten die NPD-Statthalter bei der Wahl im März trotzdem erringen. Aber nur eine dieser Tarnplattformen kam durch.
Nicht nur in München soll der Antinazibund wirken: Anetta Kahane , Vertreterin der
Amadeu Antonio Stiftung, sieht in dem Bund "Unterstützung für alle Mutmenschen". An diesem Ort, wo Adolf Hitler 1923 erstmals zum Putsch der Demokratie aufmarschieren ließ, präsentiere sich 85 Jahre später eine deutlich sympathischere Bewegung. Der Antinazibund verstehe sich im besten bundesrepublikanischen Sinne: "Wir machen denen Mut, die für die Demokratie und gegen die Feinde demokratischer Werte antreten. Dazu gehört es auch, über politische Demagogen, publizistische ‚Meinungsführer’ und Stimmungsmacher am Stammtisch aufzuklären, die versuchen, durch ein brandgefährliches Spiel mit Vorurteilen, Rassismus und Antisemitismus das Rad der Geschichte in Deutschland wieder rückwärts zu drehen“.
Ein "Weckruf" - Was der Antinazibund will:
Zu ihrem Begriff "Antinazibund", zugleich ein Songtitel der Band, erläutern die Sportfreunde Stiller:
"Mit 'Antinazibund' wollen wir uns ein Beispiel nehmen an einigen Helden unseres Alltags und aktiv werden gegen rechtsradikale Gewalt. Wir rufen dazu auf für eine menschenfreundlichere Gesellschaft einzutreten. Tut euch zusammen im Antinazibund. Zeigen wir den Bewohnern von Städten wie München oder Orten wie zum Beispiel Berlebek* und Finowfurt*, dass wir auf Ihrer Seite stehen. Engagierte Leute eben dieser Orte haben sich mit Zusammenhalt und Courage gegen gemeingefährliche Menschen und deren kaputtes Gedankengut gestellt.
Am 25. Januar haben wir diesen Appell in München vorgetragen. Am 28. und 29. März werden wir zusammen mit der wunderbaren Organisation "Laut gegen Nazis" nach Berlebek und Finowfurt fahren um dort Konzerte zu spielen. Somit ist das Lied "ANTINAZIBUND" und die Aktionen drumherum als kleiner Versuch eines Weckrufes zu sehen, dem hoffentlich noch von vielen Seiten weitere Beiträge folgen werden.
Damit eine Sache klar ist: Protest soll kein Trauerzug sein. Dieses Lied ist höchstens die Titelmelodie zur Beerdigung diskriminierender Hirnverprellungen. Im Herbst/ Winter 07 haben während der La Bum- Tour unsere Fans ordentlich beim Anzinazibund gefeiert. Über 50 000 Menschen haben den Titel im Anschluss an die Konzerte von unserer Homepage (gratis) runtergeladen.
Zeigen wir menschenverachtenden Rassisten, dass Ihre Gesinnung nur Eine Scheissvergangenheit, aber keine Zukunft hat! Wir haben den Nazis voraus, dass wir mehr vom Leben erwarten als einen Cocktail aus Hass, Gewalt, eine Prise Angst sowie einen Schuß Ausgrenzung. Ein Leben in kultureller Vielfalt ist in allen Belangen bereichernd und inspirierend und macht obendrein viel mehr Spass. Der Zusammenschluss und die Kommunikation von Menschen unterschiedlichster Herkunft ist in der heutigen Zeit die einzige Lösung bestehender gesellschaftlicher Probleme.
Ihr seid herzlich dazu eingeladen unsere Seite www.antinazibund.de zu besuchen. Dort könnt ihr Zukünftig weitere Informationen zum Thema und zu weiteren geplanten Aktionen bekommen. Haut Euch mit uns zusammen rein gegen die zyklisch immer wieder aufkeimende Nazikacke. Zeigt, dass Ihr all Eure eins bis sieben Augen auf die Menschen gerichtet habt, die laut oder stillschweigend rechtsradikales Gedankengut billigen und rollt mit uns los im ANTINAZIBUND!
Viele Grüsse an alle Gleichgesinnten und an die, die sich zumindest in eine menschenfreundlichere Richtung bewegen wollen.
Eure Sportfreunde".
Die weiteren Auftrittsorte des "Antinazibunds" in Berlebek (NRW) und Finowfurt (Brandenburg) begründete die Band wie folgt:"Berlebeck - ein kleines Dorf in Nordrhein-Westfalen wehrt sich
Rechtsradikale Funktionäre versuchen Jugendliche für die in Tradition der Hitler-Jugend stehenden Heimattreuen Deutschen Jugend - HDJ zu gewinnen. Neonazis bedrohen Bürger, die sich gegen die braunen Umtriebe wehren und zünden Rauchbomben vor deren Türen. Bei Rechtsradikalen wird ein reichhaltiges Waffenarsenal gefunden, das zu "paramilitärischen" Übungen verwendet wurde: Totschläger, Gewehre, Bomben. Berlebeck ist zu einem Zentrum rechtsradikaler Aktivitäten geworden. Dagegen gehen die Bürgerinnen und Bürger jetzt vor.
Finowfurt - Nazikonzerte für DVU, NPD und die freien Kräfte
Regelmäßig finden in der schönen Schorfheide auf dem Grundstück des DVU-Landesvorstandes Klaus M. Neonazikonzerte und Sommerfeste statt. Häufig muss die Polizei die Konzerte wegen verfassungsfeindlicher Parolen auflösen. Nicht zufällig finden im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang rechte Schmierereien und Straftaten statt. Die Konzerte sind der Ort, wo sich DVU, rechte Kameradschaften und die NPD zusammen finden. Zur Kommunalwahl 2008 in Brandenburg tritt die NPD flächendeckend an, auch in der Schorfheide. Aktive Schülerinnen und Schüler wehren sich und brauchen Unterstützung."
Tänzchen hinter der Bühne während des Auftritts der Sportfreunde Stiller: Münchens engagierter Oberbürgermeister Ude, der am Vorabend mit Vertretern von Kirchen, Gewerkschaften und Jugendverbänden ein neues lokales Bündnis gegen Rechtsextremismus ins Leben rief. Denn in München kandidieren zur im März bevorstehenden Kommunalwahl gleich zwei ausländerfeindliche Tarnlisten von Vertretern rechtsextremistischer Zirkel und Parteien wie der NPD.
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