Nominiert für den Sächsischen Förderpreis für Demokratie: Treibhaus e.V., Döbeln
Gute Arbeit gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus hat viele Gesichter – wir stellen Ihnen 15 ausgewählte Projekte vor, die für den Sächsischen Förderpreis für Demokratie nominiert sind. Heute: Mit ihrem „Haus der Demokratie“ wollen Jugendliche des Treibhaus e.V. einen Treffpunkt für demokratisch orientierte Menschen in der Region Döbeln schaffen.
Von Jan Schwab
Was ihn persönlich motiviert, sich für Demokratie und gegen Rassismus stark zu machen, äußert Alexander Voigt ohne zu zögern: „Selbstschutz!“ Er habe zwar keine dunkle Hautfarbe. Doch abgesehen haben sie es ja trotzdem auf ihn, sagt er – aufgrund seiner Einstellungen. Alexander Voigt ist einer von zwei hauptamtlich Beschäftigten im Treibhaus e.V. in Döbeln. Für den 30-Jährigen ist sein Engagement gegen Rechtsextremismus eine Selbstverständlichkeit, denn wenn er und die anderen jungen Leute im Verein nichts unternähmen – wer dann? Treibhaus e.V. ist der einzige soziokulturelle Verein im Landkreis Döbeln. Gegründet wurde er 1997 von 30 engagierten Jugendlichen, denen es wichtig war, Gleichaltrigen eine Alternative zum wachsenden Einfluss rechtsextremer Ideen zu bieten.
Die Idee hat sich als sinnvoll erwiesen: „Insgesamt hat sich die Situation zum Positiven entwickelt. Wir werden inzwischen von weiten Teilen der Döbelner Bevölkerung akzeptiert“, resümiert Treibhaus-Vorsitzender Philipp Klöden. Er ist mit seinen 21 Jahren ein sehr junger Vereinsvorsitzender. Seit fünf Jahren engagiert er sich, den Vorsitz betreibt er ehrenamtlich. „Wir haben in unserer Region das Problem, dass die klugen Köpfe abwandern“, beobachtet Philipp. „Wenn es uns nicht gäbe, dann wären wahrscheinlich noch mehr Leute weg als ohnehin schon“. Die Stadt Döbeln zählt 21.000 Einwohner, die Arbeitslosigkeit lag 2006 bei 17 Prozent. Aber dem jungen Mann mit den Dreadlocks macht es Mut, dass der Treibhaus-Verein wachsenden Zulauf bekommt: „Immer mehr Jugendliche interessieren sich für uns – zunehmend auch Migranten, sozial Schwache und Arbeitslose“. Diese Menschen bekommen im Treibhaus die Möglichkeit, sich mit eigenen Projekten aktiv in eine demokratische Gesellschaft einzubringen. Wo es Angebote wie die des Treibhaus e.V. gibt, haben es rechtsradikale Rattenfänger schwerer, sich mit ihrer menschenfeindlichen Ideologie in den Köpfen junger Menschen festzusetzen.
Die größte Herausforderung in der Vereinsgeschichte
Dass die Jugendlichen vom Treibhaus auf dem richtigen Weg sind, zeigen auch die Zahlen. Inzwischen hat der Verein rund 120 Mitglieder aus den unterschiedlichsten Bereichen und Subkulturen. 40 von ihnen sind aktive Mitglieder auf ehrenamtlicher Basis. So auch der 18-jährige Matthias Brauneis. Im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres im Kulturbereich organisiert er Veranstaltungen und leitet das Café Courage, der zentrale Veranstaltungsort im Erdgeschoss des Vereinsgebäudes in der Bahnhofstraße. Die Jugendlichen haben ihr Café liebevoll eingerichtet, auf gemütlichen Sofas kann man sich bei einem Getränk mit Freunden unterhalten oder das nächste Projekt planen. An den bunt bemalten Wänden hängt derzeit eine Ausstellung, die über die rechtsextreme Szene und deren Aktivitäten aufklärt. Hier sollen sich Leute wohl fühlen und sich gleichzeitig auf kritische Weise mit politischen und sozialen Themen auseinandersetzen. Seit 2001 finden im Café Courage vielfältige Veranstaltungen statt, von Diskussionsrunden über Kabarett bis hin zu Filmabenden und Konzerten.
Nach zehn Jahren erfolgreicher Arbeit steht der Verein vor der größten Herausforderung seit seinem Bestehen. Aufgrund finanzieller Probleme droht der Verkauf des Treibhausdomizils durch die städtische Wohnungsbaugesellschaft. Doch die engagierten Leute aus Döbeln wollen sich nicht geschlagen geben. Immerhin stehen die Ergebnisse aus zehn Jahren intensiver und erfolgreicher Arbeit auf dem Spiel. Jetzt will der Verein das Haus in der Bahnhofstraße kaufen. Eine Alternative gibt es nicht. Durch eine Spendenkampagne, die seit Beginn des Jahres läuft, sind 20.000 Euro zusammen gekommen. Die Treibhäusler organisieren Benefizkonzerte, versteigern Kunstwerke aus der Region und machen mit Flyern auf ihre schwierige Lage aufmerksam. Die erfolgreiche Spendenaktion ist eine große Bestätigung für den Verein und ein weiteres Zeichen dafür, wie vielen Menschen das Engagement für Demokratie in Döbeln ein wichtiges Anliegen ist.
