Das Aktionsbündnis Courage Pößneck ist eine Gruppe von etwa 20 jungen Leuten, die Dampf machen, damit ihrer Heimatstadt Schlimmes erspart bleibt. Denn Rechtsextremisten haben sich mitten im Ort eine gigantische Immobilie gesichert.
Von Holger Kulick
"Was haben die sich einen Klotz am Bein eingebrockt!" staunt der Gast aus Berlin. Matthias Adrian ist Neonazi-Aussteiger in der Organisation EXIT, der das verlogene und teilweise kleinkriminelle Milieu im Umfeld der NPD so gut kennt wie kaum ein anderer und die Partei sehr anschaulich als eine verführerische braune Sekte beschreibt. Pößnecker Jugendliche, Lehrer und die örtliche Volkshochschule haben ihn zu einem Hintergrundgespräch eingeladen und nun sieht er zum ersten Mal, um was es hier geht. Denn im thüringischen Pößneck hat auf Schleichwegen der Hamburger Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger nicht nur ein Haus erworben, sondern eine Prunkimmobilie schlechthin, die nun zu einem Wallfahrtstempel für Rechtsextremisten zu werden droht.
360.000 Euro soll Rieger das Schnäppchen gekostet haben, das ausgerechnet zwischen Straße des Friedens und Geschwister-Scholl-Straße liegt. Es handelt sich um das einstige Schützenhaus und spätere Kulturhaus der Stadt, ein riesiger Gebäudekomplex mit Ballsaal um die Ecke vom Marktplatz gelegen, also mitten im Ort. Ende 2003 ersteigerte eine dubiose englische Stiftung den Gebäudekomplex, die Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fertilisation, Hintermann Jürgen Rieger.
Weil es in Pößnecks Kommunalverwaltung dereinst drüber und drunter ging - der Bürgermeister lag im Rechtsstreit mit seiner eigenen Stadt und wurde vorübergehend des Amtes enthoben - fehlte die Aufmerksamkeit, um zu erkennen, was hier geschah. Schon nach der Wende war der neoklassizistische Bau an Privatiers gegangen, die sich mit dem zum Schlösschen aufgemotzten Bau übernahmen. Da schien ein Weiterverkauf ganz normal. Wer der eigentliche Erwerber war, begriff die Pößnecker Öffentlichkeit so richtig erst nach Ostern 2005.
Unter dem Vorwand eines NPD-Parteitags fand in dem Gebäude eine Art Einweihungsparty mit brauner Landser-Musik statt - zu Gast waren mit einem Schlag 1800 junge Rechtsaußen. 70 Polizisten schauten dem Treiben machtlos zu. Seitdem herrschte zwar wieder Ruhe, bis Ende Mai eine zweite Hiobsbotschaft aus dem Schützenhaus Pößnecks Rathaus erreichte. Ausgerechnet die Betreiber einer lange Zeit im sächsischen Mücka ansässigen rechten Szene-Diskothek namens "Wodan" meldeten sich plötzlich als Pächter und boten Vereinen Räumlichkeiten an. Ein brauner Albtraum für die beschauliche "Stadt der ersten Thüringer Landesgartenschau". Denn mit dieser Diskothekenplanung verflüchtigten sich auch Wunschvorstellungen wie die von Interimsbürgermeister Michael Modde, Jürgen Rieger könne das Anwesen vielleicht bald schon wieder abstoßen wollen, weil er mit dem Gebäude nicht glücklich wird. Schließlich sei es doch für dessen Zwecke viel zu einsehbar gelegen.
Nun wird zweigleisig gefahren. Einerseits gilt die Parole, mittels Auflagen 'den Rechten Druck zu machen', wie es im Rathaus heißt, denn auch der seit Kurzem wieder auf seinen Amtsstuhl zurückgekehrte CDU-Bürgermeister Michael Roolant ist "alles andere als glücklich über die in Pößneck entstandene Situation". Zur Beunruhigung trägt auch die Lage des Gebäudes bei – direkt neben einer Grundschule und in Sichtweite das örtliche Gymnasium. Schon bald soll ein Präventionsrat ins Leben gerufen werden. Zudem wird bundesweit Rat eingeholt, sei es in Ministerien, beim Verfassungschutz, auf Fachtagungen von Experten genauso, wie bei Kulturveranstaltern wie "Laut gegen Nazis" oder in Gemeinden, die mit Rieger-Immobilien ähnliche Probleme haben, zum Beispiel das niedersächsische Doerverden. Dort erwarb die „Tietjen-Stiftung“ im Juni 2004 ebenfalls ein großes Gehöft, den Heisenhof, der schnell zum Neonazitreffpunkt wurde. Per Auflagen verbot die dortige Stadtverwaltung inzwischen das Wohnen in dem Gebäude und alle paar Wochen marschieren bis zu 2000 Bürger aus der Umgebung im Rahmen von Sonntagsspaziergängen am Zaun des Hofs auf, um den Nazis deutlich zu machen: haut ab.
