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"Es läuft einem kalt den Rücken runter"

Was tun gegen Neonazis in Sport-Arenen, auf der Straße, im Alltag und im Parlament? Der Deutschlandfunk hat dazu am 21.11. ein lesenswertes Interview mit Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo geführt (im Bild 2.v.r.).  Darin stellt der CDU-Politiker auch ein neues polizeiliches Hilfsmittel zur Überwachung und Gewalterfassung in Fußballstadien vor - den SensoCopter. Das Gespräch führte Elke Durak.

Durak: Herr Minister Buttolo, sind Hooligans, die in Stadien rechte Sprüche grölen, immer auch Rechtsextreme?

Buttolo: Das kann man so einfach nicht sagen. Wir haben natürlich auch unter den Hooligans tatsächlich der rechten Szene zuzuordnende, aber das rechte Spektrum ist ja deutlich breiter und macht uns eigentlich auch noch mehr Probleme als nur der Fußball.

Durak: Aber es ist schon irgendwie erschreckend, so etwas zu hören.

Buttolo: Es ist erschreckend, so etwas zu hören. Es läuft einem kalt den Rücken runter, und man will sich nicht vorstellen, dass man tatsächlich in Deutschland sich befindet. Man will oder kann sich gar nicht vorstellen, dass so etwas in Deutschland passieren kann. Wir sind natürlich in Sachsen auch jetzt [dabei], massiv dagegen etwas zu unternehmen. Ich hatte im vergangenen Frühjahr mich gerade mit Fußballveranstaltungen stark positioniert, dass wir eine bessere Beweislage schaffen wollen - das haben wir getan; wir haben mehr Technik angeschafft -, dass wir natürlich auch eine flankierende Öffentlichkeitsarbeit betreiben müssen und natürlich auch den Jugendlichen klar machen müssen, dass eine Strafverfolgung für sie droht, wenn sie sich dort weiter engagieren.

Durak: Wie groß sind denn die Probleme mit der Gewalt in Fußballstadien in Sachsen?

Buttolo: Die Probleme sind deshalb so groß, weil wir nicht nur in der ersten oder zweiten Liga davon ausgehen müssen, dass wir Krawalle haben, sondern es geht bis zur fünften Liga. Das ist natürlich äußerst problematisch, weil die vierte und fünfte Liga spielt ja dann häufig auch in Stadien, die einfach für derartige Sicherheitsvorkehrungen schwer zu nutzen sind. Das stellt uns vor gewaltige Probleme, aber zum Glück haben wir seit Oktober vergangenen Jahres nicht mehr so gewaltmäßige Ausschreitungen, wie wir sie im vergangenen Jahr hatten.

Durak: Ist das eine Folge Ihrer Maßnahmen?

Buttolo: Ich glaube schon, denn wir haben mit sehr viel Öffentlichkeitsarbeit auch von der Sportlerseite mit dem Fußballverband deutlich gemacht, das tolerieren wir nicht wieder. Wir sind mit hoher Polizeipräsenz bei den Spielen mit dabei. Und wir haben auch durch unsere Technik, unseren "SensoCopter" zum Beispiel auch gezeigt, dass wir alle technischen Mittel nutzen werden, um tatsächlich eine Strafverfolgung zu ermöglichen. Früher war es ja häufig so, dass der Randalierer schon vor dem Polizisten zu Hause ist.

Durak: Was ist das für ein Gerät?

Buttolo: Ein Helikopter. Das ist ein Minihubschrauber, ein "SensoCopter". Im Prinzip kann man sich das wie einen größer ausgefallenen Spielzeughubschrauber vorstellen. Der hat unten eine Kamera und kann über dem Fußballfeld ferngesteuert fliegen, sowohl Aufnahmen aufzeichnen als auch das aktuelle Bild auf einen Bildschirm in ein Lagezentrum geben, so dass tatsächlich das, was in der Vergangenheit immer schwierig war, dem einzelnen nachzuweisen, dass er etwas getan hat, dass das tatsächlich gelingt.

Durak: Damit, Herr Buttolo, verhindern Sie den Ausbruch der Gewalt im Fußballstadion und vielleicht auch danach, indem Sie die Menschen sich anschauen. Aber in die Köpfe zu schauen, das geht mit so einem kleinen Helikopter nicht. Was tun Sie, um diese Gewalt aus den Köpfen zu bringen?

Buttolo: Die Gewalt aus den Köpfen zu bringen, hier muss man differenzieren. Beim Fußball ist das noch relativ einfach. Dort geben wir wie alle anderen Länder der Bundesrepublik doch gemeinsam mit dem Bund, mit dem Sportbund und mit den Kommunen Geld für Präventionsarbeit ab. Dort kann man nicht erreichen, dass die jetzigen Gewaltausüber bekehrt werden, aber man kann erreichen, dass Jugendliche und Kinder erst gar nicht auf diesen Weg kommen.

