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Zusammenwirken gegen Rechtsextremismus konnten Vertreterinnen und Vertreter der SPD und der Linken auf Einladung der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen in einem gemeinsamen Fachgespräch zum Ausdruck bringen. Kritik übten Sie an der Gleichmacherei der neuen Bundesministerin.
Unter großer Beteiligung fand am 10. Mai auf Einladung der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen ein Fachgespräch zum Thema: „Was ist Demokratie dem Staat wert? Zukunft der Bundesförderung gegen Rechtsextremismus“, statt. Neben Gastgeberin Monika Lazar, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus von Bündnis 90/ Die Grünen, konnten auch Sönke Rix von der SPD und Ulla Jelpke von der Linkspartei durch ihre Beteiligung verdeutlichen, dass ein Kampf gegen Rechtsextremismus nicht an ihren Parteigrenzen halt macht. Zu den Referenten gehörten neben Politikern insbesondere Vertreterinnen ausgewählter Projekte und Wissenschaftler.
Auslöser für das Fachgespräch ist das Bestreben der neuen Bundesfamilienministerin Schröder, die Bundesförderung verstärkt gegen Linksextremismus und somit weniger gegen Rechtsextremismus auszurichten. „Ich will Präventionsprojekte ins Leben rufen. Auf dem Gebiet des Rechtsextremismus haben wir schon viele Erfahrungen gesammelt und wissen, welche Projekte funktionieren. Beim Linksextremismus, aber auch bei Islamismus betreten wir Neuland - und das wird höchste Zeit“, sagte Schröder beispielsweise der FAZ. Die Folgen der neuen Agenda für die Zukunft der Projekte gegen Rechtsextremismus wurden von den Teilnehmern und Teilnehmerinnen diskutiert.
Rechtspopulisten, Demokratieentfremdung und Kommunen
Dem Thema wurde sich in drei inhaltlichen Blöcken genähert. In einem ersten Block zum Thema „Stärkung der Demokratie“ konnte Professor Roland Roth die Ursachen einer festzustellenden Demokratieentfremdung aufzeigen. Der Beauftragte für Integration und Migranteninnen und Migranten in Berlin, Günter Piening, gab einen Überblick über aktuelle Projekte im Land und konnte darstellen, wie und wo öffentliche Projektförderung stattfindet. Die oft als „zu national diskutiert“ beschriebene Debatte um Rechtsextremismus konnte der Brüsseler Abgeordnetenmitarbeiter Tobias Peter um einen Blick auf Europa erweitern. Er fasste zusammen wie und wo menschenfeindliche Gruppen und Verbände an Einfluss gewinnen und wies darauf hin, dass zunehmend „Erfolge“ von sogenannten Rechtspopulisten festzustellen sein.
Der Rabbiner Dr. Walter Rothschild bot Einblick in die Präventionspraxis und beantwortete die Frage, wie Bildung gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit helfen kann. Er betonte dabei nachdrücklich, dass Antisemitismus keiner Juden, und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit keiner Minderheiten bedarf, um sich in den Einstellungen der Bevölkerung zu verfestigen. Antisemitismus kommt auch und insbesondere dort vor, wo keine Jüdinnen und Juden wohnen, ebenso wie sich gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit häufig dort am deutlichsten äußert, wo wenige Minderheiten leben. Präventiv erfolgreich gegen menschenfeindliche Einstellungen bewertete er Veranstaltungen, in denen Schüler mit den „Fremden“ ins Gespräch kommen, allerdings fehle dafür flächendeckend die finanzielle Basis, und Besserung sei vorerst nicht in Sicht.
In einem zweiten Block konnten einzelne Bundesprogramme ihre Erfolge und Probleme vorstellen und so zum einen die enorme Gefahr aufzeigen, die von Neonazis auf die Demokratie und die Sicherheit eines jeden Einzelnen ausgeht. So verdeutlichte beispielsweise Jörg Wanke von der Initiative „Zossen zeigt Gesicht“, deren „Haus der Demokratie“ durch einen neonazistisch motivierten Brandanschlag zerstört wurde, dass die Gewalt der Neonazis keine abstrakte, sondern eine reale und akute Bedrohung für Demokratie und Frieden darstellt. Am Beispiel Zossen zusätzlich tragisch verdeutlicht, dass gerade auch kommunal gewählte Politiker und Politikerinnen leider viel zu häufig Teil des Problems gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sind, beispielsweise in dem sie aus einem vermeintlichen Interessenkonflikt zwischen öffentlicher Wahrnehmung der Stadt und allgemeinem Nutzen, das Problem leugnen, oder gar bewusst die Augen verschließen. Für sie ist eine Thematisierung menschenfeindlicher Einstellungen häufig mit der Kritik am eigenen Nachbarn, der Kritik an der eigenen Gemeinschaft verbunden.
