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Es ist seit langer Zeit das erste Mal, dass über den Dresdner 13. Februar gute Nachrichten ins Land gehen. Insgesamt 25.000 Menschen haben sich gegen den rechtsextremen Aufmarsch engagiert, rund 6.000 Nazis fuhren entnervt und frustriert nach Hause. Doch nicht nur das: Der 13. Februar hat eine Debatte in Gang gesetzt. Darf man Nazidemos blockieren? Welche Protestform ist die richtige? Wie gedenkt die Stadt? Und wie soll es weitergehen? Man wird gut beraten sein, die Ereignisse des diesjährigen 13. Februars über einen längeren Zeitraum hinweg gründlich und gelassen zu bewerten. Ein Kommentar von Sabine Friedel.
Dazu ein persönlicher Blick: Es war gut und wichtig, dass die Oberbürgermeisterin für den 13. Februar die Initiative ergriffen hat, über das bisher offizielle stille Gedenken hinaus zu handeln. Viele Parteien und Initiativen haben ein solches Handeln der Stadtspitze seit Jahren eingefordert – manchmal vielleicht auch mit den falschen Mitteln. Nun hat die Stadtspitze gehandelt – nicht immer perfekt, aber sie hat.
Deshalb hatte ich mich dazu entschieden, die Menschenkette mit aller Kraft zu unterstützen. Und habe den Aufruf des Bündnisses „Dresden nazifrei“ deshalb auch bewusst nicht unterzeichnet. Im Nachhinein ist das fast ärgerlich, denn man ist ja gern bei allen Erfolgen dabei. Doch ich persönlich hatte zugegebenermaßen auch Zweifel daran, dass der gewaltfreie Aktionskonsens bei der Blockade hält und durchgesetzt werden kann. Vor dieser Leistung habe ich großen Respekt. Sie ist nicht selbstverständlich, denn alle mit Demonstrationen erfahrenen Personen wissen, wie schwierig es ist, als Veranstalter nicht erwünschtes Verhalten einzudämmen. Hier muss ich meine Ansicht und meine Skepsis gegenüber dem Bündnis eindeutig korrigieren.
Großen Respekt habe ich in diesem Zusammenhang auch vor der Leistung der Polizei und ihrer Einsatzleitung. Deren überlegtes und gelassenes Handeln hat einen entscheidenden Beitrag dazu geliefert, dass der 13. Februar auch auf der Neustädter Seite weitestgehend friedlich verlaufen ist. Respekt nötigt auch ab, dass die Oberbürgermeisterin und alle an der Vorbereitung der Menschenkette beteiligten Personen die leider in Sachsen so üblich gewordene Rechts- und Linksextremismus-Verkoppelungs-Rhetorik vermieden haben. Was von außen gelesen möglicherweise wie eine Selbstverständlichkeit klingt, grenzt in Sachsen schon an eine kleine Rebellion gegen die herrschende Meinung… Es war gut, dass im Vorfeld des 13. Februar klar und deutlich benannt wurde, wo an jenem Tag „der Feind steht“.
Wo Licht ist, ist auch Schatten. Das fängt an beim Handeln der Dresdner Staatsanwaltschaft im Vorfeld des 13. Februar. Das geht weiter bei den Pepperballs- und Wasserwerfer-Ankündigungen des Innenministers. Sie setzten nicht nur angesichts von insgesamt ca. 25.000 friedlichen Demonstrantinnen und Demonstranten gegenüber vielleicht 500 gewaltbereiten Personen ein völlig falsches Gewicht. Sie haben auch dazu beigetragen, bei der breiten Bürgerschaft ein Gefühl von Unsicherheit zu erzeugen. Wer weiß, wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Menschenkette hätte haben können, wenn der Staatsminister weniger Wert auf das Vorzeigen der Repressionsmittel und mehr auf die Ermutigung zum gewaltfreien Protest gelegt hätte. Die Entscheidung der Versammlungsbehörde, den JLO-Aufmarsch auf dem Schlesischen Platz beginnen zu lassen, mag einsatztaktisch und logistisch nachvollziehbar sein. Ihre Wirkung auf die Dresdnerinnen und Dresdner jedoch war eindeutig negativ: Das betraf zum einen die Geschichte des Platzes als Ausgangspunkt von Judendeportationen. Und zum anderen das entstehende Gefühl, dass die Landeshauptstadt Dresden ihre Neustädter Seite „aufgibt“. Selbstverständlich – sofort taucht hier die Gegenfrage auf: Wo hätte die JLO dann marschieren sollen? Irgendeinen Stadtteil träfe es ja immer. Und auf diese Frage gibt es ja auch keine einfache Antwort. Aber unabhängig davon muss man feststellen, dass diese Entscheidung der Versammlungsbehörde keine gute war. Viele Menschen waren nun in den Zwiespalt gekommen sich entscheiden zu müssen, auf welcher Elbseite sie sich engagieren wollen.