Lokalpolitik sieht keinen Bedarf an neuen Projekten
„Mit dem gesammelten Geld werden wir in der Lage sein, das Haus zu kaufen, aber die eigentliche Arbeit beginnt erst danach“, erzählt Alexander Voigt. Ziel ist es, ein „Haus der Demokratie“ zu schaffen für alle Initiativen, Vereine und Personen des Ortes, die sich für Demokratie engagieren. Derzeit sind nur das Erdgeschoß und die erste Etage ausgebaut, aber das soll sich bald ändern. Die bestehenden Räume werden allmählich zu eng – das Treibhaus wird immer beliebter bei den Döbelnern. Platz für neue Projekte ist dringend erforderlich.
Dafür wird nicht nur tatkräftige Hilfe in Form von ehrenamtlicher Arbeit, sondern auch finanzielle Unterstützung benötigt. Beispielsweise ist ein erweitertes Angebot im Bereich der offenen Jugendarbeit geplant. Doch um dieses Vorhaben in die Tat umsetzen zu können, benötige man einen kompetenten Sozialarbeiter, betont Alexander Voigt. Bisher sei in dieser Richtung nichts geschehen, die so dringend benötigte Unterstützung durch die Kommunalpolitik blieb aus: „Die Verantwortlichen haben sich noch nicht davon überzeugen lassen, dass man für die zwei Jugendclubs im Landkreis mehr als eine Sozialarbeiterin braucht“. Es ärgert ihn, wenn Kommunalpolitiker die Augen vor vorhandenen Problemen verschließen – häufig aus Unkenntnis über die vor Ort geleistete Arbeit. „Wir haben es hier teilweise mit Wirklichkeitsverweigerern zu tun“, erzählt Alexander. Dass in der örtlichen Jugendhilfe erheblicher Handlungsbedarf besteht, haben kürzlich sogar Wissenschaftler von der Hochschule Mittweida vor Ort bestätigt. Für die Lokalpolitik kein überzeugendes Argument: sie sehen weiterhin keinen Bedarf an neuen Projekten in der Jugendarbeit.
Farbenvielfalt für Döbeln
Insbesondere auf Landkreisebene sei es schwierig, konkrete Hilfe zu bekommen. Alternative Jugendarbeit und Initiativen, die sich gegen Rassismus und Rechtsextremismus engagieren, werden in der Region kaum gefördert. Das neue Programm der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus sieht keinen lokalen Aktionsplan für den Landkreis Döbeln vor. Umso wichtiger erscheinen vor diesem Hintergrund die zumeist ehrenamtlich betriebenen Treibhaus-Projekte. In der Netzwerkstelle, dem zentralsten Projekt des Vereins, werden junge Menschen zu mehr politischem Verantwortungsbewusstsein ermutigt. Dazu gehört, dass ungeliebte Themen wie beispielsweise die Situation von Asylbewerbern angesprochen werden. In enger Zusammenarbeit mit ARID, der Antirassistischen Initiative in Döbeln, leistet der Verein Hilfe für Flüchtlinge, unterstützt Betroffene bei rechtlichen und sozialen Problemlagen, bietet Sprachkurse an oder klärt die Öffentlichkeit über die Lebenssituation von Migranten auf.
Wie ideenreich die Jugendlichen des Treibhauses sind, verdeutlicht die Interkulturelle Woche „Prisma“, für die auf Plakaten in Kneipen, auf der Straße und sogar im Reisezentrum des Döbelner Bahnhofs geworben wird. Im September 2006 wurde das Projekt zum ersten Mal realisiert, der Bürgermeister übernahm die Schirmherrschaft. Auch in diesem Jahr werden eine Woche lang verschiedenste Veranstaltungen einen Beitrag zum kulturellen Austausch in Döbeln leisten. Es gibt eine Medienrallye für Kinder, Theaterworkshops, Lesungen, interkulturelle Kochkurse. Im diesjährigen Veranstaltungsprogramm heißt es unter anderem: „Wir haben unsere Interkulturelle Woche ‚PRISMA’ genannt, denn die Farbenvielfalt eines Prismas wünschen wir uns für das kulturelle Zusammenleben in unserer Region. (...) Wir möchten eine Idee wie einen Lichtstrahl auf der einen Seite in das Prisma geben und auf der anderen Seite kommt es durch die Beteiligung vieler verschiedener Interessierter zu einem sehr abwechslungsreichen und farbenfrohen Ergebnis“. Bleibt zu hoffen, dass dieser Lichtstrahl gelegentlich auch in die aufgeräumten Büros und Hinterzimmer derjenigen lokalen Entscheidungsträger gelangt, die bisher dem Straßenbau eine höhere Priorität einräumen als der Jugendarbeit. Das Engagement des Treibhaus Döbeln e.V. wäre jedenfalls definitiv einen Sächsischen Förderpreis für Demokratie wert, der am 9. November gemeinsam von der Kulturstiftung Dresden der Dresdner Bank, der Stiftung Frauenkirche Dresden, der Freudenberg Stiftung und der Amadeu Antonio Stiftung vergeben wird.
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Nominiert für den Sächsischen Förderpreis für Demokratie 2007:
1) Aktion Zivilcourage Pirna
2) arche noVa e.V., Dresden
3) Bürgerbündnis für Menschenwürde, Mittweida
4) Buntes Leben, Freiberg
5) Hatikva e.V., Dresden
6) Jugendforum Chemnitz
7) Gruppe KLARA, Dresden
8) Kreativhaus, Dresden
9) Landesjugendpfarramt Sachsen, Leipzig
10) Netzwerk für Demokratische Kultur, Wurzen
11) Oberlausitz - Neue Heimat e.V., Löbau
12) Schulmuseum, Leipzig
13) Sprungbrett e.V., Riesa
14) Stadtverwaltung Glauchau
15) Treibhaus e.V., Döbeln