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Was können Schüler tun, um sich effektiver gegen Rassismsus zu engagieren? Die Friedrich-Ebert-Stiftung veranstaltete dazu am Donnerstag, den 12.06.08, einen Schüleraktionstag „Rechtsextremismus in der Schule“.
Ziele waren eine intensive Beschäftigung mit Rechtsextremismus in der Schule, den institutionellen Hindernissen für ein Engagement gegen Rechtsextremismus und letztenendes die Aufstellung eines Forderungskatalogs für eine demokratische Schule frei von Rechtsextremismus. Dazu erarbeiteten die Schüler nach einer kurzen Einführung in Arbeitsgruppen drei Forderungen, die abschließend im Plenum debattiert und beschlossen wurden. Außerdem gab es einen Workshop für Lehrer, der sich speziell mit Zeichen und Codes auseinandersetzte.
Schon im Grußwort wurde klar, dass Rechtsextremismus ein ernstzunehmendes Problem ist, das gerade für Schüler eine besondere Brisanz hat. Zum einen ständen SchülerInnen, das haben Schulhof-CD und anderes gezeigt, im Fokus des rechts-nationalen Interesses, zum anderen werde der Unterricht politisiert – er biete ideale Präsentationsfläche für Thesen wie „die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg“ oder „kriminelle Einwanderer müssen abgeschoben werden“.
In einem Workshop sah man von schülerischer Seite aus mit Unbehagen auf die Intensität des schulischen Engagements gegen Rechts, kaum einer hielt seine Schule für mittelmäßig engagiert. Die meisten Schüler ordneten ihre Schule im unteren Viertel der Skala ein.
Energische Kritik an Lehrern und Schulleitung wurde bei Paul aus Steglitz laut – so reagierten weder Schulleitung noch übriger Lehrköper auf den teils subtil, teils offensichtlich auftretenden Rassismus. Ein Mitschüler sei regelmäßig bespuckt und beschimpft worden, doch die Klassenleitung reagierte erst spät und dann vollkommen konzeptlos.
In anderen Fällen, berichteten Workshopteilnehmer, seien ihre bekennend rechten Mitschüler für ihre Meinung bestraft worden. Darüber, dass dies der falsche Weg ist, herrschte weitestgehend Einigkeit, denn wie will man eine autoritäre Grundeinstellung mit Strafen bekämpfen? Ziel müsse es sein, die Schülerschaft in Diskussionen durch Argumente für Demokratie zu begeistern und zu überzeugen statt mit überkommenen pädagogischen Mitteln das Gegenteil von Demokratie zu demonstrieren.
Erschrocken war eine Schülerin aus Kreuzberg darüber, dass die Extreme Rechte in Deutschland noch immer mehr Rückhalt genießt als die vermeintlichen Chaoten aus der extremen Linken. Vielleicht liegt es daran, dass 8-15 Prozent der Deutschen rechtsextrem denken.
Im sich nach den Workshops konstituierenden Plenum diskutierten alle Teilnehmer rege über die eingebrachten Vorschläge – das Ergebnis ist ein siebzehn Forderungen umfassender Katalog. Unter anderem wollen die Schüler, dass die Auseinandersetzung mit Vorurteilen und Rechtsextremismus schon in der Grundschule beginnt, natürlich methodisch für die jeweilige Altersgruppe aufbereitet.
Der Unterricht muss weg führen vom klassischen Frontalunterricht hin zu flexiblen, von aktuellen Anlässen ausgehenden, offenen und demokratischen Unterricht. Statt überausführlichem Geschichtsunterricht über Hitler-Deutschland wollen die jungen Demokraten eine Konzentration auf aktuellen Rechtsextremismus.
„Wie soll man denn demokratisch denken und handeln lernen, wenn man erst mit der Volljährigkeit an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen teilnimmt?“, fragte eine Schülerin und lieferte damit die Begründung für die Forderung nach regelmäßigen Schulversammlungen zur Entscheidungsfindung, sowie allwöchentlichen Klassenstunden zur Erörterung aktueller klassen- oder schulinterner Probleme.
Die Schüler wollen ihren Lehrern halbjährlich schriftliche Bewertungen schreiben, die dann durch die Schulleitung ausgegeben werden. „Dadurch wird einerseits die schulspezifische Hierarchie schrittweise abgebaut, andererseits kriegen jetzt auch Lehrer eine qualifizierte Kritik von der Schülerseite.“, begründete ein Redner diese Forderung.
Gerade von Anti-Rechts-Aktivisten wurde bemängelt, dass der Austausch zwischen den verschiedenen Schulen im Einsatz für Demokratie noch nicht so gut funktioniert. Sie wollen den Austausch verbessern, um von den Ideen der anderen profitieren zu können.
Ein großer Kritikpunkt der Teilnehmenden ist, dass ihnen nicht klar ist, wohin die Beschlüsse wandern. So waren zwar fast alle mit den gefassten Beschlüssen zufrieden, doch ohne eine baldige Realisierung oder mindestens Thematisierung, will sich kaum einer zufrieden geben. Immerhin möchte Tom Schreiber, Mitglied der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, die Vorschläge der Schülerschaft dem hiesigen Jugendsenator vorstellen. Doch auch Schreiber prallt von schülerischer Seite Skepsis entgegen: „Wie kann man denn glaubhaft Anti-Rassismuspolitik betreiben, wenn es in Deutschland noch immer Gesetze wie die Residenzpflicht gibt, die Asylbewerbenden die Bewegungsfreiheit nimmt?“
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Foto: Kulick, Schülerbild aus Halberstadt