Soweit reicht die Sensibilisierung in Poeßneck allerdings noch nicht. Sichtbar fielen in der 14.000-Seelen-Gemeinde bislang nur 20 bis 30 einheimische Neonazis auf, berichten Einwohner, die hätten zwar durchaus als dumpfe Glatzen andersdenkende Jugendliche eingeschüchtert oder verprügelt oder seien gelegentlich mit Transparenten auf dem Marktplatz aufmarschiert. So richtig habe sich aber niemand darum geschert. Irgendwie war das Normalzustand und wurde als Pubertätsphase verniedlicht. Auch jetzt hält sich die Aufregung in der Bürgerschaft noch in Grenzen. Es gebe reichlich "Nostalgiker" im Ort, denen rechtes Stammtischdenken kaum auszutreiben sei, wird berichtet, zumal die Gegend sozial besonders gebeutelt ist. Nach der Wende kaufte eine bayerische Kugellagerfirma den größten Arbeitgeber in der Region von der Treuhand auf – um den potenziellen Konkurrenzbetrieb anschließend gleich still zu legen. Inzwischen droht dem ganzen Landstrich eine katastrophale Überalterung, denn mangels Lebensperspektiven ziehen die meisten jungen Leute weg.
Ein Gruppe junger Leute hat sich jetzt allerdings entschlossen deutlich kontra zu zeigen – „kreativ und gewaltfrei“, das, so sagen sie, sei dabei ihr wichtigstes Prinzip. Auch wenn die Zukunft Pößnecks nicht sonderlich rosig sei, eine Nazizukunft für ihre Heimatstadt wollen sie nicht. Aktionsbündnis Courage haben sie ihre Initiative getauft, kurz ABC und ihrer Gründungserklärung einen Denkanstoß des ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau voran gestellt: „Wir können nicht genug davon haben an Bürgersinn und Zivilcourage, damit Gewalt und Vorurteile nicht im Schatten von Gleichgültigkeit und in dem Gefühl wachsen können: Das geht mich nichts an … Wir brauchen eine neue Bürgerbewegung für ein friedliches Miteinander in unserem Land.“
Die jungen Leute, Schüler, Studenten und Auszubildene, formulieren ihren Ansatz so:
“Die ersten Gründungsmotive liegen im gewaltlosen Widerstand gegen Rechtsextremismus. Weiterhin stellt die weitreichende, verharmlosende Einstellung vieler Pößnecker Bürger gegenüber rechtsextremen Tendenzen sowie deren Informationslosigkeit ein Gründungsmotiv dar.“ Weiter postulieren die Gruppe: „Das Aktionsbündnis Courage möchte sich hauptsächlich mit der Jugendarbeit, der gesellschaftspolitischen Aufklärung und dem gewaltlosen Widerstand gegen den Rechtsextremismus, im direkten Handlungsbereich Pößneck, auseinandersetzen."
Auf zwei Punkte wollen die 'ABC'-Mitglieder ein besonderes Augenmerk richten, betonen sie in ihrem Gründungsaufruf:
- Couragiertes und tolerantes Verhalten insbesondere der Jugend fördern,
- Gewaltübergriffe durch Rechtsextreme sichtbar und öffentlich machen.
Regelmäßig sollen Vorträge und Infoveranstaltungen zu den Themen: Faschismus, Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus organisiert werden, außerdem Workshops und Ausflüge. Kreativ sollen gewaltloser Widerstandsformen entwickelt und Konflikt- und Aggressionsabbau geschult werden. Durch den Einsatz von Literatur, Musik, Kunst und Film soll abwechslungsreich Aufmerksamkeit erzeugt werden, das Motto: „Feste und Texte“.
Eröffnung bis Anfang September?
Auf diese Weise will sich das ABC in regelmäßigen Intervallen ins Stadtgeschehen einmischen, um die Jugendarbeit in der Stadt voranzutreiben. Natürlich soll im „Notfall“ schneller mit Gegenaktionen reagiert werden, ein solch fassungsloser Zustand, wie bei der Erst-Einweihung des Schützenhauses am 2. April soll sich nicht mehr wiederholen. Spätestens am 1. September wird mit der eigentlichen Öffnung des Hauses für braunen Publikumsverkehr gerechnet - als Gaststätte mit Versammlungssaal und Veranstaltungsstätte.
