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Was ist Politikerinnen und Politikern wichtig im Jahr 2011? Was planen, hoffen und wünschen sie? Wie sieht es zum Beispiel in Thüringen aus? Was macht das Landesprogramm? Das fragte Mut gegen rechte Gewalt Madeleine Henfling, Landessprecherin der Grünen in Thüringen.
Vor etwas mehr als einem Jahr schien es für Thüringen in Bezug auf den Kampf gegen Rechtsextremismus und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit einen Lichtblick zu geben. Im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU war auch ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus vorgesehen, welches auf einem Beschluss des Thüringer Landtags vom 29. September 2009 fußen sollte. Dieser Beschluss „Erklärung für ein demokratisches, tolerantes, weltoffenes Thüringen“ ließ zwar hier und da die Extremismusdebatte durchschauen, war aber angesichts der Tatsache, dass alle fünf Fraktionen im Landtag diesem zustimmten, ein großer Erfolg.
Intrasparent und unbefriedigend
Wirklich wichtig war auch für uns, dass der Beschluss nochmal das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern in den Vordergrund rückte, ihnen und den vielen Initiativen gegen Rechtsextremismus dankte und sie ermutigte, weiter zu machen. Somit waren die Anforderungen an ein Landesprogramm und dessen Entstehungsprozess hoch. Von Seiten der Bürgerbündnisse, die sich in Thüringen gut vernetzt hatten, war das Angebot der Mitarbeit schnell gemacht. Doch die Bürgerbündnisse wurden enttäuscht, zwar konnten sie sich an den Verhandlungstisch kämpfen wirklich zu sagen hatten sie dort aber nichts. Überhaupt gestaltete sich der gesamte Prozess der Entwicklung des Landesprogrammes als völlig intransparent und für die Mehrheit der Bürgerbündnisse als absolut unbefriedigend. Am Tisch fehlten wichtige Akteure aus Wissenschaft und Praxis.
Keine zivilgesellschaftliche Einbindung
Und schnell war klar das die Extremismusdebatte in den Vordergrund gerückt war. Anfang 2010 hieß es dann von Seiten des Sozialministeriums, man wolle gegen jede Formen des Extremismus vorgehen. Die Zivilgesellschaft war durch geplante Regionalkonferenzen immer noch nicht eingebunden, die Regionalkonferenzen wurden schließlich sogar abgesagt. Nach langem Hin und Her traten einige Bürgerbündnisse im Herbst 2010 aus dem Erarbeitungsprozess aus. Erst im November diesen Jahres fanden dann Regionalkonferenzen statt, nachdem das Landesprogramm weitestgehend erarbeitet war. Nun wurde in dieser Woche das Landesprogramm ohne weitere Änderungen durch das Kabinett verabschiedet. Das es noch mal durch den Landtag geht, halte ich für unwahrscheinlich.
Unklarheiten, Allgemeinposten und fachliche Fehler
Ein Landesprogramm sollte das demokratische Bewusstsein durch Selbstwirksamkeitserfahrungen stärken, stattdessen betreibt das vorliegende Landesprogramm eine Verstaatlichung der Zivilgesellschaft die bis in die Kommunen hineinwirkt! Solch ein Landesprogramm sollte dafür sorgen, dass die eigene Zuständigkeit der Bürgerinnen und Bürger zu nimmt, damit die Distanz zu „den Entscheidungen da oben“ abnimmt. Stattdessen strotzt es vor Unklarheiten, Allgemeinposten und fachlichen Fehlern. Und es fehlt ihm vor allem eins, Mut.
Was für eine Gesellschaft wollen wir in Thüringen?
An und für sich war das ein recht deprimierender Prozess, der angesichts der Entwicklungen auch auf Bundesebene durchaus nachdenklich stimmt und das nächste Jahr im Kampf gegen Rechtsextremismus nicht unbedingt in ein strahlendes Licht rückt. Doch Wünsche für das nächste Jahr habe ich natürlich viele: Zum einen hoffe ich das die Exremismusklausel auf Bundesebene eventuell durch eine Klage gekippt werden kann. Zum anderen wünsche ich mir, das die bestehenden Initiativen in Thüringen, welche sich zum Jahresbeginn neu finden müssen, dies auch schaffen, dass sie schnell mit den nötigen Mitteln ausgestattet werden um ihre Arbeit auch wirklich wieder aufnehmen zu können. Und vor allem wünsche ich mir mehr MUT. Mut, nicht nur mit fünf Sätzen auf die Politikverdrossenheit der Thüringerinnen und Thüringer zu reagieren. Mut, Politik und Gesellschaft zu hinterfragen, sich selbst zu reflektieren. Mut, sich ganz ernsthaft die Frage zu stellen, in was für einer Gesellschaft wollen wir hier in Thüringen leben. Wie wollen wir miteinander umgehen? Was ist für uns demokratische Kultur? Und letztendlich auch Mut, offen mit der Zivilgesellschaft umzugehen.
Wirkliche Anerkennung statt Toleranz
Für die Bürgerbündnisse gegen Rechtsextremismus wünsche ich mir, dass sie den Mut haben, sich gegen die Verunglimpfung ihrer Arbeit durch Extremismusklauseln und –debatten zur Wehr zu setzen. Und zu letzt wünsche ich mir, dass ein Umdenken stattfindet: Weg vom Extremismus begriff, weg von „wer Rechts sagt muss auch Links sagen“, hin zur wirklichen Benennung des Problems der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft! Ich wünsche mir statt Toleranz, wirkliche Anerkennung, denn schon Goethe hat gesagt: „Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.“
Ihre Madeleine Henfling,
Landesprecherin der Grünen in Thüringen
Foto: Madeleine Henfling