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Rostock: Ein Nazi-Laden geht, ein Nazi-Laden kommt


Am 31. Mai ziehen sowohl der Nazi-Klamottenladen „Dickkoep“ als auch das NPD-Büro aus der Kröpeliner-Tor-Vorstadt in Rostock aus. Ein Bündnis hatte Jahre lang immer wieder protestiert.


Eine Provokation war es als im Juni 2007 in Rostock, ausgerechnet im Studierendenviertel Kröpeliner-Tor-Vorstadt (KTV), der rechte Klamottenladen „East Coast Corner“ eröffnete. In einem Stadtteil, in dem viele politisch (links) Aktive wohnen, nesteten sich die Hamburger Neonazis Thorsten de Vries und Torben Klebe mit einem eigenen Laden ein. Einige Monate später, im September 2007, zog ins gleiche Haus auch noch das Büro des NPD-Landtagsabgeordneten Birger Lüssow, der später auch die Geschäftsführung des dann in „Dickkoep“ umbenannten Ladens übernahm. Schon während der Einrichtungsphase im Mai 2007 wurden Passantinnen und Passanten von den rechten Betreibern angepöbelt und angegriffen. Auch von Seiten linker Aktivistinnen und Aktivisten kam es immer wieder zu Übergriffen auf den Laden. Die Nazis prügelten mit Schlagstöcken zurück. Die Polizei war ständig präsent und installierte sogar eine Videoüberwachung des Ladens.

Gemeinsam gegen den Naziladen


Steffen Vogt arbeitet in der Flüchtlingsberatung und Betreuung des Ökohaus e.V. in Rostock und war von Anfang an bei den Gegenprotesten beteiligt. Er erzählt, dass schnell eine handvoll aktiver Menschen das Ruder in die Hand nahmen und schon innerhalb weniger Tage zu einer Diskussionsrunde einluden. Hier sei es, wie Steffen Vogt erzählt, ein langer und schwerer Prozess gewesen, sich auf eine gemeinsame Strategie zu einigen. Schließlich jedoch faden Parteien, Vereine, politische Organisationen und die Antifa-Szene einen gemeinsamen Nenner und konnten projektbezogen gut zusammenarbeiten. Das Bündnis „Schöner Leben ohne Naziläden“ war gegründet. Als nächstes wurde die Öffentlichkeit mobilisiert, an der ersten großen Demonstration nahmen gleich 2.000 Menschen aus einem breiten politischen und sozialen Spektrum teil. Überraschend und als großen Erfolg bewertet Vogt diese Demonstration in einer doch nicht allzu großen Stadt.

Jedoch waren nicht alle Beteiligten so engagiert wie viele Anwohnerinnen und Anwohner des Viertels. Aus Sicht Vogts haben sich die Hauseigentümer nicht vehement genug gegen den Laden eingesetzt. Natürlich sei es selten möglich einfach eine Kündigung auszusprechen, aber sie haben sich nicht mal zu offenen Gesprächen bereit erklärt. Auch von städtischen Behörden, etwa der Versammlungsbehörde sowie der Polizei zeigt sich Vogt enttäuscht: „Die Überwachung des Ladens war viel zu teuer und unangemessen. Für die Polizei gäbe es hier in Rostock viel wichtigere Probleme zu lösen als Nazis zu beschützen“. Eine klare Positionierung der gesamten Rostocker Bürgerschaft habe es ebenfalls nicht gegeben.

Ziel erreicht

Wie es letzten Endes zur Schließung kam, weiß das Bündnis nicht genau. Nach Informationen der Ostseezeitung hat der Geschäftsführer und NPD-Landtagsabgeordnete Birger Lüssow finanzielle Schwierigkeiten, aber das wird nicht der einzige Grund sein. Auf der rechtsradikalen Internetplattform Altermedia, wo in den ersten Monaten zur Unterstützung des Ladens aufgerufen wurde, wird die Schuld den Betreibern in die Schuhe geschoben: „Unserer Meinung nach, war es allerdings weniger dem antifaschistischen Engagement geschuldet, der die NPD letztlich zum Rückzug aus der KTV zwang, sondern anderer Umstände. […] So kommt man nicht umhin festzustellen, dass die Vermarktung desselben in der Öffentlichkeit, insbesondere im Internet, alles andere als vorbildlich gelaufen ist.“ Bei Mitbetreiber Thorsten de Vries klingt das aber ganz schön anders. Er soll sich, ebenfalls auf Altermedia, beschwert haben, dass ihn die Rostocker Kameraden nicht vor dem Viertel gewarnt hätten.

Alles Gut?

Die Schließung der rechten Einrichtungen in der KTV kann also durchaus als ein großer Erfolg des Bündnisses gewertet werden. Deswegen ist aber noch lange nicht alles gut. Im Februar dieses Jahres eröffnete im abgelegenen Rostocker Stadtteil Dierkow ein Thor-Steinar-Laden. „Von der Sache her ist es das gleiche Problem. Da hier aber nicht, wie in der KTV, täglich viele politisch sensibilisierte Menschen vorbeikommen, wird er leider nicht so sehr wahrgenommen“, resümiert Vogt. Nicht nur in vielen Teilen Rostocks, in ganz Mecklenburg, insbesondere auf dem Land und in Kleinstädten, fehlten die Strukturen um ein breites Bündnis gegen Rechts auf die Beine zu stellen. Die engagierten Rostockerinnen und Rostocker werden aber am Thema dran bleiben und sich bemühen auch gegen den Laden in Dierkow eine geeignete Strategie zu finden.

Von Lisa Doppler
Foto: urbanartcore.eu via Flickr, cc
 

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