Einen maßgeblichen Anteil, dass es auch Rückendeckung für die jungen Leute vom Aktionsbündnis Zivilcourage gibt und sich (endlich) darum gekümmert wird, was man bislang aus Unachtsamkeit schleifen ließ, hat der SPD-Landrat des zuständigen Saale-Orla-Kreises, Frank Roßner, der noch früher als andere erkannte, welcher politische Flurschaden der Region durch ein „rechtes Propagandazentrum“ droht. Er stellte nicht nur eigens einen Mitarbeiter ab, der nun intensiv Kontakte zu Bildungsträgern genauso wie zu Initiativprojekten gegen Rechtsextremismus pflegt, sondern nimmt auch selbst an zahlreichen Beratungen teil, sei es mit Vertretern der Amadeu Antonio Stiftung genauso wie am Gespräch mit Neonaziaussteiger Matthias Adrian von EXIT. Nun soll daraus gemeinsam mit der Friedrich Ebert Stiftung eine öffentliche Veranstaltungsreihe wachsen und ein gemeinsames Projekt mit dem Berliner Zentrum Demokratische Kultur (ZDK). Auch die Amadeu Antonio Stiftung berät mit vor Ort.
Neonazi-Aussteiger Adrian hat freilich schnell erkannt, worauf es besonders in Pößneck ebenfalls ankommt: nicht nur die Jugendlichen, sondern auch die mehrheitliche ältere Bürgerschaft des Ortes wachzurütteln und aufzuklären, was hier auf sie zukommt. Dazu gehört vor allem Wissenserweiterung. Die Leute vom ABC versuchen solche Nachhilfe schon. Als erstes Flugblatt druckten sie auf eigenen Kosten Informationsblätter über Jürgen Rieger, dessen Rolle im Ort kaum jemand einzuschätzen weiß. Nun ist schwarz auf rot nachlesbar, was Rieger für eine tiefbraune Vergangenheit hat, seitdem er 1968 rechtsextremistischen Gruppierungen wie dem Bund heimattreuer Jugend, der Wiking-Jugend und NPD beitrat oder unter dem Pseudonym Jürgen Riehl schon 1969 ein Buch mit dem Titel "Rasse – Ein Problem auch für uns“ herausgab.
Jemand, der jährlich Rudolf Heß Gedenkmärsche anmeldet, kann uns gestohlen bleiben, argumentieren die Leute vom ABC, die nun gemeinsam mit einem örtlichen Träger für Jugendarbeit eins der vielen leer stehenden Gebäude am Marktplatz von Pößneck zum Selbstausbau herrichten wollen, dem Blitz e.V. Das zukünftige Quartier liegt nicht weit entfernt vom Schützenhaus. Jugendarbeit war durch die Schließung anderer Räume im Ort „längst auf dem Nullpunkt angelangt“ kritisieren sie, sogar die Kirche machte ihren Jugendtreff dicht. Von nun an soll sich das grundlegend ändern. Extra für Pößneck wurde Anfang Juli mit CIVITAS-Mitteln eine zusätzliche Kontaktstelle für Demokratie und Zivilcourage geschaffen. Sie soll die Bestrebungen gegen Rechtsextremismus bündeln. Koordinator Frank Hofmann ist sicher, dass "die Leute in Pößneck zu schlau sind, um den dumpfen Parolen der Rechten auf den Leim zu gehen". Die ABC-Leute sollen dabei als Motor dienen.
Spät, aber nicht zu spät heißt von nun an die Parole: "PLATZ FÜR JUGENDLICHE = PERSPEKTIVE" - eine Perspektive, die bitternötig ist. Denn längst stellen die ABC-Macher einen "optischen" Anstieg rechter Strukturen in der Stadt fest. „Man sieht auffällig mehr Rechtsextreme, auch Personen, die man vorher nie gesehen hat“, berichtet Sebastian Klauder, der Pressesprecher vom ABC. Warum er sich dort mit anderen Jugendlichen engagiert? „Weil es kein anderer macht". Aber schon würden es immer mehr, denen das Anliegen und die schlichte Devise der ABC-Urgründer imponiert. Dieses Motto heißt schlicht: „Selbstverstand ist Ehrenamt“.
