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Nicht mehr auf der Tagesordnung

Was ist eigentlich aus den Vorhaben mehrerer Landesminister für Justiz geworden, die Strafen für rechte Gewalttäter zu erhöhen? Und wäre das überhaupt notwendig? Ein Denkanstoß aus dem neuen Rundbrief "Perspektiven" der Operberatungsstelle LOBBI in Mecklenburg-Vorpommern.

Viel öffentliche Beachtung fand der Plan der Justizministerinnen von Sachsen-Anhalt, Brandenburg und später auch von Amtskollegin Uta-Maria Kuder aus Mecklenburg-Vorpommern, die Strafen für rechte Gewalttäter zu verschärfen. Jetzt ist es still um das Vorhaben geworden.
Im Februar 2008 sollte der Bundesrat über die Drucksache 572/07 abstimmen. Doch dann verschwand der Antrag wieder von der Tagesordnung. Wann er weiter behandelt wird, konnte das Magdeburger Justizministerium auf Nachfrage auch Ende April noch nicht genau sagen. Die Gesetzesänderung sollte härtere Strafen zur Folge haben, wenn ein „Beweggrund der Tat die politische Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit,
Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder das äußere Erscheinungsbild, eine Behinderung oder die sexuelle Orientierung des Opfers ist“. Konkret sind kurze Freiheitsstrafen von unter sechs Monaten statt Geldstrafen und bei Freiheitsstrafen von über sechs Monaten regelmäßig der Verzicht auf die Aussetzung zur Bewährung geplant.

Wenig Erfolgsaussichten
Ob der Antrag überhaupt den Bundesrat passiert, ist ungewiss. Kritik gibt es aus Justiz,
Politik und Rechtsextremismus-Fachkreisen. Auch die LOBBI und andere Beratungsprojekte für Betroffene rechter Gewalt können dem Gesetzesentwurf wenig abgewinnen. Dabei finden sich in der Begründung der Strafverschärfung wichtige Argumente der OpferberaterInnen wieder. So wird die „besondere Dimension des verwirklichten Unrechts“ gewürdigt, weil die Taten nicht nur auf einzelne Individuen sondern ganze Gruppen abzielen. Auch die zwangsläufige „Sensibilisierung“ von Polizei
und Staatsanwaltschaften, die dann schon in den Ermittlungsverfahren mögliche Anzeichen rechter Motive von Gewalttaten festhalten müssten, wäre begrüßenswert. Aber der Abschreckungseffekt ist mehr als zweifelhaft, zumal die Gewalttäter sich vor allem durch Einstellungen aus der so genannten Mitte der Gesellschaft bestätigt fühlen. Und gerade hinsichtlich der rechten Szene ist die „heilsame“ Wirkung von Knast auf deren bereits straffällig gewordene Mitglieder gering. Zudem sind härtere Strafen, Parteien- oder Demonstrationsverbote Bestandteil einer ordnungspolitische Strategie gegen Rechts, die zurzeit gerade in Mecklenburg-Vorpommern ausgiebig verfolgt wird. Die Erfolgsaussichten dieser Maßnahmen sind nicht nur umstritten, sie beinhalten auch den Widerspruch, mit staatlicher Autorität etwas an autoritären Mentalitäten ändern zu wollen. Auch wenn jetzt nur auf die Neonazis abgezielt wird, sind „Law and Order“-Methoden eine gesamtgesellschaftliche Einschränkung, die die Idee einer liberalen, aktiven und emanzipierten Zivilgesellschaft konterkarieren.

Vorhandene Mittel nutzen
Nicht zuletzt haben Opfer rechter Gewalt gegenüber den LOBBI-BeraterInnen noch nie den Wunsch nach Gesetzesverschärfungen geäußert. Wenn ihnen das Urteil plausibel begründet wird, das erlittene Leid eine Würdigung findet und der Kontext der Tat thematisiert wird, halten die Betroffenen die Strafzumessung in der Regel für angemessen. Anders stellt sich die Situation dar, wenn zwischen Tat und Urteil bis zu drei Jahren liegen oder die rechten Motive des Täters völlig ausgeblendet werden. Dies führt meist zu einer positiveren Sozialprognose der Angeklagten sowie milderen Urteilen und empört die Opfer. Auf die Tagesordnung muss also die Ausschöpfung vorhandener Möglichkeiten und eine Auseinandersetzung in den Gerichtssälen über Wirkungszusammenhänge rechter Einstellungen und Strukturen bei derartigen Gewalttaten. Das unterstützt die Opfer und führt praktisch dann auch zu höheren Strafen für die Täter.

Mehr unter www.lobbi-mv.de
 
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Foto: Ministeriumspostaufkleber in Sachsen-Anhalt, von Schülern produziert / lf / hk

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Briefaufkleber aus Sachsen-Anhalt: Achtung Gefahrenstelle