Nominiert für den Sächsischen Förderpreis für Demokratie: Sprungbrett e.V., RiesaVon Jan Schwab
Gute Arbeit gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus hat viele Gesichter – wir stellen Ihnen 15 ausgewählte Projekte vor, die für den Sächsischen Förderpreis für Demokratie nominiert sind. Folge XIII: In Riesa konnte sich die „Deutsche Stimme“ der NPD ohne viel Widerstand niederlassen. Sprungbrett e.V. ändert das.
Früher Nachmittag, 14 Uhr, am Busbahnhof in Riesa. Ein paar Schüler warten auf den Bus nach Hause. Vor nicht allzu langer Zeit hat jemand mit dicken schwarzen Buchstaben „Hitler Jugend“ auf die Außenwand eines der Wartehäuschen geschrieben. Illustriert wird das Statement durch ein paar Hakenkreuze.
Riesa, die 36.000-Einwohner-Stadt an der Elbe, im Norden von Sachsen, wirbt auf ihrer Homepage mit ihrem Image als „Sportstadt“, denn Riesa hat sich in den vergangenen Jahren als Austragungsort zahlreicher Sportveranstaltungen und internationaler Meisterschaften einen Namen gemacht. Leider wird dieses positive Image seit einigen Jahren getrübt, denn die Stadt gilt neben der Sächsischen Schweiz, dem Muldentalkreis und der Region um Mittweida inzwischen als ein Schwerpunkt der Ausbreitung rechtsradikaler und demokratiefeindlicher Strukturen in Sachsen. Als sich im Jahr 2000 der Verlag der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ in Riesa ansiedelte, wurden von den gewählten kommunalen Vertretern keine nachhaltigen Gegenstrategien entwickelt. Das Problem wurde verdrängt – und die Folgewirkungen der Aktivitäten des NPD-nahen Verlags unterschätzt.
Eine Brücke schlagen zwischen Vergangenheit und Gegenwart
Andreas Näther, gelernter Sozialpädagoge, fasst die Notwendigkeit des Engagements gegen Rechtsextremismus so zusammen: „Für mich ist die entscheidende Frage für die Zukunft der Stadt, ob unsere Bürger die ‚Deutsche Stimme’ weiterhin dulden oder ob sie sich dagegen stellen“. Es sei generell eher schwierig, sich in Riesa für Demokratie und gegen Extremismus zu positionieren, stellt Andreas Näther fest. Der 49-Jährige leitet den soziokulturellen Verein Sprungbrett und gründete gemeinsam mit anderen engagierten Leuten im Jahr 2000 das Riesaer „Bündnis gegen Rechts“ – hauptsächlich als Gegeninitiative zur „Deutschen Stimme“. Das Bündnis hatte es anfangs schwer, sich bei der Kommunalpolitik Gehör zu verschaffen. Mit geringen Ressourcen und in enger Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain, die 1985 zum Gedenken an sowjetische Kriegsgefangene im Nationalsozialismus errichtet wurde, entstand trotz der schwierigen Ausgangslage eine kontinuierliche Erinnerungsarbeit an die regionalen Ereignisse während der NS-Diktatur.
Neu: denk!mal
Vor einem Jahr entstand die Idee für ein neues Projekt: „denk!mal“. Das Ziel spiegelt sich im Wortspiel des Projektnamens wider: eine Brücke schlagen zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. Denn die Erinnerung an den Nationalsozialismus hat zarte Wurzeln geschlagen in der Stadt, vor allem seit zwei Jahren wird im Stadtrat eine rege Diskussion über die Installation eines Gedenkortes geführt. Was allzu häufig auf der Strecke bleibt, ist eine echte, offensive Auseinandersetzung mit der Gegenwart. „Wir beobachten seit vielen Jahren ein schleichendes Einsickern fremdenfeindlicher, rassistischer und demokratiefeindlicher Meinungen in die Mitte unserer Stadtgesellschaft“, beklagt Näther. Von einer offensiven, auf breiter Basis angelegten Auseinandersetzung mit rechtsradikalem Gedankengut sei Riesa noch weit entfernt. „Das lange politische Wegschauen hat zu einer langsamen, aber kontinuierlichen Akzeptanz rechtsextremen Gedankengutes geführt“.
Langer Atem ist gefragt
Im Rahmen eines vom CIVITAS-Programm geförderten Geschichtsprojektes wurde deutlich, was einige engagierte Bürger bereits vor sieben Jahren befürchtet hatten. Die simplen Slogans der NPD („Kein Geld für Asylbetrüger“, „Arbeit für Deutsche“) kommen bei vielen Menschen inzwischen gut an. So hätten beispielsweise Eltern in einer Kindertagesstätte auf die Frage, wo sie Silvester feiern werden, wie selbstverständlich geantwortet: „Wir gehen zur Deutschen Stimme“.
