Erstmals wurde am Freitag, den 9. November 2007, der Sächsische Förderkreis für Demokratie in der Unterkirche der Frauenkirche Dresden verliehen. Die glücklichen Preisträger wurden das "Bündnis für Menschenwürde - gegen Rechtsextremismus im Landkreis Mittweida", das "Netzwerk für Demokratische Kultur Wurzen" und das "Schulmuseum - Werkstatt für Schulgeschichte Leipzig".
Von Simone Rafael
Am Nachmittag des 9. November 2007 versammelten sich in der Unterkirche der Frauenkirche Dresden die ausgezeichnetsten Vertreterinnen und Vertreter des demokratischen Sachsen: Die Mitglieder der 15 für den Sächsischen Förderpreis für Demokratie nominierten Projekte (mut berichtete) harrten gespannt der Vergabe der drei mit je 10.000 Euro dotierten Preise, die beim feierlichen Festakt von der Kulturstiftung Dresden der Dresdner Bank, der Stiftung Frauenkirche Dresden, der Freudenberg Stiftung und der Amadeu Antonio Stiftung vergeben wurden.
Der "Hausherr", Frauenkirchenpfarrer Sebastian Feydt (ganz rechts) begrüßt die Gäste in der Unterkirche der Frauenkirche Dresden: "Mit diesem Preis wird das außerordentliche Engagement dreier Initiativen geehrt, die sich der Stärkung einer demokratischen Alltagskultur, dem Schutz von Minderheiten und der Menschenrechte verschrieben haben."
Der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt ist Schirmherr des Sächsischen Förderpreises für Demokratie und hat einen der drei Preise gestiftet. Er verknüpfte in seiner Rede die historischen Ereignisse des 9. November mit der Verleihung: Den 9. November der Reichspogromnacht als Datum des Schreckens mit der Verpflichtung zur Verteidigung der Demokratie, den 9. November 1989 als Ausdruck der Verteidigung der Demokratie und des Wunsches nach Freiheit aus der Mitte des Volkes heraus. "Und heute zeigt diese Preis das vielfältige Engagement einer starken Zivilgesellschaft. Hier sitzen Verteidiger der Demokratie, die ihre Gesellschaft selbst gestalten. Ich wünsche mir, dass ihr Beispiel Schule bei uns macht."
Als Moderator führte Thomas Reiche (re.) durch den Abend, der Bereichsleiter Fernsehen im MDR-Landesfunkhaus Sachsen: "Wir zeichnen heute Menschen aus, die gelebte Demokratie im Alltag praktizieren, diesem Datum jeden Tag im Jahr gerecht werden."
Heribert Prantl, Chef des Ressorts Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung, hielt eine feurige Laudatio auf die nominierte Projekte: "Wir brauchen Leute, die sich trauen, vor Ort in die Schulen, Behörden, Vereine, Fußballstadien zu gehen. Die sich nicht damit zufrieden geben, wenn gesagt wird: Es war doch eine einfache Wirtshausschlägerei. Leute wie Sie, die der braunen Alltagskultur offen entgegentreten und zeigen, dass sie sich nicht fürchten und denen nicht den öffentlichen Raum überlassen." Ein starker Staat und Opferhilfe reichten nicht gegen Rechtsextremismus, meinte der Journalist, vielmehr sei Demokratiecoaching besonders wichtig, dass die Augen öffne für das wahre Treiben scheinbar harmloser Vereine und Menschen das Vertrauen in den Rechtsstaat wieder gewinnen ließe. In Anspielung auf das Märchen von Herrn Korbes der Gebrüder Grimm appelierte er an den Wert und die Kraft der gemeinsamen Aktion: "Und ob sie wie im Märchen eher die Stecknadel, die Ente oder das Ei sind, wissen Sie selbst am besten."
