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Die Jungen und Mädchen aus der Realschule Gräfenberg haben sich Gehör verschafft: Im Rahmen des Bundesprogramms „Vielfalt tut gut - Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ ist ihr Hörbuch „Vielfalt Macht Schule“ entstanden. Mit Gedichten, Liedern und ihren aufgenommenen Gesprächen gestalteten sie ein CD-Projekt zur Geschichte des Nationalsozialismus und was diese noch mit heute zu tun hat.
Eine einfache Unterrichtsstunde über die Nazizeit reicht der Klasse 10E aus der Staatlichen Realschule Gräfenberg nicht. Begleitet von dem Künstler Jo Jasper, sowie ihrer Klassenleiterin Judith Angstl, reflektierten die Schüler acht Monate lang über den Nationalsozialismus und ihre eigene Erfahrungen mit Ausgrenzung. Jenseits des Geschichtsunterrichts führten sie ein Gespräch mit dem Holocaustüberlebender Josef Jakubowicz und besuchten die KZ-Gedenkstätte Dachau. Ihre Vorstellungen, Meinungen und Gefühlen dazu brachten sie auf der CD ,,Vielfalt Macht Schule“ zum Ausdruck.
,,Du bist einer von uns“
Diesen Satz möchten die meisten Schüler hören und ist der Titel eines Lieds auf der CD. Doch „Du bist einer von uns“ ist nur eine positive Aussage, wenn sie für alle gilt. Ohne diese Bedingung hat die Botschaft nur mit Exklusivität zu tun. Während des Projekts hatten die Schülerinnen und Schüler versucht, sich in andere hineinzuversetzen. Sei es nun in die ausgegrenzten Klassenkameradinnen und –kameraden oder auch in die allseits Beliebten. Daraus schrieb die Schülerin Ella ,,Die Macht der Gruppe“ und ,,Die Angst des Einzelnen“, um die Gedanken der Klasse zu berichten. „Gelten lassen, statt ausgrenzen“ beschreibt, wie jeder Mensch Akzeptanz gleichzeitig schenken und erwarten kann. Bedrückend ist das Lied „Menschen wie Müll“. Hier werden die Gefühle der Schülerinnen und Schüler nachdem sie das ehemalige KZ Dachau besuchten musikalisch verarbeitet.
Ein grundsätzliche Frage
Der Appell an Gefühle, wie es der Musiker Jasper versuchte, ist ohne Zweifel eine wichtige, wirkungsvolle Lehrhilfe. Die Verknüpfung von Ideen mit der eigenen Erfahrung bedeutet oft, dass die Gedankengänge beibehalten werden. Plastisch werden diese Erfahrungen, wenn Mitschülerinnen und Mitschüler sich erkennbar der Neonaziszene zuordnen. An dieser Stelle ist der schulische Alltag mit der Geschichte Deutschlands wahrscheinlich am offensichtlichsten verbunden. Doch Mobbing und Ausgrenzung haben nicht zwangsläufig was mit organisierten Neonazis an Schulen zu tun, sondern sind eben auch eigene Phänomene. Und zwar welche, die mit der Wertschätzung von Menschen zu tun haben. Das ist eine grundsätzliche gesellschaftliche Frage. Viele Schülerinnen und Schüler können sich an heutigen Schulen ausgegrenzt fühlen - diese Gefühle sind jedoch nicht automatisch vergleichbar mit den Gefühlen von Verfolgten während des Nationalsozialismus. Ein Unterschied zu dieser historischen Situation muss schon deutlich gemacht werden. Spannend ist aber der deutliche Aufruf zum toleranten und respektvollen Umgang mit allen Menschen als Grundlage für Demokratie, die sich mit einer hierarchischen Rang- und Hackordnung nicht verträgt.
Unantastbare Würde
Auf dem Coverbild ist es zu lesen, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Dass diese Gruppe von Schülerinnen und Schülern es geschafft, ihr eigenes Verständnis dieses Spruches zusammenzufassen und zu veröffentlichen ist beispielhaft, und vielleicht für andere Schüler und Pädagoginnen auch inspirierend. Musik, Literatur und das gesprochene Wort können der Entwicklung des demokratischen Bewusstseins dienen. Dafür ist ,,Vielfalt macht Schule“ ist der Beweis. Die CD kann in Schulen, Jugendverbänden und kirchlichen Organisationen vorgestellt und zur Verfügung gestellt werden.
Von Janelle Dumalaon
Foto: Schülerdemonstration zum Bildungsstreik in Verden 2009, vom dheuer via Flickr, cc