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Gute und schlechte Nachrichten

Liebe Leserinnen und Leser,
 
kennen Sie das? Sie lesen eine Meldung und wissen nicht recht, ob dies eigentlich eine gute oder eine schlechte Nachricht ist. Der Wahlmonat hat begonnen. Die gute Nachricht: Die NPD steht NICHT kurz vor der Machtübernahme! Weder in Sachsen noch in Thüringen (vom Saarland und NRW ganz zu schweigen - da wurde sie zur Splittergruppe degradiert). In Sachsen hat sie mehr als drei Prozentpunkte eingebüßt und in Thüringen ist es ihr nicht gelungen, in den Landtag einzuziehen. Das ist fabelhaft, ein Erfolg der Demokraten, eine Ermutigung für diejenigen, die sich vor Ort engagieren und eine Hoffnung für uns alle, dass unsere Arbeit vielleicht doch ablesbare Ergebnisse bringt. Herzlichen Glückwunsch! Die schlechte Nachricht: In Sachsen haben sich die Nazis etabliert, und trotz aller Skandale auch im Landesparlament: braun gehört in vielen Kommunen längst zum ganz normalen Farbenspektrum, und wer dort nachfragt, kriegt viel zu oft trotzige oder hilflose, stets aber unangenehme Abwehr zu spüren. Ganz nach dem Motto: Es gibt kein Problem, wenn man nicht darüber spricht. Und wer darüber spricht – so ist es immer beim Tabu – bringt das Problem selbst hervor, macht es sichtbar und ist somit auch dafür verantwortlich. Das gleiche gilt für Thüringen. Die NPD ist nicht im Parlament und Punkt. Also gibt es dazu auch keine Debatte. Zwar hat sie ihre Prozentzahl gegenüber der letzten Landtagswahl verdoppelt und lag trotz hoher Wahlbeteiligung nur wenig unter der magischen 5-Prozent-Hürde, aber sie ist drunter und damit nicht sichtbar.
 
Dass über die Verdreifachung der NPD-Kreisverbände in den letzten Jahren, die NPD Abgeordneten in den Kommunen, über die Opfer der Rechtsextremen und den bräunlichen Dunst über vielen Regionen in Thüringen bisher kaum gesprochen wurde, war und ist der Humus, den die Nazis brauchen, um sich ungestört zu entwickeln. Wenn man also eine präsente und im Landesparlament sichtbare NPD will, dann nur weiter so! Nächstes Mal schaffen sie es unter diesen Bedingungen ganz bestimmt. Dabei hat es in beiden Ländern erst kürzlich Ereignisse gegeben, die durchaus hätten Anlass sein müssen, die Rechtsextremen fortzujagen, statt sie zu wählen. Der Mord an der jungen Ägypterin Marwa E. in Dresden ist erst wenige Wochen her, doch statt eines Aufschreis gab es meist nur unwürdige und instrumentalisierende Diskussionen darüber, ob dies ein Fall von "Islamophobie" war oder nicht. Und wie die Stadt nun im Ausland dastehen würde. Und ob der Täter nun wirklich als Deutscher zu sehen sei – also Grund zu kollektiver Wut und Scham liefere oder doch eher nicht, weil er doch lediglich unter dem Label des deutschen Blutes aus Russland eingewandert sei.
 
Der andere Fall ist der des schwarzen Politikers Zeca Schall, der in Hildburghausen für die CDU Thüringen kandidierte. Die NPD hatte ihn seiner Hautfarbe wegen bedroht und verhöhnt und damit ihre Anhängerschaft mobilisiert. Diese gezielte Provokation galt der Demokratie, diesmal in Gestalt der CDU, die es gewagt hatte, einen Schwarzen aufzustellen und für die Wahl auch auf einem Plakat mit dem Spitzenkandidaten Dieter Althaus abzubilden. Getroffen hat es aber vor allem den Angegriffenen – seine Partei sah von einer überzeugten und überzeugenden Parteinahme zu Gunsten Schalls ab und ließ gleich in den folgenden Tagen das Wahlplakat mit dem Bedrohten überkleben. Mit dem Abbild viel blonderer und weißerer Thüringer Menschen. Wissen Sie, was eine Thüringer Schall-Welle ist? Damit kann man die Reaktionszeit messen zwischen der Instrumentalisierung eines schwarzen Kandidaten und der Verleugnung vom Problem Rechtsextremismus und der Person Schall im Fall einer Attacke auf das zentrale Sinnesorgan der Demokratie, dem nicht verhandelbaren Grundsatz der Gleichwertigkeit aller Menschen. Hier war die Reaktionszeit rekordverdächtig, oder ist Ihnen aufgefallen, dass die CDU auch nur einen Zentimeter mehr als das minimal Notwendige getan hätte, sich deutlich gegen die Nazis im eigenen Land zu positionieren?
 
Die gute Nachricht ist: In Thüringen wird eine neue Regierung wenigstens irgendwie auf die NPD reagieren. Die schlechte: In Sachsen kann man nur auf Kontinuität in dieser Sache hoffen. Die gute Nachricht ist: Bei der Bundestagswahl hat die NPD keine Chance. Die schlechte: Wird eine neue Regierung verstehen, dass dies nur so bleibt, wenn wir hier noch konflikt- und handlungsfähiger werden, als es bisher der Fall war, und dass wir dafür Unterstützung brauchen? Gewiss, von Machtübernahme kann keine Rede sein, doch dieses beschämende Problem einer etablierten, wachsenden und radikalen Neonazibewegung zu ignorieren, bringt - wie alle Erfahrung zeigt - keine guten Nachrichten hervor. Nur schlechte.
 
Anetta Kahane

 

Jeweils zum Monatsanfang erscheint der Kommentar von Anetta Kahane im Newsletter der Amadeu Antonio Stiftung. Sie können ihn hier bestellen.
 
Foto: a+o GmbH (lizenz creative commons)

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