Gespannt warten die Vertreterinnen und Vertreter der nominierten Projekte auf die Preisverleihung. Nominiert waren als Auswahl aus 81 Projekten, die sich an der Ausschreibung beteiligten:
Aktion Zivilcourage Pirna,
arche noVa e.V. Dresden,
Bürgerbündnis für Menschenwürde Mittweida,
Buntes Leben Freiberg,
Hatikva e.V. Dresden,
Jugendforum Chemnitz,
Gruppe KLARA, Dresden,
Kreativhaus Dresden,
Landesjugendpfarramt Sachsen Leipzig,
Netzwerk für Demokratische Kultur Wurzen,
Oberlausitz - Neue Heimat e.V. Löbau,
Schulmuseum Leipzig,
Sprungbrett e.V. Riesa,
Stadtverwaltung Glauchau,
Treibhaus e.V. Döbeln.
Erhielten zwar keinen Preis, aber eine lobende Erwähnung: Anna Schüller und Sebastian Laube vom Jugendforum Chemnitz. Anna erläuterte: "Wir wollen Mitsprache, wenn unsere Stadt gestaltet wird. Und bisher leihen die Politiker uns auch mal ein Ohr. Oder zwei."
Mit dem von ihm gestifteten Sonderpreis zeichnete Ministerpräsident Georg Milbradt das Schulmuseum Leipzig aus. Leiterin Elke Urban nahm die Urkunde entgegen und erläuterte die kommenden Projekte: "Wir untersuchen mit Schülerinnen und Schülern, wie Widerstand in der Schule möglich war, zur Zeit des Nationalsozialismus, zu DDR-Zeiten. Wenn die Schüler lernen: Widersprechen lohnt sich, bin ich froh."
Anetta Kahane von der Amadeu Antonio Stiftung überreicht die Preisurkunde an Markus Eick und Björn Redmann, die Sprecher des "Bündnisses für Menschenwürde - gegen Rechtsextremismus im Landkreis Mittweida", Christian Petry von der Freudenberg Stiftung bringt Blumen (v.l.). "Wir versuchen, mit einem möglichst breiten Bündnis große Teile Mittweidas gegen Rechtsextremismus zu begeistern", sagt Markus Eick, und Björn Redmann ergänzt: "Aber es gibt auch Aktionen für Demokratie und Opferschutz in der Region, die aus dem Rathaus nicht unterstützt werden."
Pfarrer Sebastian Feydt überreicht die Preisurkunde an Melanie Haller, Miro Jennerjahn und Stephan Meister vom Netzwerk für Demokratische Kultur in Wurzen, Michael Wedell von der Kulturstiftung Dresden der Dresdner Bank bringt den Blumenstrauß (v.l.). Melanie Haller erläutert: "Wir stellen Infrastruktur und Ideen zur Verfügung für alle, die sich in unserer Region gegen Rechtsextremismus und für Demokratie engagieren wollen." Abends hatten die Wurzener schon wieder ein Konzert im eigenen Haus im Rahmen der Aktionswochen gegen Antisemitismus.
Mehr im Internet:www.demokratiepreis-sachsen.de
© mut-gegen-rechte-gewalt.de, 09.11.2007
HIER NOCHMAL ALLE NOMINIERTEN PROJEKTE:
1) Aktion Zivilcourage Pirna
Die Aktion Zivilcourage Pirna prägt mit Kultur für Jugendliche „kontinuierlich Szene“ – und hat damit das Klima ihrer Stadt verändert.
2) arche noVa e.V. Dresden
arche noVa aus Dresden organisiert humanitäre Hilfe in aller Welt. Da wollte der Verein vor der eigenen Haustür nicht untätig sein.
3) Bürgerbündnis für Menschenwürde Mittweida
In Mittweida zeigt die rechtsextreme Szene ihr brutales Gesicht. Doch es gibt Widerstand aus der Bevölkerung: Das Bündnis für Menschenwürde – gegen Rechtsextremismus im Landkreis Mittweida.
