“Nicht weiter tatenlos zusehen, sondern handeln“, sagten sich im Jahr 2001 die Mitglieder des Projektes "Brot und Salz" des Kulturkreises Hohen Neuendorf, um Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz in Hohen Neuendorf etwas entgegenzusetzen.
Schließlich hatte die Gründung des Vereins im Jahr 1993 auch den Grund, Verständigung und Gedankenaustausch anzukurbeln. Warum also nicht mit einer guten Mischung von Literatur, Bildender Kunst, Publizistik, Satire und Musik humanistische Nahrung und Stärkung gegen die Dumpfheit der ewig Gestrigen setzen?
Mit Kultur demokratiefördernd wirken
2001 startete ein Projekt, das vom Bundesprogramm "CIVITAS - Initiativ gegen Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern" gefördert wird: „Brot & Salz“. Sein Ziel: Generationen übergreifend ein wichtiges Problem – den erstarkenden Rechtsextremismus – in unserer Gesellschaft offen anzusprechen und Erlebnisse zu schaffen, die Zivilcourage in der Kommune gegen dieses Phänomen aufzubauen, dass das Alltagsleben immer stärker beeinflusste. Denn der Grund zum Engagement lag in Hohen-Neuendorf selbst und nicht, wie oft gern behauptet, hinter den Ortsgrenzen „auf den Straßen“.
Die mit den Neonazis sympathisierenden Jugendlichen wurden immer mehr, es gab antisemitische Schmierereien, pöbelnde rechtsradikale Cliquen, ausländerfeindliche Aktionen. Parallel entwickelte sich eine Atmosphäre von Neid und Missgunst, voller Vorurteile gegenüber Minderheiten. Angst verleitete zum Wegschauen und Wegducken. Es musste gehandelt werden.
Keine grenzenlose Begeisterung
Es galt, das Gemeinschaftsgefühl unter Gleichgesinnten zu stärken. Was lag näher, als Verbündete in anderen Vereinen, in den demokratischen Parteien, im Rathaus, in den Kirchen, in den Schulen zu suchen? Das erwies sich als schwierig, rieten doch viele, lieber keine schlafenden Hunde zu wecken. Doch einige Wenige begannen ...
Die Zukunft gestalten
Mehr und mehr gelang es durch Unterstützung von CIVITAS mitreißende Veranstaltungen zu organisieren: interkulturelle Begegnungen, Zeitzeugenberichte, Wettbewerbe, Filmtage, Gespräche zum Einmischen und Workshops an den Schulen. So begann sich der Kreis derjenigen zu erweitern, die sich mit „Brot & Salz“ um eine andere Alltagskultur bemühten. Das Jugendzentrum, der neu gegründete Stadtverein, die Kindervereinigung u. a. m. wurden wertvolle Partner vor Ort. Sympathie zeigte sich deutlich bei der Durchführung einer Fragebogenaktion. Unter dem Titel „Gegen die Angst, allein da zu stehen“ wurde zum Verhältnis gegenüber Gewalt und Diskriminierung befragt. Für die Antworten sollten vielerorts Briefkästen aufgestellt werden. Geschäftsleute ließen sich überzeugen, in ihren Räumen Briefkästen aufzustellen und engagierten sich gegenüber ihren Kunden für das Anliegen der Aktion. Das Rathaus schloss sich an, wollte aber nicht für die Unversehrtheit des Kastens garantieren.
2001 begann die Mitarbeit des Kulturkreises im Forum gegen Rassismus und rechte Gewalt Oranienburg. Im selben Jahr wurde auch die „Zukunftswerkstatt Hohen Neuendorf" gegründet. Diese Bürgerinitiative lebt durch das Mitwirken des Kulturkreises, des Stadtvereins, des Seniorenclubs, der Ortsgruppe der PDS, von Bündnis 90/Die Grünen, dem Jugendklub sowie Lehrern, einem Pfarrer in Rente sowie Einzelpersönlichkeiten, die sich zusammenfinden, um Erfahrungen und Beobachtungen auszutauschen, Vorhaben des Projektes „Brot & Salz“ zu unterstützen und neue Ideen in der Auseinandersetzung mit Intoleranz und für breite Beteiligung zu kreieren.
Offen angesprochen
Auswirkungen haben diese Mühen zweifellos nicht direkt auf den Rechtsextremismus der Region, wohl aber auf das Selbstverständnis der Kommune und auf die öffentliche Debatte. Nachdem es zu Hakenkreuzschmierereien an einem polnischen Ehrenmal im Ort kam, unterschrieben in wenigen Tagen mehr als 600 Anwohner eine Erklärung, um gegen diese rechtsradikale Propaganda nicht anonym, sondern mit ihrem Namen zu protestieren.
Für coole Jugendliche
Besonderes Augenmerk wird von "Brot & Salz" auf die Zusammenarbeit mit Jugendlichen gelegt. So werden nicht nur gemeinsam mit dem Klubrat Wasserwerk-Begegnungen vorbereitet (2001 lautete der Titel „Cool sein - fair bleiben", 2002 „Colorissimo" und 2003 „Mut (!) statt Wut im Bauch"), sondern auch Filmtage unter dem Motto „Blickwechsel“ für Schüler, Eltern und Großeltern und eine Musical AG angeboten.
Ich bau mir ein Schloss: Das Traumschloss der Hohen Neuendorfer Jugendlichen entstand zu den Wasserwerk-Begegnungen "Mut (!) statt Wut im Bauch" im Juni 2003
Gerade arbeitet der Kulturkreis Hohen Neuendorf gemeinsam mit der Regionalen Arbeitsstelle für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule (RAA) daran, die Aktion „Schule ohne Rassismus" in der Kommune anzukurbeln. Erste zaghafte Überlegungen, diesen Wettbewerb aufzunehmen, gibt es schon.
Ein Generationen übergreifendes Geschichtsprojekt, in dem die Gesamtschule Hohen Neuendorf eingebunden ist, wird dem jüdischen Architekten Albert Gottheiner gewidmet sein - dem Mann, der Schule und Jugendzentrum Anfang des 20ten Jahrhunderts erbaute. 2004 soll die Spurensuche nach weiteren jüdischen MitbürgerInnen und ihren Schicksalen aufgenommen werden.