Als Reaktion auf die rechtsextreme Anschlagswelle in den 90ern wollte die Graphikerin Silvia Izi 1992 eine Ausstellung gegen Rassismus in Kooperation mit Schulen organisieren. Fünfzehn Jahre später läuft „Wer, wenn nicht wir? Schülerbilder gegen Gewalt und Rassismus“ immer noch – als bundesweites Ausstellungsprojekt.
Simone Rafael fragte nach Silvia Izi nach ihrem Erfolgsrezept.
Cindy Kalberg, Sekundarschule Willy-
Brandt, 6.Klasse, Dessau, 1993
Frau Izi, wie begann „Wer, wenn nicht wir?“
Das war nach der ersten rechtsextremen Anschlagswelle, 1991 mit Hoyerswerda und Hünxe, 1992 mit Rostock und Mölln. Ich wollte etwas tun, Menschen und besonders Kinder zum Nachdenken über Rassismus und Gewalt bringen. Ich bin Künstlerin, freie Graphikerin. Ich hatte schon zuvor mit Schulen zusammen gearbeitet. Also bin ich an die Schulen in Ludwigshafen, meiner Heimatstadt, herangetreten, ob wir nicht ein großes Ausstellungsprojekt zum Thema machen wollen. Die Idee kam gut an. 13 Schulen haben sich mit 350 Bildern beteiligt! Das hat mir Mut gemacht.
Matthias Schmidt, Walter-Gropius-
Gymnasium, 9. Klasse, Dessau, 1993
Wie ging es weiter?
Die Presse berichtete über die Aktion. Daraufhin haben sich weitere Schulen bei mir gemeldet, und die Ausstellung begann, durch die Lande zu touren. Inzwischen war die Ausstellung schon in allen Bundesländern außer in Schleswig-Holstein, Bremen, Hamburg und Bayern. Sie war auch schon als beispielhaft gute Initiative in Straßburg und auf Malta zu sehen.
Janine Lößler, Haus der Jugend "spektrum",
18 Jahre, Chemnitz, 1999
Wie funktioniert „Wer, wenn nicht wir“?
Schulen oder Kommunen oder Initiativen melden sich bei mir, wenn sie die Ausstellung in ihrem Ort zeigen wollen. Voraussetzung ist, dass eine oder mehrere Schulen der Region sich mit eigenen Bildern an der Ausstellung beteiligen. Denn ich möchte, dass sich die Kinder wie die Erwachsenen sich mit den Inhalten Rassismus und Gewalt auseinandersetzen – und nicht etwa nach einem Anschlag schnell eine Ausstellung in die Stadt holen und sich dann entspannt zurücklehnen.
Links: Tino Heyder, Geschwister-Scholl-Gymnasium,
Bad Berka, 1995; rechts: Danny Uhlmann, Förderschule,
8.Klasse, Olbernhau, 2000
Wie sieht die Beteiligung aus?
An den Schulen werden – oft im Rahmen von Projektwochen zum Thema – Kinder animiert, sich künstlerisch mit Rassismus und Gewalt auseinander zu setzen. Die bisher bereits entstandenen Werke können als Anregung dienen. Für die Lehrer wird es leichter, im Rahmen einer konkreten Aktion inhaltliche Standpunkte zu vermitteln. Gezeigt werden dann die vor Ort entstandenen Bilder im Kontext der besten Werke, die bisher im Rahmen von „Wer, wenn nicht wir“ entstanden sind. Das ist spannend für die Schüler, die sich einerseits vergleichen können, aber vor allem die eigenen Bilder innerhalb der anderen Werke aus ganz Deutschland sehen und damit eine große Solidarität erfahren.
Alexander Klamroth, Königin-Luise-
Gymnasium, 7. Klasse, Erfurt, 1995
Was sind denn „die besten Werke“?
Oh, es ist schon auch eine Kunstausstellung, also zählen Idee und künstlerische Umsetzung. Toll sind ausdrucksstarke Bilder, die das visuell umsetzen, was vielen im Kopf herumschwirrt, ohne dass sie es ausdrücken können. Die Bilder sollen verständlich sein und unter die Haut gehen. Pro Schule sind das etwa ein bis drei Bilder, die diese Qualität haben. Das ist das Gute an der enormen Beteiligung an „Wer, wenn nicht wir“ – eine Schule allein könnte nicht so viele interessante Bilder zusammenbringen. Und das ist wichtig für die Wirkung der Ausstellung.