Gleichsetzung zeugt von Realitätsentfremdung
Im Anschluss brachte der Sächsische Landtagsabgeordnete Miro Jennerjahn in seinem Vortrag die Politik der neuen Bundesministerin zur Sprache. Er warnte in diesem Zusammenhang vor einer Verharmlosung des Rechtsextremismus und machte deutlich, dass eine Gleichsetzung von sogenanntem Links- und Rechtsextremismus inhaltlich nicht haltbar sei. Die Folgen einer solchen Neubewertung seien nicht nur, die drohende Kürzung der dringend benötigen Gelder im Kampf gegen Neonazismus, zusätzlich würden durch die angestrebte Gleichsetzung demokratie - und menschenfeindliche Einstellungen der Neonazis bagatellisiert. Er diagnostiziere insbesondere dem politischen Gegner in Sachsen Realitätsfremdheit, denn dort spielen islamistisch und linksextremistisch motivierte Straftaten im Vergleich zu rechtsextremistischen eine lediglich marginale Rolle.
Einen Überblick über Fakten und Zahlen der Bundesförderung gab Sven-Christian Kindler (Bündnis 90/ Die Grünen), Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestages. Spannend war die Frage, ob die Förderkriterien der Bundesfördermittel durch die Umdeutung des Extremismusbegriffs verändert werden, und wie in der Folge der Zugang zur Bundesförderung für zivilgesellschaftliche Projekte gegen Rechtsextremismus gewährleistet werden kann. Die Erforderlichkeit geförderter Projekte zur Stärkung einer toleranten, demokratischen und engagierten Zivilgesellschaft betonte schließlich die Sprecherin des Berliner Abgeordnetenhauses gegen Rechtsextremismus, Clara Herrmann (Bündnis 90/ Die Grünen). Heftig kritisierte sie, dass eine langfristige Finanzierung für kontinuierliche Arbeit gegen Rechts nicht gesichert sei. Sie betonte, dass die Bekämpfung von Menschenfeindlichkeit zu einer gesamtstaatlichen Aufgabe werden müsse und nicht an Bund-Länder-Zuständigkeiten scheitern darf.
Fehlende Inhalte
Das weitere Verharren am Extremismusbegriff ohne inhaltliches Fundament droht die eindeutig demokratie – und menschenfeindlichen Einstellungen der Neonazis dadurch zu Verharmlosen, dass sie in den gleichen Kontext mit sogenannten linken Gruppen gestellt werden, die jedoch häufig gerade mehr Demokratie und nicht deren Abschaffung fordern. Der inhaltliche Unterschied ist enorm. Eine geplante oberflächliche Kritik der Mittel droht, die Auseinandersetzung mit den Inhalten zu verdrängen. Doch nur durch inhaltliche Aufklärung kann erfolgreich für das Problem menschenfeindlicher Einstellungen sensibilisiert werden. Nur ein inhaltlich aufgeklärter Umgang kann demokratisch erfolgreich sein.
Problematisch wird der neue Extremismusbegriff auch in der Praxis. Nicht nur verwundert der kombinierte Ansatz gegen Islamismus und Linksextremismus der Bundesregierung, zusätzlich bleibt fraglich, wer die Träger der neu initiierten Projekte sein sollen. Der von der Bundesministerin in diesem Zusammenhang oft ins Spiel gebrachte Verfassungsschutz dürfte eher wenig geeignet sein, mit staatlicher Repression Engagement und Zivilcourage zu fördern, um so ein Bewusstsein für demokratische Kultur zu schaffen. Ein verstärkter Etatismus wird das Problem gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit nicht lösen.
Völlig ignoriert bleibt, dass gruppenbezogen menschenfeindliche Einstellungen leider kein Phänomen ungenau bestimmter Ränder einer gesellschaftlichen Mitte sind, sondern dass feindliche Einstellungen auch innerhalb der „Mitte“ zu finden sind und eben nicht nur in Wahlerfolgen extrem rechter Parteien ihren Ausdruck finden. So trägt die Umdeutung des Extremismusbegriffs dazu bei, nicht nur das von der Ministerin genannte linke oder rechte, sondern um im Bild zu bleiben gleich beide Augen vor den wirklichen Problemen zu verschließen.
Über die Parteigrenzen hinweg stattfindende Fachgespräche mit Politikerinnen, vor Ort engagierten Wissenschaftlern und lokalen Akteurinnen zeugen hingegen vom Problem- und Verantwortungsbewusstsein der Initiatoren und Initiatorinnnen durch ihre Bereitschaft zur Unterstützung eines breiten Engagements gegen Menschenfeindlichkeit, auch über die typische Parteiklientel hinaus. „Für Demokratie heißt: Gemeinsam gegen Rechtsextremismus“ wurde auch die gemeinsame Pressemitteilung der beteiligten Politiker und Politikerinnen Monika Lazar (Bündnis 90/ Die Grünen), Sönke Rix (SPD) und Ulla Jelpke (Die Linke) treffend überschrieben.
Von Sebastian Heidebrecht
Foto: Grüne