Bei den Rechtsradikalen ist das schon ein größeres Problem. Hier brauchen wir eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit diesem rechten Gedankengut. Ich sitze in Sachsen einem Landespräventionsrat vor, den wir im Herbst diesen Jahres erstmalig aus der Taufe gehoben haben durch Kabinettsbeschluss, und wir möchten dort, dass sich wirklich gesellschaftliche Kräfte von Kirchen über Vereine, natürlich auch bis zu einzelnen Parteien, man sich gemeinsam auf der kommunalen Ebene, auf der Landesebene mit diesem rechten Gedankengut auseinandersetzt und versucht, etwas entgegenzusetzen.

Durak: Sie möchten die Zivilgesellschaft einbinden. Will denn die Zivilgesellschaft das auch?

Buttolo: Ich glaube schon. Wenn ich mir die Post, die ich als Innenminister in Sachsen erhalte, versuche, etwas auf breitere Basis zu stellen: Es sind viele, die Rechtsextremes einfach nicht wollen.

Durak: Aber wer will?

Buttolo: Wer will? - Das sind natürlich diejenigen, die verblendet ihrer Ideologie der Großväter oder ihrer Großväter anhängen, die einfach meinen, dass Deutschland zu eng sei für alle anderen, und die ihr Gedankengut versuchen, immer wieder zu transportieren, und natürlich nicht vor Gewalt zurückschrecken. Ich hatte im vergangenen Jahr eine so genannte Kameradschaft in der Nähe von Chemnitz, in Mittweida, verboten - das war die zweite Verbotsverfügung, die wir in Sachsen ausgesprochen haben -, weil junge Menschen, Rechtsradikale eine ganze Region tyrannisiert haben.

Durak: Das war der "Sturm 34"?

Buttolo: Das war der "Sturm 34", genau.

Durak: Das sind diese Einzelgruppen. Nun gibt es auch die rechtsextremen Parteien. Was halten Sie von dem Vorschlag aus Niedersachsen, nach dem gescheiterten NPD-Verbot nun rechtsextreme Parteien per Grundgesetzänderung die staatliche Finanzierung zu entziehen?

Buttolo: Das ist natürlich ein fantastischer Gedanke, die Rechtsradikalen von der Parteienfinanzierung auszuschließen. Wir werden das Gutachten in allen Ländern sehr intensiv auswerten lassen und natürlich auch überprüfen, kriegt man eine derartige Verfassungsänderung so sicher hin, dass sie auch vor einem Verfassungsgericht hält, denn es darf uns nicht eines passieren, dass man bei einem derartigen Antritt letztendlich wie beim damaligen NPD-Verbot mit einem Negativergebnis nach außen geht und auf diese Art und Weise die Rechten zum Märtyrer macht und sie letztendlich damit noch befördert. Das darf nicht passieren. Aber wir müssen in der Tat alles versuchen, sowohl Geldhahn zudrehen als auch konsequent mit polizeilichen Maßnahmen bei irgendwelchen illegalen Aufmärschen einzuschreiten. Wir müssen dieses Gewaltpotenzial, das rechte Gewaltpotenzial zurückdrängen. Es schadet nicht nur Sachsen; es schadet der gesamten Bundesrepublik.

Durak: Unterstützen Sie die Niedersachsen?

Buttolo: Ich halte die Idee für großartig. Wir müssen sehen, ob es sich umsetzen lässt. Natürlich werden wir noch mal darüber zu reden haben. Vom Grundsatz her halte ich das für einen sehr richtigen Ansatz zu überlegen, wie kriegt man den Geldhahn etwas zu.

Durak: Wie ist das, im Landtag neben NPD-Leuten zu sitzen?

Buttolo: Es war für uns alle eine schlimme Zeit, das erst mal lernen zu müssen, dass diese Gruppierung sich durch Entscheid einzelner Bürger im Landtag befindet. Die Reaktion unter den Abgeordneten war grundsätzlich Abkehr von diesen Leuten. Aber man muss natürlich deren Parolen, die sie dann nicht so formuliert wieder auf der Straße, aber vom Inhalt her genauso in ihren Landtagsreden bringen ..., das kostet schon gewaltige Überwindung, dort ruhig zu bleiben und dabei zu sitzen.

Der Originalartikel beim Deutschlandradio: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/879303/
Zum Thema: Gehdenken in Dresden ohne Kurt Biedenkopf?

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Foto: Polizei-Sachsen.de

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Sachsens Innenminister Dr. Albrecht Buttolo, Landespolizeipräsident Bernd Merbitz und der Präsident des Sächsischen Fußballverbandes Klaus Reichenbach in Dresden