Wenn Apfelfrontler in ihrem Nazigehabe aufgehen, das Juso-Projekt „Endstation Rechts“ zum Hitlergruß ansetzt und Naziästhetik links neu aufgezogen wird, wünscht man sich eine kritische Reflexion dessen. Ein Einwurf von Sebastian Brux
Eigentlich ist mit Hannah Arendt in dieser Debatte alles gesagt. Sie stellte zur Kultur der Nazis treffend fest, dass kein Einziger von ihnen ein Gedicht schrieb, das es wert wäre, dass man sich daran erinnere, oder ein hörenswertes Musikstück komponierte oder ein Bild malte, bei dem irgend jemand daran gelegen wäre, es an seine Wand zu hängen. Die Nazis haben bis heute nichts Kreatives, Innovatives oder Ansprechendes hervorgebracht, was es nachzumachen lohnen würde.
Und fernab der künstlich skandalisierten Diskussion darüber, dass die Nazis den Linken die völkisch-motivierten subkulturellen Symbole klauen, gibt es einen umgekehrten Trend. Der Gefallen am Nazi-chic, die Begeisterung für autoritär-faschistisches Verhalten und der Naziästhetik.
Es wurmt in der Apfelfront!
Junge, sich selbst als links und gegen-Nazis definierende Menschen, schließen sich bisweilen der antifaschistischen Spaßguerillia „Front Deutscher Äpfel“ an, die in schwarzen Uniformen, roten Armbinden, Fahnen und Standarten den Faschisten der 1930er und 40er Jahre spielen. Der Wurm an der Sache steckt tief in der Struktur dieser friendchise-Bewegung. Wer sich der Satiretruppe anschließen möchte, muss nur eine Armbinde bestellen und sich wie ein Nazi benehmen. Und gerade das autoritär-faschistische Verhalten zaubert manchen ein Funkeln in die Augen. Endlich wie Opa früher fühlen, marschieren, rüpelhaft benehmen und verdrehte Nazisprüche im Hitlersprech ins Megafon krächzen.
Dass es sich hier um Theater handelt, müssen sich nicht nur kritische Beobachter ins Bewusstsein rufen. Die Kids, die unter der Apfelfahne stolzieren, sollten selbiges tun – und zwar gründlich. Was gefällt mir am Naziauftritt? Warum sollte mir mein Verhalten nicht gefallen? Das Konzept der niedrigschwelligen, ursprünglich durchaus witzigen Parodie auf die Nazis, ist an dem Tag gescheitert, als Jugendliche mit stolz geschwellter Brust und Apfelfront-Armbinde die Schule betraten.
Endstation Nazi-chic
„@Der_Fuehrer: Heil Dir Fuehrer, dürften wir ergebendst um ein Interview bitten für http://www.endstation-recht...?“ twitterte am 29. Oktober das Juso-Rechtsextremismus-Infoportal „Endstation Rechts“, in der Hoffnung, vom Spaßhitler der Twitterwelt, Der_Fuehrer, ein Interview zu erhalten. Witze über Hitler und Nazis – davon braucht die Welt noch mehr. Im vermeintlichen Humor aber endlich mal Hitler deutsch grüßen können, das braucht es nicht. Zumindest ist mir der Reiz unbekannt, zum Hitlergruß anzusetzen. Der versteckte Charme ist mir bisher entgangen. Auch die „Thor Steinar“-Verarsche „Storch Heinar“ ist auf dem Rostocker Mist des SPD-Abgeordneten Brodkorb gewachsen und soll eigentlich lustig sein. Nun stellt sich vorab die Frage, ob es denn cool ist, die bei Neonazis beliebte Marke „Thor Steinar“ zu kopieren? Und, was gefällt den Jungsozialisten am Nazi-Chic?
Umgekehrt lässt es sich relativ einfach erklären: Neonazis tragen den Intifada-Schal, weil er ihre Solidarität mit dem palästinensischen Kampf gegen den jüdischen Staat verdeutlicht. Neonazis tragen Che-Buttons, weil er für eine „Volksbefreiung“ gekämpft hat, die den Nazis nicht unsympathisch ist. Warum aber vermeintlich Linke mit einem Sonnenrad auf dem Shirt durch die Gegend laufen wollen, dass nicht nur am Hakenkreuz sondern auch an germanischer NS-Mysthik angelehnt ist, entzieht sich dem Betrachter.
Die Ästhetik der Nazis bedarf keiner tiefgründigen Betrachtung, um auf völkische und menschenfeindlich durchdrungene Ideologiewurzeln zu stoßen. Très chic ist das nicht!
Sebastian Brux ist Autor bei mut-gegen-rechte-gewalt.de, NPD-BLOG.INFO und ein spaßbefreiter Schmock.