Von Jan Schwab
Die Wewelsburg bei Büren sollte im Dritten Reich zu einem ideologischen und repräsentativen Zentrum der SS ausgebaut werden. Der Kultstatus dieses Ortes hat sich bis heute erhalten: jedes Jahr pilgern mehrere hundert Neonazis zum Kreismuseum Wewelsburg, wo sie bis vor kurzem ihre rechtsextreme Gesinnung ungehindert zur Schau stellen konnten. Bis die Museumsleitung die Hausordnung änderte. Jetzt müssen die Rechten draußen bleiben.
Hoch über dem Almetal auf einem Bergsporn erhebt sich eine imposante Burganlage aus dem frühen 17. Jahrhundert, erbaut als Schloss im Stil der Weserrenaissance als Nebenresidenz der Paderborner Fürstbischöfe. Neben einer Jugendherberge befindet sich hier das Historische Museum des Hochstifts Paderborn, in dem Besucher die Geschichte des Paderborner Landes nachvollziehen können. Eine Burg am Rande des idyllischen Weserberglandes. Eine Touristenattraktion wie jede andere auch, möchte man meinen – wären da nicht der SS-Obergruppenführersaal, die SS-Totenehrenhalle sowie das ehemalige Konzentrationslager Niederhagen.
Die Wewelsburg bei Büren
Regelmäßig suchten in den letzten Jahren Sympathisanten rechtsextremer und okkulter Kreise die Wewelsburg bei Büren im Kreis Paderborn auf, um das Symbol ihrer Ersatzreligion zu bestaunen: die "Schwarze Sonne". Trotz gegenteiliger Behauptungen aus der rechten Szene ist die "Schwarze Sonne" kein germanisches oder heidnisches Symbol, sondern ein Kunstprodukt der SS. Ein Kunstprodukt, das zum Selbstläufer wurde. Es kann als zwölfarmiges Hakenkreuz oder als ein Rad aus zwölf Sig-Runen gedeutet werden und erfreut sich daher in weiten Teilen der extremen Rechten großer Beliebtheit. Als Heinrich Himmler die Wewelsburg 1934 zur Kultstätte auserkor und zum ideologischen Zentrum der SS ausbauen ließ, wurde die "Schwarze Sonne" als Bodenmosaik im Obergruppenführersaal verewigt.
Ein "heiliger Ort" für die rechte Szene
Die Faszination hält bis heute an: rund 600 Neonazis kamen jedes Jahr zur Burg, die aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung zu einer Pilgerstätte für Rechtsextreme wurde. "Für Neonazis ist die Wewelsburg wie ein heiliger Ort", sagt Sabine Kritter, wissenschaftliche Volontärin im Kreismuseum Wewelsburg. Sie ist mit dafür verantwortlich, dass Rechtsextreme den Ort heute nicht mehr für sich vereinnahmen können. Neonazi-Besucher in der Dokumentation "Wewelsburg 1933 bis 1945" – das war nie im Sinne der Ausstellungsbetreiber. Diese paradoxe Situation wollte man nicht länger hinnehmen.
Schon lange hatte es Diskussionen darüber gegeben, wie man die ungebetenen Gäste aus dem Museum fernhalten könnte. Bereits vor zehn Jahren wurden die beiden ehemaligen SS-Räume verschlossen und sind seither nur im Rahmen von Führungen zugänglich. Was die Rechten offensichtlich kaum beeindruckte: sie kamen trotzdem und warfen ehrfürchtige Blicke durch die Gittertür.
Neue Hausordnung als sichtbares Zeichen gegen Rechts
Als klar wurde, dass man das Problem auch mit pädagogischen Maßnahmen nicht in den Griff bekommen würde, kam schließlich die Idee auf, die Hausordnung zu ändern: "Wir mussten einfach handeln, denn unsere Dokumentation über die Wewelsburg als Kult- und Terrorstätte der SS ist zur Mahnung für die Lebenden und zum ehrenden Gedenken an die Opfer des nahe gelegenen Konzentrationslagers eingerichtet worden", erläutert Sabine Kritter die Entscheidung. "Mit der Änderung der Hausordnung geht es uns auch darum, ein für alle sichtbares Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen und den Neonazis zu zeigen, dass wir ihre Positionen nicht tolerieren". Viele Besucher fühlten sich von den Neonazis eingeschüchtert und abgeschreckt. Vor allem sei es KZ-Überlebenden und deren Angehörigen nicht zuzumuten, dass sie an diesem Ort mit Leuten konfrontiert werden, die sich ganz unverhohlen positiv auf den Nationalsozialismus beziehen.
Unweit der Wewelsburg hatten die Nazis das Konzentrationslager Niederhagen für die Durchführung der Aus- und Umbauarbeiten an der Burg errichten lassen. Über 1200 Menschen fielen dort den grausamen Arbeitsbedingungen und den Misshandlungen durch die SS zum Opfer.
Rote Karte für Neonazi-Besucher
Seit einigen Wochen erst ist die geänderte Hausordnung in Kraft, und sie zeigt bereits Wirkung: zwei rechtsextreme Gruppen aus Wismar und Stuttgart wurden nach Hause geschickt. Die Hausordnung wurde um mehrere Punkte erweitert. Nicht nur das Tragen rechtsextremer und verfassungswidriger Kennzeichen, sondern auch "rechtsextreme, rassistische, antisemitische und sexistische Äußerungen in Wort, Schrift oder Gesten" sind im Museum untersagt. Zudem können die SS-Räume nur "nach Abstimmung mit der Museumsleitung besichtigt werden". Stellt sich im Gespräch mit Besuchern heraus, dass diese der rechtsextremen Szene angehören, so können sie umgehend des Museums verwiesen werden. Auch, wenn sie kein T-Shirt mit eindeutig rechtsextremer Symbolik tragen.
"Die Verantwortung bleibt" - Schüleraktion zum
Gedenken an die Opfer des KZ Niederhagen
Sabine Kritter räumt ein, dass restriktive Maßnahmen zwar effektiv, aber kein Allheilmittel sind: "Wir versuchen, die Besucher stärker für das Problem des Rechtsextremismus zu sensibilisieren, indem wir entsprechende Tagesseminare anbieten". Außerdem wird in einer für das Jahr 2008 geplanten neuen Dauerausstellung auch die rechtsextreme Rezeption der Wewelsburg thematisiert.
Die junge Generation klärt auf
Bedenkt man, dass sich die Wewelsburg erst seit Anfang der achtziger Jahre ihrer NS-Geschichte stellt, so kann der heutige Stand der Dinge schon als äußerst fortschrittlich gewertet werden. In den Nachkriegsjahrzehnten fand im Ort eine regelrechte Geschichtsverdrängung statt, das SS-Zentrum und das Konzentrationslager waren in der Bevölkerung ein Tabuthema. Manche leugneten sogar die Existenz des Lagers, und die Überbauung des Geländes in den fünfziger und sechziger Jahren tat ihr Übriges.
Dass die Gräueltaten der SS nicht völlig in Vergessenheit geraten sind, ist in erster Linie der neuen Generation zu verdanken: Jugendliche aus Wewelsburg setzten sich dafür ein, dass auf dem ehemaligen Appellplatz des Konzentrationslagers ein Denkmal errichtet wurde. Das erste erkennbare Zeichen, dass es dort ein Lager gegeben hat. Inzwischen hat sich die Wahrnehmung unter der Bevölkerung gewandelt. Man hat akzeptiert, dass es auch hier im schönen Paderborner Land eine Zeit gab, in der Mörder das Sagen hatten.
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www.mut-gegen-rechte-gewalt.de - 13.07.2006