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Links – Rechts – immer geradeaus

Der Vergleich zwischen rechtsextremistischer und sogenannter linksextremistischer Gewalt ist gefährlich!
 
Politiker neigen dazu, Pauschalurteile zu fällen. Fast jeder Bundesinnenminister, insbesondere Herr Schäuble, versuchte während seiner Amtszeit rechtsextreme Gewalt mit Aktionen der linken Szene immerwieder in einen Topf zu schmeißen. Hierzu wird uns oft mitgeteilt, beide Lager seien verfassungsfeindlich und somit in unser aller Sinne zu bekämpfen. Gerade mit der Bildung der neuen Bundesregierung aus Union und FDP wird diese Sicht der Dinge deutlich. Hier sollen Förderprogramme realisiert werden, die extremistischen Tendenzen aus sämtlichen Richtungen auf einmal entgegentreten. Das ist schier unmöglich.
 
Durchaus sollten wir deutlich differenzieren, wenn es um Gewalt und der Ausrichtung extremistischer Gruppen geht. Aufgrund unserer täglichen Arbeit und der Tätigkeiten von Beratungsstellen die sich um Opfer rechter Gewalt kümmern sowie den vielen Bürgerinitiativen die gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und dem ewig vorhandenen Geist der Nazis engagiert sind, können wir behaupten, dass ein riesiger Unterschied zwischen Gewalttaten von Neonazis/Nazis sowie Rechtsextremisten und der linksextremen Szene besteht.
 
Der Hamburger Innensenator Ahlhaus trieb solcherlei Gedanken hinsichtlich einer Pauschalisierung zwischen Links und Rechts in einem Interview nach einer NPD-Kundgebung zum Schanzenfest in Hamburg auf die Spitze: ”Wer sich feige hinter friedlichen Demonstranten versteckt, nur um zu randalieren, ist keinen Deut besser als die Rechtsextremisten.” (Hamburger Morgenpost). Grund für diesen Ausspruch waren Ausschreitungen mit Linksautonomen nach einer Veranstaltung des Hamburger Nazianwalts Jürgen Rieger am 12. September 2009 in Hamburg.
 
Die rechtsextreme Szene:
Die rechstextreme Szene rüstet indes auf. Die Zahlen sprechen für sich. Wir erleben jährlich Steigerungsraten bei der Anzahl von Opfern rechter Gewalt (in 2008: 1.113 Verletzte), eine Verbreitung von rassistischem Gedankengut durch die neue Strategie von Parteien wie der NPD. Auch sonst machen Neonazis und Rechtsextremisten ihre antisemitische und rassistische Haltung täglich deutlich. Die Symbolik spricht für sich. Der Geist der alten Nazis schwirrt in verwirrten Köpfen. Gerade dieser Zustand macht die Szene so gefährlich. Einzelne Personen ob männlich oder weiblich sind gefährdet, wenn sie sich zur falschen Zeit am falschen Ort befinden. In letzter Zeit übt sich die rechtsextreme Szene gar in gezielten Angriffen auf Einzelpersonen. Sie fackeln keine Autos ab, beschmeißen niemanden mit Steinen. Nein, sie verletzen jemanden bewusst und brachten seit der Wende 143 Menschen um. Das ist ein gravierender Unterschied zur linksextremen Szene, den auch gerade Politik und Gesellschaft endlich sehen sollten.
 
Aus diesem Grunde ist es noch gefährlicher seitens öffentlicher Personen linksautonome und rechtsextreme Tendenzen in einen Topf zu werfen, als sei das ein Einheitsbrei.
 
Die linksautonome Szene:
Auch wir haben schon erlebt, dass sogenannte gewaltbereite Linksautonome, meist Jugendliche, unsinnig mit Molotowcocktails beim großen Naziaufmarsch am 01. Mai 2008 in Hamburg Bewohner eines Stadtviertels bewarfen. Dies verurteilten wir auch öffentlich. Das Feindbild einiger Linksautonomer ist uns auch klar. Hier geht es um den Protest gegen den Kapitalismus, gegen die Staatsmacht (die Exekutive) in Form der Polizei, hier geht es um die Suche nach einem System, um die Gleichberechtigung für alle? Nein sicherlich, realer Sozialismus oder Kommunismus scheinen nicht umsetzbar. Grund hierfür ist vielleicht die Raffgier des einzelnen Menschen selbst. Es wird immer jemanden geben der versucht sich über eine Gemeinschaft zu stellen. Zumindest konnten wir dies aus der Geschichte der UDSSR und DDR lernen. Trotzdem können wir behaupten, dass Gewalt von links nicht zielgerichtet rassistisch oder antisemitisch verrichtet wird. Die Menschenverachtung aufgrund der Herkunft eines Gegenübers, der politischen Einstellung oder sexuellen Neigung ist seitens gewaltbereiter Linker nicht gegeben. Linksautonome verprügeln, ermorden oder verletzen niemanden aufgrund von persönlichen Vorurteilen, sondern der Staat und das Geld besetzen ihr Feindbild.
 
