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Wider die Gleichgültigkeit - Keine Duldung brauner Umtriebe in Riesa


Die Region Riesa zeigt mit dem „Riesaer Appell“, dass sie sich breit gegen die braunen Umtriebe aufstellt. Allerdings wissen die Initiatorinnen und Initiatoren, dass ein Appell nicht ausreicht. Deswegen fand am 17.August ein Treffen der Engagierten statt.

Der Riesaer Appell zieht weite Kreise: Es ist bürgerschaftliches Engagement das den Kampf für den öffentlichen Raum bestreitet und gegen den menschenfeindlichen Ungeist antritt. Nach der Unterschrift so hochrangiger Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie des Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen Stanislaw Tillich und des sächsischen Staatsministers des Inneren Markus Ulbig könnten sich die Initiierenden des Aufrufes und die Erstunterzeichnerinnen und Erstunterzeichner, etwa die Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt Sachsen Margit Weinert, eigentlich zufrieden mit dem öffentlichen Echo, zurücklehnen. Doch es ist erheblich mehr nötig, wenn gegen die soziokulturelle Verankerung neonazistischen Milieus und deren Versuch, den öffentlichen Raum und Diskurs zu bestimmen, nachhaltig gearbeitet werden soll. Das wissen auch die Initiatorinnen und Initiatoren des Appells.

Die braunen Umtriebe gehen im Stillen weiter...

Die Probleme sind mit dem Appell nicht aus der Welt geschaffen. Ende Juli wurde zum Beispiel in Hirschstein bei Riesa bei Nacht und Nebel der Sportplatz der Stadt mit NS Symbolen verunstaltet. Die Täter sind bis jetzt unbekannt. In etwa so muss sich der Riesaer NPD Stadtrat Jürgen Gansel seine Graswurzelrevolution vorstellen - völkisch und geräuschlos. Obwohl nach Aussagen des Platzwartes das fünf mal fünf Meter große Hakenkreuz sowie die sechs mal sieben Meter große SS-Doppel-Sieg-Rune wohl mit Hilfe eines Rasentrimmers in den Rasen getrieben wurden - was nicht ganz so leise gewesen sein kann. Aber es wird laut in und um Riesa: In Strehla haben auch Schülerinnen und Schüler den Schmusekurs gegen die NPD eingestellt. Die Einladungen zur Übergabe des Titels „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, der der Schule verliehen wird, ging an fast alle Stadträte - NPD Stadtrat Schreiber wurde bewusst nicht eingeladen. Dieser versucht nun mit öffentlichen Falschdarstellungen die Initiative der Mittelschule zu diskreditieren.

Initiatorenkreis des Riesaer Appell
Initiatorenkreis des Riesaer Appell

...der Protest wird lauter

Die Initiatorinnen und Initiatoren des Riesaer Appells nehmen diese und alle anderen Fälle der braunen Umtriebigkeit ernst. Sie haben sich als Träger von Angeboten der Jugendhilfe mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einem Wertekonsens verpflichtet. Von Anfang an, als noch keiner an eine öffentlichen Verlautbarung über ihre Wertediskussion in Riesa dachte, bestand ihr Anspruch, es nicht bei der appellativen Ebene zu belassen. In Workshops, Diskussionsrunden und Fallbesprechungen haben sie sich trägerübergreifend mit den Handlungsstrategien und Konsequenzen ihres Wertekonsenses befasst. Denn die Nagelprobe in der Auseinandersetzung mit völkischem Nationalismus, Rassismus, Geschichtsrevisionismus, Antisemitismus und Neonazismus findet im Berufsalltag der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter statt. Gezielte Provokationen, etwa durch das Tragen von bei Neonazis beliebten Kleidermarken, ist nicht einfach mit Verboten zu regeln. Hier müssen zuerst Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult und sensibilisiert werden, um rechten Lifestyle zu erkennen. Rassistische Pöbelein sind mit dem Veranstaltungsausschluss der pöbelnden Jugendlichen nicht erledigt. Denn die Provokateure und Täter sind die Mädchen und Jungen von Nebenan. Ihre Haltungen und Urteile sind häufig aus der Erwachsenenwelt von Zuhause, aus dem Betrieb oder der Schule übernommen.

Die Initiative arbeitet weiter!

Am 17. August trafen sich daher erneut Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschiedener Träger der Jugendarbeit in Riesa zu Fachaustausch und Weiterbildung. Diese Fortbildungen sind wichtige Gelegenheiten, aufgestaute Gefühle, Fachfragen oder den öffentlichen Diskurs zu reflektieren und in der kollegialen Beratung zu bearbeiten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beteiligten Einrichtungen kennen die Folgen der jahrelangen Nichtbearbeitung erkennbarer neonazistischer Aktivitäten in Riesa und Umgebung. Sie sind sich einig, dass ihre gegenseitige Offenheit und der nun stattfindende Fachaustausch ihre Ängste abgebaut hat und neue Perspektiven der Jugendarbeit in der Region entwickeln hilft. Solches Empowerment, durch Anstösse und Empfehlungen von außen und unter Kolleginnen und Kollegen sind wertvolle Entscheidungshilfen im Umgang mit neonazistischen Aktivitäten.

Besonders wichtig für den sozialpädagogischen Fachdiskurs ist es, Grenzen des pädagogischen Handelns im Umgang mit menschenverachtenden Überzeugungen zu bestimmen. Fortbildung und kollegialer Austausch werden sich in Riesa fortsetzen. Der entstandene Arbeitskreis wird in den nächsten Monaten vergrößert. Aus Strehla und Hirschstein, aus der Stadtverwaltung und der Polizei gibt es Interesse, im Arbeitskreis mitzuwirken. Mit vereinten Kräften, so hoffen die Initiatorinnen und Initiatoren des Riesaer Appells, können Jugendhilfeeinrichtungen, kommunale Behörden und lokale Vereine und Initiativen dem Treiben der völkischen Rassisten um Gansel und seine braunen Spießgesellen ein Ende bereiten. Die breite Unterstützung ihres Aufrufs ist für alle Bestätigung und Ansporn zugleich.

Von Danilo Starosta, Jugendhilfecoach im Kulturbüro Sachsen e.V.
Foto: (oben) Riesa Blick zur markanten Trinitatiskirche, Kolossos, via
wikipedia, cc; (unten) Auch der Riesaer Revierleiter der 1.Polizeihauptkommissar Hermann Braunger ist im Initiatorenkreis des Riesaer Appells aktiv, Kulturbüro Sachsen, c
  

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