"Wir sehen nicht weg" - Tour 2005
Im September ist in Pößneck eine Aktionswoche gegen Rechtsextremiasmus geplant. Zum Auftakt der Arbeit fand am 4. Juli 2005 eine vom ABC organisierte Kultur-Veranstaltung auf dem Pößnecker Marktplatz statt, mit zwei Liedermachern und einem lokalen Autor. Dazu hieß es in einem Aufruf: "Wir möchten mit dem Mittel der Kunst demokratische Räume öffnen, und zeigen wie unsere Gesellschaft funktionieren kann. Wir möchten mit unserer "Wir sehen nicht weg" - Tour 2005 die Mobilisierung der Gesellschaft für Toleranz, Solidarität und Internationalität erreichen.
Wir stehen ein für ein menschliches, weltoffenes und tolerantes Deutschland, für das friedliche Zusammenleben aller Menschen in diesem Land, ungeachtet ihrer Weltanschauung, Religion, Kultur oder Hautfarbe.
Wir verurteilen Hass, Gewalt, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit. Wir dulden keinen Antisemitismus, keine Schändung von Friedhöfen, religiösen und kulturellen Einrichtungen, keine feigen Übergriffe auf Menschen in unserem Land."
Und so ging es weiter...
Nach rund einem Jahr mühseligen Anlaufnehmens hat das Pößnecker "Aktionsbündnis Courage" und das Bildungswerk BLITZ e.V. eine verdiente Anerkennung gefunden. Der örtliche Sparkassendirektor spendierte den Jugendlichen Räume in seiner neuen Zentrale mitten in der Stadt.
Am 7.Juli 2006 fand die feierliche Einweihung der Räume statt. Nun kann es losgehen. Das heißt weitergehen. Denn kaum eine Jugendinitiative hat sich so schnell so überzeugend gesellschaftliche Anerkennung in ihrer Heimatgemeinde erarbeitet wie das ABC-Pößneck. Bei vielen Initiativen holten die Jugendlichen seitdem Rat ein, auch von der Amadeu Antonio Stiftung, die das Projekt unterstützt.
Seitdem ist von den bis zu 30 Jugendlichen nicht nur unermüdlich Aufklärungsarbeit über das so genannte "Schützenhaus" in Pößneck betrieben worden, eine jener riesigen Immobilien, in denen der Hamburger Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger gerne ein überregonales rechtes Begegnungszentrum unterbringen will. Auch finden inzwischen regelmäßig Informationsveranstaltungen und Workshops der Jugendinitiative in Pößneck statt, um Schüler und Bürger über rechtsextremistische und antisemitische Strömungen aufzuklären.
Einen eigenen Treffpunkt aufzumachen, scheiterte aber stets an der Finanzierbarkeit von Räumlichkeiten und an der Zurückhaltung des bisherigen CDU-Bürgermeisters. Jetzt aber ziehen neuer FDP/FW-Bürgermeister und SPD-Landrat an einem Strang und haben der Jugendinitiative den Rücken gestärkt. Dieses Engagement sprach sich schnell bis in die Kreissparkasse der Stadt herum. Bei einer Diskussionsveranstaltung im Frühjahr mit Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse versprach dann überraschend der Vorstandsvorsitzende der örtlichen Sparkasse Saale-Orla, Helmut Schmidt, das Raumproblem zu lösen. Im neuen Sparkassengebäude mitten in Pößneck wären noch Räume frei. Die wurden nunmehr den Vertretern der Jugendinitiative übergeben - in Anwesenheit zahlreicher Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben.
Neben Landrat Frank Roßner (SPD) und Bürgermeister Michael Modde (FDP/FW), waren auch der Bundestagsabgeordnete des hiesigen Wahlkreises, Dr. Gerhard Botz (SPD) und die Beauftragte der Landesstelle für Gewaltprävention, Renate Salzmann, anwesend. Als weitere Gäste waren Herr Dietmar Hupel, Hauptamtsleiter der Stadtverwaltung Pößneck, der Bürgermeister der Stadt Ranis, Andreas Gliesing, die Landtagsabgeordnete Heidrun Sedlacik (PDS), der Mitarbeiter des Bundesprogramms CIVITAS, Norbert Poppe sowie Lehrer, Jugendarbeiter, Stadtratsmitglieder und interessierte Bürger und Büergerinnen zur feierlichen Eröffnung gekommen.
"Wo die Zivilcourage keine Heimat hat, reicht die Freiheit nicht weit“
Willy Brandt sagte einmal: „Wo die Zivilcourage keine Heimat hat, reicht die Freiheit nicht weit“, dieser Spruch erwartet den Besucher auf dem Eingangsschild zur SB-Halle der Sparkasse, wo sich auch der Eingang zum Kontaktbüro befindet. „Das Schild mit den Öffnungszeiten ist dem unseren gleichwertig“, so Helmut Schmidt bei seiner Rede zu den Eröffnungsfeierlichkeiten. „Ich kann nur wiederholen, Rechtsextreme sind bei uns als Kunden unerwünscht und auch wir als Sparkasse übernehmen eine gesellschaftliche Verantwortung“. Deswegen sei es der Sparkasse eine Herzensangelegenheit, Initiativen wie das ABC und Blitz e.V. zu unterstützen.