4) Buntes Leben Freiberg
Die Jugendinitiative Buntes Leben schafft eine Gegenkultur in Freiberg – wo die NPD bei den Unter-18-Jährigen die beliebteste Partei ist.
5) Hatikva e.V. Dresden
Der Dresdner Verein „Hatikva e.V. vermittelt Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, dass Juden normale Menschen sind – „bevor Vorurteile und Neonazis ihnen ein anderes Bild in den Kopf setzen.“
6) Jugendforum Chemnitz
Chemnitz überaltert und schrumpft. Das Jugendforum Chemnitz sucht Wege, um klar zu machen: Wir sind aber noch da. Und wir wollen mitreden.
7) Gruppe KLARA Dresden
Die Schülergruppe KLARA informiert in Dresden-Klotzsche über neonazistische Aktivitäten - inzwischen weit über ihre Schule hinaus.
8) Kreativhaus Dresden
Das Kreativhaus in Dresden ist eine bunte „Insel der Kunst“ für Kinder und Jugendliche, die sonst im Leben vernachlässigt werden - damit die rassistischen Einstellungen gar nicht erst entwickeln.
9) Landesjugendpfarramt Sachsen Leipzig '
Die Kulturarbeit des Landesjugendpfarramts Sachsen sensibilisiert Kids für rechtsextreme Musik: „Schließlich sind Symbole unser Kerngeschäft.“
10) Netzwerk für Demokratische Kultur Wurzen
Das Netzwerk für Demokratische Kultur bringt seit den Jahren Gegenkultur zum rechtsextremen Mainstream nach Wurzen – so dass dieser langsam, aber sicher weichen muss.
11) Oberlausitz - Neue Heimat e.V. Löbau
In Löbau gründete sich der Verein Oberlausitz – Neue Heimat e.V. vor allem, um anderen Spätaussiedlern Hilfe zu bieten. Doch dann merkten die Mitglieder: Es gibt noch Probleme mit der Fremdenfeindlichkeit in der Region zu lösen – und warum nicht mit einem Beitrag von uns?
12) Schulmuseum Leipzig
Das Schulmuseum Leipzig ermöglicht durch Projekte eindringliche
Lerneffekte, wenn Jugendliche die Lebensläufe von Widerständlern zur Zeit der
beiden deutschen Diktaturen erforschen.
13) Sprungbrett e.V. Riesa
In Riesa konnte sich die „Deutsche Stimme“ der NPD ohne viel Widerstand niederlassen. Sprungbrett e.V. ändert das.
14) Stadtverwaltung Glauchau
In der Glauchau bestimmen 14- bis 24-Jährige mit, wie ihre Stadt in Zukunft aussieht. Weil die Jugendlichen hier an gelebter Demokratie teilhaben, hat die Gemeinde schon einigen Rechtsextremen Terrain weggenommen.
15) Treibhaus e.V. Döbeln
Mit ihrem „Haus der Demokratie“ wollen Jugendliche des Treibhaus e.V. einen Treffpunkt für demokratisch orientierte Menschen in der Region Döbeln schaffen.
Die Preise
Zwei Preise in Höhe von je 10.000 Euro unterstützen und belohnen mutiges Engagement von Initiativen und Projekten, die für die Menschenrechte und den Schutz von Minderheiten eintreten, die Demokratie in ihrer Region stärken oder sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus oder Antisemitismus einsetzen.
Einen weiteren Preis in Höhe von 10.000 Euro lobte Sachsen Ministerpräsident Georg Milbradt nach der Menschenjagd von Mügeln aus. Milbradt ist auch Schirmherr des Preises.
Die Preisverleihung findet am 09.11.2007 um 16 Uhr statt.
Mehr im Internet:
www.saechsischer-demokratiepreis.dewww.dresdner-bank.de/dresdner-bank/engagement/kultur/kulturstiftung-dresden/index.htmlwww.frauenkirche-dresden.de/stiftungwww.amadeu-antonio-stiftung.dewww.freudenbergstiftung.de