Ich habe in der Menschenkette viele Leute getroffen, die zwar einerseits gern da waren und Gesicht zeigten. Aber andererseits genauso gern auf der anderen Elbseite geholfen hätten. Wir in Dresden müssen einen Weg finden, wie wir eine solche Spaltung der Stadt künftig vermeiden können. Der Wunsch, sich einer rechtsextremen Demonstration direkt in den Weg zu stellen, ist jedenfalls in der Bevölkerung weiter verbreitet, als viele von uns gedacht haben – das zeigen nicht zuletzt auch die Leserbriefe in den Lokalzeitungen.
Ich selbst hatte im Vorfeld des 13. Februar den Eindruck, es gäbe zwei Ziele, die jeweils verschiedene Gruppen mit diesem Tag verbinden: 1. So viele Menschen wie möglich zu einem öffentlichen Bekenntnis für Demokratie und Toleranz und gegen Rechtsextremismus und Gewalt zu bringen. Und 2. Den rechtsextremen Aufmarsch tatsächlich zu stoppen. Ich war der Auffassung, dass beide Ziele einander im Weg stehen. Und ich habe persönlich dem ersten Ziel weitaus mehr Bedeutung und Wichtigkeit zugemessen als dem zweiten. Schaut man sich im Ergebnis die Berichterstattung über den Tag an, so muss man feststellen: Der Erfolg des 13. Februar wurde an beiden Zielen gemessen – gleichrangig. Eine Menschenkette ohne Blockade auf der anderen Elbseite wäre ein wehrloses Symbol geblieben. Eine Blockade ohne die Menschenkette ein halber Erfolg der „üblichen Verdächtigen“, aber nicht der Dresdnerinnen und Dresdner. Wir werden ganz klar Wege finden müssen, beide Ziele gemeinsam zu erreichen.
Mir ist sehr bewusst, in welchen politischen und juristischen Zwängen wir uns dabei alle bewegen. Deshalb scheint es mir wichtig, die Debatte in aller Ruhe und Unaufgeregtheit zu führen. Es ist ja nun wirklich nicht so, dass eine gute Freundschaft zwischen den „linken“ und den „konservativen“ Kreisen in Dresden bestünde. Doch wenn wir es zumindest beim 13. Februar zu einer „friedlichen Koexistenz“ brächten, wäre schon viel gewonnen. Deshalb war es wichtig, dass die Oberbürgermeisterin ein Signal des ausdrücklichen Dankes an alle gesendet hat. Und deshalb bitte ich auch all die, die auf der Neustädter Seite unterwegs waren, fortwährend um Respekt für die Menschenkette. Wer die Rede von Demokratie und Toleranz führt, der muss auch bereit sein, alle gewaltfreien Formen und Bedürfnisse des Protests zu respektieren – auf beiden Seiten.
Möglicherweise werden wir länger als bis zum nächsten 13. Februar brauchen, um einen wirklich klugen Umgang mit dem Datum zu finden. Doch der Verlauf in diesem Jahr ist im Großen und Ganzen dazu geeignet, unser aller Vertrauen in das jeweilige Gegenüber zu stärken und vielleicht kurzfristig zumindest zu einem arbeitsteiligen und abgestimmten „Agree to Disagree“ zu finden, bevor wir uns in einigen Jahren tatsächlich als eine sich wehrende Stadt verstehen können.
Sabine Friedel, SPD Dresden
Foto: SPD