Das Portal
für Engagement
Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Nach Informationen von Monika Lazar, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus der Grünen, und Sven-Christian Kindler, grüner Bundestagsabgeordneter im Haushaltsausschuss, werden die Bundesprogramme fortgeführt - doch unter einem Dach mit „Modellprojekten gegen Linksextremismus“. Ein Kommentar von Nora Winter.
Die Auswertungen und Ergebnisprüfungen der Evaluation der Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus waren durchaus positiv. „Vielfalt tut gut“ und „Kompetent für Demokratie“ werden auch nach 2011 weitergeführt. Jedoch viele Initiativen, die sich gegen Neonazis einsetzen und für eine demokratische Kultur engagieren, bangten um ihre finanzielle Zukunft. Doch nun ist zumindest eines etwas klarer: die Förderung im Rahmen der Bundesprogramme wird fortgesetzt und soll möglichst unbürokratisch von Statten gehen. Die aktuellen Zahlen sagen, dass „Vielfalt tut gut“ mit 19 Mio. Euro und „Kompetent für Demokratie“ mit 5 Mio. Euro ausgestattet sein werden. Alle Projektträger müssen in Zukunft eine Erklärung unterschreiben, dass sie nicht mit verfassungsfeindlichen Organisationen zusammenarbeiten. Diese Erklärung soll im Familienministerium und nicht in Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz entstehen. Die Idee der generellen Überprüfung von Projektträgern durch den Verfassungsschutz hat sich damit wohl erübrigt. Doch stehen engagierte Initiativen weiterhin unter Generalverdacht. Arbeit gegen Neonazis wird reflexhaft für zweifelhaft befunden.
Unter einem Dach?
Geplant ist auch alle „Extremismusprogramme“ unter einem Haushaltstitel zu führen. Was soll das bedeuten? Das heißt, dass auch ein Programm gegen „Linksextremismus“ und „Islamismus“ eingeführt wird und mit den Bundesprogrammen gegen Rechtsextremismus unter einem Dach zusammengefasst wird. Die Bewirtschaftung der Programme soll aber getrennt verlaufen. Die Projekte gegen „Linksextremismus und Islamismus" werden schon im Juli diesen Jahres in die Modellphase gehen. Vier Träger bekommen jeweils 100.000 Euro und sollen damit Anfänge in der Projektarbeit gegen „Linksextremismus und Islamismus" entwickeln, die wissenschaftlich begleitet werden. Der Internationale Jugendhof Scheersberg und die Europäische Jugendbildungs- und Begegnungsstätte Weimar beginnen mit den Projekten gegen „Linksextremismus", das Zentrum für demokratische Kultur und die Alevitische Gemeinde mit Projekten gegen „Islamismus". Ab 2011 bekommen Programme gegen Linksextremismus und Islamismus insgesamt 5 Mio. Euro. Offenbahr konnten die anfangs eingeplanten 2 Mio. für Projekte gegen „Linksextremismus und Islamismus“ nicht vergeben werden. Was passiert nun mit den übriggebliebenen 1,6 Mio.?
Abgrenzung und fehlende inhaltliche Auseinandersetzung
Diese Entwicklung zeigt nur noch einmal mehr die Verschiebungen in der Bundespolitik im Themenbereich demokratische Kultur. Im Dogma „Extremismus“ ist es nur eine logische Konsequenz Programme gegen „Links-“ wie „Rechtsextremismus“ aufzusetzen. Interessant wird wohl die inhaltliche Ausgestaltung der Linksextremismusprogramme. Wer definiert Linksextremismus? Sind brennende Autos selbstredend Aktionen von Menschen, die die politische Grundordnung der Bundesrepublik abschaffen wollen? Ist bei jedem brennenden Auto klar, aus welchem Hintergrund die Verursacherinnen und Verursacher kommen? Auf welcher Datenbasis wird diese Entscheidung eigentlich getroffen? Das alles bleibt noch unklar. Letztendlich bleibt es auch schlicht Arbeit der Polizei und nicht die der Initiativen für demokratische Kultur. Obendrein ist aber nicht nur „Linksextremismus“ inhaltlich schwierig zu füllen; die wissenschaftlichen Studien zum Thema sind rar. Auch „Rechtsextremismus“ erfüllt eine spezifische Funktion. Der Begriff dient als Sammelbecken für Einstellungen wie Rassismus, Antisemitismus, Sexismus oder Nationalismus. Damit kann durch ihn eine Abgrenzung geschehen, von der viele Initiativen in ländlichen Regionen ein Liedchen singen können: „Rechtsextreme? Gibt es bei uns nicht! Hier sind alles Demokraten.“ Aber dass auch bei Menschen, die nicht in der organisierten Neonaziszene unterwegs sind, menschenfeindliche Einstellungen bestehen können, ist im Extremismusmodell nicht vorgesehen. Wenn das neu hinzugezogene lesbische Pärchen im Dorf vom Bäcker kein Brot verkauft bekommt, wenn ein nicht weißer Deutscher sich ständig nach seiner Herkunft befragen lassen muss oder wenn gegen Finanzkapital und „Zinsknechtschaft“ gewettert wird, ist man mit manifester Homophobie, mit Rassismus und Antisemitismus konfrontiert. Um diese Probleme geht es eigentlich. Die Schablone „Extremismus“ dient dazu, sich davon freizusprechen. Schließlich stehe man ja auf dem Boden der Verfassung. Was ist auf dem Boden der Verfassung? Was bedeutet freiheitlich demokratische Grundordnung? Ganz praktisch muss in einer demokratischen Gesellschaft diskutiert werden, was das heißt. Simple Abgrenzungsversuche über die Extremismusformel verhindern diese Auseinandersetzung. Programme, die in dieser Schablone konzipiert sind, werden nichts an den Problemen ändern. Sie geben nur die Möglichkeit, sich selbst zu vergewissern, dass man ja demokratisch ist.
Von Nora Winter
Foto: Familienministerin Kristina Schröder, VoThoGrafie via Flickr, cc