Die Mitarbeiter des Bündnisses stellten noch einmal klar, dass das gesamtgesellschaftliche Problem des Rechtsextremismus nur mit einer Strategie für mehr demokratische Kultur gelöst werden kann. Vor allem die Bildung des örtlichen Präventionsrates wurde dabei als wichtigste Vorraussetzung für ein effektives kommunales Netzwerk gegen antidemokratische Tendenzen herausgestellt. Nicht überstürztes und gewalttätiges Handeln sei gefragt, wenn heutige Nazis öffentlich in Erscheinung treten. Vielmehr sei es wichtig, die Bevölkerung zu sensibilisieren und ein langfristiges, angebotsreiches Programm für Zivilcourage und Antifaschismus zu entwerfen.
Die neuen Räumlichkeiten böten eine hervorragende Ausgangssituation für die zukünftige Arbeit der mittlerweile einjährig bestehenden Initiative ABC. Schließlich befindet sich nun ein Ort der Information und Aufklärung im Kern der Kleinstadt.
Es blieb übrigens nicht nur bei einem Raumangebot der Sparkasse. Helmut Schmidt überreichte außerdem jeweils 1000 EURO für das Bildungswerk BLITZ und das Aktionsbündnis Courage. „Das Geld wird natürlich in künftige Projekte und die Ausweitung des Engagements fließen“, erläutert Frank Hoffmann von der Kontaktstelle für Demokratie und Zivilcourage (CIVITAS, Blitz e.V.), die ebenfalls im neuen Büro sitzt.
Der Pößnecker Bürgermeister Michael Modde überreichte einen Drachenbaum und ermunterte die jungen Leute der Initiative auch weiterhin kritisch zu agieren. „Es ist schön zu sehen, wie sich diese Initiative von wenigen jungen Menschen unserer Stadt entwickelt hat und auch nachhaltige Arbeit leistet“, sagte er. Modde stellte noch einmal fest, dass die Stadt den Mitarbeitern des ABCs viel zu verdanken hat, denn schließlich gibt es nun auch ein anderes Bild von Pößneck, das vielerorts nur als brauner Ort bekannt geworden sei.
"Die Wege der Kommunikation zwischen uns sind kurz“, sagte Landrat Frank Roßner, „das ist gut so und muss auch so bleiben“, meinte er im Hinblick auf die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen dem Aktionsbündnis und dem Landkreis Saale-Orla. Denn schließlich zeigte das Landratsamt viel Mut und Vertrauen, als man vor einem Jahr das ABC mit einer Förderung unterstütze.
Allmählicher Klimawandel in Pößneck
Bei einem Rundgang durch die neuen Arbeitsräume konnte man auch zahlreiche Informationsmaterialen begutachten. Die Mitglieder des ABC standen den Gästen für Nachfragen zur Verfügung und konnten bei den interessierten Bürgern für mehr Zivilcourage werben. „Für die Zukunft wünschen wir uns, dass noch mehr Leute für sich persönlich entdecken, wie bereichernd die ehrenamtliche Arbeit für Demokratie und Zivilcourage sein kann“, wünschten sich die Mitglieder der Jugendinitiative.
Das Engagement des Bündnisses trägt inzwischen Früchte. Die Zahl der Übergriffe ging spürbar zurück, auch wenn nach wie vor viele Anhänger der Neonaziszene in der Stadt unterwegs sind. Aus dem Schützenhaus direkt ist nichts zu hören. und Neonazis spüren eine wachsende Sensibilität der Einwohner der Stadt. So berichtete kürzlich ein Bürger dem Bündnis ABC: "Direkt vor der Sparkasse ist ein Cafe, in dem man auch draußen sitzen kann. Als ich neulich dort entlang kam, saß dort ein junger Mann, lange dunkle Locken. Auf seinem schwarzen T-Shirt war in weiß das Keltenkreuz mit einem Odin Schriftzug darüber abgebildet. Ich hab die Polizei angerufen und die haben sich zehn Minuten später zu ihm an den Tisch gesetzt :-) Dann hat er sein Shirt ausgezogen und verkehrt rum wieder angezogen. So ist er auch tatsächlich sitzengeblieben, auch als die Polizei längst weg war. Hab mich gefreut und Fotos gemacht".