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"Bei Rassismus hört die künstlerische Freiheit auf. Jeder Künstler hat eine gesellschaftliche Verantwortung," fordern die Brothers Keepers in einer Online-Petition, unterstützt von Musikern wie Smudo von den Fanta4 und dem Publizisten Roger Willemsen. Auf der Berliner Musikmesse Popkomm erneuerten die Musiker ihren Online Appell und kündigten erneut einen eigenen Hip Hop Wettbewerb an.
Selbstverständlich sollte sein, "dass gerade in der Musikindustrie ein Eintreten für Respekt und gegen Rassismus dazugehört", begründet Adé Bantu, der Gründervater der Brothers Keepers die Aktion. Der Tropfen, der das Fass für ihn zum Überlaufen brachte, sei das im Frühsommer erschienene Album "Neger Neger" des afrodeutschen Rappers B-Tight gewesen. Das Wort Neger gehöre jedoch in das Unwörterbuch der Kolonialzeit. Aber auch der Erfolg des Rappers Bushido mache ihn sehr nachdenklich. Aus Gründen der Gewinnmaximierung würden Stereotype verkauft, nicht aber eine Haltung. Diese Klischees würden von unkritischen Jugendzeitungen wie der 'Bravo' ohne Rücksicht auf das Alter ihrer jungen Leserzielgruppe verbreitet.
Neuer Bravo-Held Bushido
Neben Adé Bantu stellten sich bei einer Pressekonferenz auf der Popkomm u.a. Ramin Bozorgzadeh von Groove Attack, die Autorin Noah Sow, das Hip Hop-Urgestein "Torch", der Autor Murat Güngör, Daniel Köhler vom Musikfachblatt Juice, Marcus Staiger (Royal Bunker) und die Sängerin Abisara Machold hinter den Appell. Adé Bantu kündigte außerdem an, im November erneut einen eigenen Hip Hop Wettbewerb auszuschreiben.
Der Wortlaut des 'Online Appells':
"Kommerziell erfolgreicher deutscher HipHop zeichnet sich zunehmend durch Gewalt verherrlichende und obszöne Inhalte aus und bedient sich dabei sowohl rassistischer als auch sexistischer Stereotypisierungen. Als Brothers Keepers e.V., einem Zusammenschluss von primär afrodeutschen KünstlerInnen und ProduzentInnen, der sich gegen Rassismus und für Gleichberechtigung auf allen gesellschaftlichen Ebenen engagiert, sehen wir diese Entwicklung der letzten Jahre mit wachsender Besorgnis. Wir denken, dass es höchste Zeit für einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs ist – dies schließt die Verantwortlichen in der Musikindustrie - die Plattenfirmen, Labels und Vertriebe – genauso ein wie Vertreter aus Medien und Politik und natürlich auch die Mitglieder der deutschen HipHop Community – sowohl die Konsumenten als auch die bislang recht schweigsamen Kritiker. Wanna B Tight? - Then you better get it right!
Exemplarisch lässt sich diese Gesamtproblematik an der jüngsten Veröffentlichung aus dem Hause Aggro- Berlin/Groove Attack illustrieren: das Album „Neger Neger“ des afrodeutschen Rappers B-Tight (aka Bobby Dick). Seit der Veröffentlichung des Albums kleben überall in deutschen Großstädten Werbe-Sticker mit der Aufschrift „Neger Neger“ – offensichtlich wenig kreative Auswüchse einer Werbekampagne, die Aufmerksamkeit erregen will und dabei keine Grenzen kennt. Sowohl der Albumtitel als auch die Liedtexte (Bsp.: „Wer rammt immer noch sein Penis in dein Loch, sag mir wer ist immer straff? Der Neger Neger!“) und die Werbekampagne sind nicht hinnehmbar. Das Wort „Neger“ (in Folge N-Wort genannt) ist eine rassistische Beleidigung.
Adé Bantu von den Brothers's Keepers (r.):
"Bei Rassismus hört die künstlerische Freiheit auf.
Jeder Künstler hat eine gesellschaftliche
Verantwortung."