Frank Ullmann, Sekundarschule Moses-
Mendelssohn, 9.Klasse, Dessau, 1993
Wie wirkt „Wer, wenn nicht wir“ denn?
Ganz unterschiedlich auf verschiedenen Ebenen! Die thematische Auseinandersetzung etwa passiert nicht nur in den Schulen, sondern wird optimalerweise in die Gesellschaft getragen. Etwa, in dem das Rathaus die Bilder ausstellt. Oder, was ich fast noch besser finde, wenn es ein großes Industrieunternehmen vor Ort gibt, beim dem auch viele Eltern der Kinder arbeiten und das eigene Ausstellungsräume hat – die Hessische Elektrizitäts-AG hat zum Beispiel unsere Ausstellung in Heppenheim und im Odenwaldkreis gezeigt, oder das Renaissance-Hotel zeigte sie in Chemnitz. In Bocholt hat das Stadtmarketing organisiert, dass jedes Geschäft im Stadtzentrum Bilder zeigte! Dann kommt die Presse und berichtet, und das ist für die Schülerinnen und Schüler, aber auch für die Lehrenden und die Schulen ein große Bestätigung und Motivation, weiter zu dem Thema zu arbeiten. Zugleich kommt damit das Thema rassistische Gewalt auch wieder einmal in die Medien, was meiner Meinung nach viel zu selten der Fall ist. Und dann wirkt „Wer, wenn nicht wir“ natürlich auch auf der künstlerischen Ebene: Kunst ist ein völlig anderes Ausdrucksmittel als die Sprache – und kann helfen, dass auch die ihre Meinung sagen können, die sonst eher still sind. Manchmal ist die Ausstellung auch eine methodische Anregung für Lehrer, die plötzlich feststellen: Oh, da wird in einer 3. Klasse schon mit Wasserfarben gearbeitet statt nur mit Buntstiften, und die Ergebnisse sind toll!
Elisabeth Päßler, Goethe-Gymnasium,
8.Klasse, Sebnitz, 2001Beteiligen sich alle Schulformen an der Ausstellung?
Ja, und das ist noch ein Effekt, der mich immer wieder begeistert: Bei Bildern gibt es keinen Unterschied. Die eindrucksvollen, starken Werke sind in der Sonderschule genauso entstanden wie im Gymnasium. In der Ausstellung hängen sie alle zusammen.
Manuel Pilz, Fürst-Johann-Ludwig-Schule,
10.Klasse, Hadamar, 2001Welches Ziel verfolgen Sie mit „Wer, wenn nicht wir“?
Ich möchte Mut machen. Ich möchte einen Beitrag leisten, dass Vielfalt nicht nur akzeptiert, sondern auch begrüßt wird. Ich möchte auf das Thema aufmerksam machen, weil ich erreichen möchte, dass Menschen hinschauen und handeln und nicht so tun, als gäbe es Rassismus und Gewalt bei Ihnen nicht.
Initiatorin Silvia Izi mit Bundespräsident
Johannes Rau im November 2002 anläss-
lich der Austellungseröffnung in der
Landesvertetung Rheinland-Pfalz in BerlinSie kümmern sich jetzt seit fünfzehn Jahren um die Organisation von „Wer, wenn nicht wir“. Wie lang soll das noch weitergehen?
Eine lange Zeit, nicht wahr? Das hätte ich auch nie gedacht. Andererseits: Solange Menschen wegen ihrer Hautfarbe angegriffen werden, soll das Ausstellungsprojekt weiterlaufen. Die vier bis fünf Ausstellungen im Jahr zu organisieren ist zwar eine sehr ausfüllende Aufgabe und lässt mir weniger Zeit für meine Kunst. Aber wissen Sie: Ich finde die Ergebnisse besser und finde es wichtiger, dass sie gezeigt werde, als meine eigene Arbeit.
Caroline Müller, Rainer-Fetscher-Gymnasium,
10.Klasse, Pirna 2001
"Wer, wenn nicht wir?" erreichen:silvia.izi@werwenn.deMehr im Internet:
www.werwenn.de
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