Einbindung möglichst vieler lokaler Akteure
Die Tatsache, dass die Stufe „Wehret den Anfängen!“ offensichtlich bereits weit überschritten ist, macht Projektarbeit für Demokratie nicht einfach. Doch nach Ansicht der Engagierten vor Ort gibt es gar keine andere Wahl als in die Offensive zu gehen. Es gilt, ein attraktives Gegenangebot zur subtilen Gehirnwäsche der rechtsextremen Zeitungsmacher und ihrer Sympathisanten zu schaffen. Mit dem neuen Projekt „denk!mal“ will Andreas Näther in erster Linie Menschen ansprechen, die von der großen Politik und theoretischen Bildungsveranstaltungen nicht oder kaum erreicht werden. Entscheidend für den Erfolg des Projektes ist es, möglichst viele lokale Akteure in die Planung und Durchführung mit einzubeziehen – wer „mit blindem Aktionismus“ an den örtlichen Strukturen vorbei arbeitet, erreicht am Ende kaum die große Masse, sondern vor allem diejenigen wenigen, die sich von vorn herein engagieren. Den Projektleiter stimmt zuversichtlich, dass unter anderem der Sportkreisbund für die Ziele des Vereins und das Projekt „denk!mal“ gewonnen werden konnte. Musikgruppen aus der Umgebung konnten sich überzeugen lassen, ihren Beitrag zum Gelingen der geplanten Veranstaltungen zu leisten, und inzwischen hat auch die Stadtverwaltung mitbekommen, dass es sich auf lange Sicht nicht lohnt, das Thema Rechtsextremismus unter den Teppich zu kehren.
Mit Sport und Spiel neue Zielgruppen erobern
Die Pläne klingen jedenfalls nach Spaß. Mit erhobenem Zeigefinger möchte das Projekt nicht daherkommen, Verantwortung aufzeigen und ernste, kontroverse Themen ansprechen dagegen durchaus: Rechtsextremismus und extremistische Ideologien beispielsweise werden ein Thema sein, ebenso Diskriminierung im Alltag, oder Integration von Minderheiten. Gemeinsam mit Jugendlichen und Erwachsenen sollen Sportveranstaltungen, Musik-, Tanz- und Kunstworkshops vorbereitet werden, um über diese Wege die unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen für Demokratie und gegen Rassismus und Rechtsextremismus zu sensibilisieren. Der Höhepunkt dieser Events wird ein für Mai 2008 geplantes „Fest der Kulturen“ sein. Eine hervorragende Chance für die Stadt Riesa, um zu zeigen, dass es nicht nur in sportlicher Hinsicht, sondern auch in Sachen offensiver Umgang mit Extremismus ganz vorne mitspielt. Wenn die Hoffnung der Projektleiter ein kleines Stück weit Realität wird, dass „der zivilgesellschaftliche Mut wächst, sich als Bürger, als Familienvater, als Übungsleiter, als Gaststättenbesucher, als Händler auf dem Markt aktiv und selbstbewusst mit rechtsradikalen und fremdenfeindlichen Äußerungen auseinander zu setzen“ – dann wäre schon viel erreicht. Das unermüdliche Engagement in einer Stadt, in der (noch) viel rassistischer Gegenwind bläst, wäre jedenfalls definitiv einen Sächsischen Förderpreis für Demokratie wert, der der am 9. November gemeinsam von der Kulturstiftung Dresden der Dresdner Bank, der Stiftung Frauenkirche Dresden, der Freudenberg Stiftung und der Amadeu Antonio Stiftung vergeben wird.
Mehr auf mut-gegen-rechte-gewalt.de:
80 x Mut in Sachsen
Nominiert für den Sächsischen Förderpreis für Demokratie 2007:
1) Aktion Zivilcourage Pirna
2) arche noVa e.V., Dresden
3) Bürgerbündnis für Menschenwürde, Mittweida
4) Buntes Leben, Freiberg
5) Hatikva e.V., Dresden
6) Jugendforum Chemnitz
7) Gruppe KLARA, Dresden
8) Kreativhaus, Dresden
9) Landesjugendpfarramt Sachsen, Leipzig
10) Netzwerk für Demokratische Kultur, Wurzen
11) Oberlausitz - Neue Heimat e.V., Löbau
12) Schulmuseum, Leipzig
13) Sprungbrett e.V., Riesa
14) Stadtverwaltung Glauchau
15) Treibhaus e.V., Döbeln