Verantwortung der Politik und Gesellschaft
Aufgrund unserer eigenen Geschichte in diesem Lande sind wir verpflichtet, rechtsextreme Tendenzen in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Ein Grund für den Anstieg dieser Szene ist auch gerade die ureigene Vergangenheit. Bis Ende der 1960iger Jahre konnten sich Nazis in Schlüsselstellungen wiederfinden. Gar Kriegsverbrecher (z. B. Angehörige der SS) konnten ohne Verurteilungen unseren Staat prägen. Übrigens auch ein Fakt, welcher von der linken Szene verurteilt wird. Oft müssen wir daran denken, wie lange es gedauert hat, der Opfer der Nationalsozialisten würdig zu gedenken. Die Gedenkstätten der Konzentrationslager in Deutschland wurden erst innerhalb der letzten zehn Jahre intensiv gefördert. Zwar gab es auch vor 30 Jahren Gedenkstätten, aber noch lange nicht so gut aufgearbeitet wie sie es, heute sind. In Neuengamme hatte der Hamburger Senat auf dem Gelände des Konzentrationslagers Jahrzehnte lang gar einen Jugendknast betrieben.
 
Wir waren gerade in Dachau und stellten fest: Wer sich wirklich mal dorthin begibt, versteht die Gefahr durch Rechtsextremisten in Deutschland besser. In Dachau wurden Linke von den Nazis inhaftiert, gefoltert und ermordet. Den Holocaust wollen wir hier in diesem Artikel nicht weiter behandeln. Fakt aber ist: Rechtsextremistisches Gedankengut ist menschenverachtend. Rassismus und Antisemitismus finden eine neue Verbreitung in unserer heutigen Gesellschaft. Hier müssen Politik und Gesellschaft ansetzen und klare Linien erarbeiten, um Tendenzen, die wir schon einmal vor 76 Jahren in Deutschland erlebten, vorzubeugen.
 
Vergessen macht sich breit – Es geht voran:
Die Band Fehlfarben hatte den Zustand unseres Landes in ihrem Lied „Es geht voran“ schon Mitte der 1980iger Jahre treffend formuliert. Aber genau gegen das Vergessen müssen wir ansteuern. Selbstverständlich kann die neue Generation nichts für unsere Vergangenhiet. Dies zu behaupten wäre falsch. Aber diejenigen, die weder durch Verwandte noch durch eigene Erfahrungen mit Rechtsextremen oder Nazis Erfahrungen gemacht haben, sollten für das Thema sensibilisiert werden. Oft hören wir auch aus politsichen Kreisen „...wir können nichts für die Verbrechen unserer Großväter!“ . Das behaupten wir auch nicht, aber wir stellen eine Verdrossenheit und ein großes Desinteresse bei Schulvorträgen (die wir im Übrigen selber halten) fest, wenn es um die nationalsozialistische Vergangenheit unseres Landes geht.
Solange wir in Deutschland Nazis und Rechtsextreme finden und derlei Gedankengut durch die NPD als zugelassene Partei legitimiert wird, solange müssen wir uns intensiv mit unserer eigenen Verantwortung beschäftigen.
 
In einen Pott schmeißen – gilt nicht – Forderung an die Bundesregierung:
Unsere Forderung gegenüber der neuen Bundesregierung ist klar. Die Gefahr durch den aktuellen Rechtsextremismus lässt sich nicht mit anderen extremistischen Gruppierungen, sei es von links oder aus sonstigen Richtungen, in einen Pott schmeißen. Die Bundesregierung trägt Verantwortung dafür, dass die Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und nationalsozialistischem Gedankengut entgegengetreten werden kann. Umso wichtiger sind Programme von Bürgerinitiativen, die Gesetzgebung und die damit verbundene gezielte monetäre Förderung von Initiativen sowie die Schaffung von Fonds gegen den wachsenden Rechtsextremismus, der gefährlich in manch einem Kopf Einzug hält. Wir alle tragen Verantwortung dafür, dass Menschen anderer Herkunft und einer anderen politischen Einstellung nicht verfolgt und verletzt werden.
 
Ein Appell an die linksautonome Szene:
Die Anwendung von Gewalt und der Einsatz von Sachbeschädigungen im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen Nazis in Deutschland, sind kontraproduktiv. Wenn wir die Mitte der Gesellschaft dazu bewegen wollen, klare Zeichen gegen den wachsenden Rechtsextremismus in Deutschland zu setzen, plädieren wir für ein friedliches Auftreten im Rahmen solcher Veranstaltungen. Angriffe gegen unbeteiligte Bürgerinnen und Bürger, wie in Hamburg Barmbek 2008 geschehen (wir waren leider selber Zeugen) , gefährden das Image solcher Aktionen sowie die Motivation der Öffentlichkeit, sich den Nazis entgegenzustellen.
 
Gewalt lehnen wir von allen Seiten ab und verurteilen diese auf das Schärfste, um das klar und deutlich zu machen. Als Kampagne stehen wir für demokratische, freiheitliche Werte.
 
Jörn Menge ist Leiter der Kampagne „Laut gegen Nazis“

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Jörn Menge von der Kampagne "Laut gegen Nazis"