"Wir lehnen die Verwendung des NWortes, egal ob als Fremd- oder Selbstbezeichnung, ab – genauso wie jegliches sadistisch-sexistisches Vokabular. Das N-Wort steht für die Herabwürdigung und Entmenschlichung Schwarzer Menschen. Dies zeigt sich sowohl in der deutschen Geschichte (Sklaverei, Kolonialismus, Genozid, Zwangssterilisierung, Ermordung in Konzentrationslagern) als auch in der deutschen Gegenwart. So sangen die faschistischen Mörder von Alberto Adriano das kolonialrassistische deutsche Kinderlied „Zehn kleine Negerlein“, während sie den mehrfachen Familienvater feige und brutal zu Tode traten. Zudem bedient sich die rechtsextreme Polit- Szene allzu gerne des N-Wortes, wie die jüngsten Aussagen über „arrogante Wohlstandsneger“ des NPD-Fraktionschefs, Holger Apfel, im Sächsischen Landtag zeigen. Die Auswirkungen rassistischer und sexistischer Gewalt durch Sprache dürfen nicht unterschätzt werden, ihre Verbreitung über Tonträger und Medien lässt sich nicht durch die viel zitierte künstlerische Freiheit rechtfertigen. Es geht hier nicht um formelhafte Political Correctness, sondern um R-E-S-P-E-K-T und um Verantwortung. B-Tight repräsentiert in keiner Weise die Schwarze Community in Deutschland, sondern allein seine eigenen gewinnmaximierenden Interessen und die seines Labels Aggro Berlin. Seine Sprachwahl und Herkunft können und dürfen nicht herangezogen werden, um rassistische Begriffe zu legitimieren.
Der Umgang mit Sprache reflektiert und kreiert natürlich das zwischenmenschlichen Klima innerhalb einer Gesellschaft und leistet der nach wie vor ausgeprägten verbalen und physischen Gewaltbereitschaft gegenüber Schwarzen Menschen in Deutschland Vorschub. Schon jetzt singen Jugendliche öffentlich – da sie weder von politischer, pädagogischer oder medialer Seite ausreichend Orientierungshilfen erhalten – Auszüge aus B-Tights Liedern und skandieren den Refrain. Letztlich führt die klischeehafte Selbstdarstellung B-Tights als sexbessener, perverser und hyperpotenter Schwarzer Vergewaltiger und Aufreißer zu einem ungehinderten Konsum frauenfeindlicher und vermeintlich „authentisch Schwarzer“ phallischer Phantasien. Rassismus und Sexismus werden so zur Ware für ein junges Publikum gemacht, das auch für die Bestätigung entsprechender Vorurteile zahlt.
Daher fordern wir:
• von dem Label Aggro Berlin ein Ende der Produktion und Vermarktung rassistischer und sexistischer Images und Inhalte sowie die sofortige Beendigung der Streetmarketing Kampagne zu „Neger Neger“ und das Einstampfen noch vorhandener Sticker
• von dem Vertrieb Groove Attack die Einstellung des Vertriebs des B-Tight Albums „Neger Neger“
• von den Musiksendern einen Rotationsstop rassistisch und sexistisch motivierter Videoclips und von Magazinen, Zeitungen und Fanzines das Ende unreflektierter Berichterstattung und ungehemmten Profitschlagens aus Anzeigen, die mit der Beleidigung Schwarzer Menschen und der Herabwürdigung von Frauen werben
• ein Ende des Schweigens in der deutschen HipHop Community und der Musikindustrie, in der das Eintreten für Respekt und gegen Rassismus selbstverständlich sein sollte Es ist höchste Zeit, gesamtgesellschaftlich Verantwortung zu übernehmen und Position zu beziehen.
Es ist höchste Zeit, gesamtgesellschaftlich Verantwortung zu übernehmen und Position zu beziehen."
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Zum Unterzeichnen der Petition: >klick
AUDIOMITSCHNITT DER POPKOMM-PK: >klick
Mehr zum Projekt Brothers Keepers e.V. www.brothers-keepers.de
www.myspace.com/brotherskeepersev
verein@brothers-keepers.de
©
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de - 21.9.2007