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Die „revolutionäre Sprengkraft“ des Koran

Über den Islam und die extreme Rechte. Wenn in Deutschland große Moscheen gebaut werden, ist es schon fast zur Gewohnheit geworden, dass Neonazis dagegen demonstrieren. Da wird es einige Beobachter der rechten Szene verwundern, dass in der aktuellen Ausgabe der NPD-Parteizeitung der Koran als “ein politisches und ein gesellschaftliches Manifest von revolutionärer Sprengkraft“ gelobt wird. Dies wirft erneut die Frage auf, wie es um ein Bündnis zwischen Islamisten und deutschen Rechtsextremisten steht?
 

Von Jan Riebe

Diese Frage wurde insbesondere nach den Terroranschlägen vom 11. September 01 und zuletzt nach den misslungenen Kofferbombenanschlagen im Sommer 2006 auf Züge in Deutschland des öfteren diskutiert. Da die Zug-Attentäter aus dem Umfeld der islamistischen Hizb ut Tahrir gekommen sein sollen und der NPD-Vorsitzende Voigt mit den Rechtsextremisten Horst Mahler 2002 eine öffentliche Veranstaltung der Islamistenorganisation besucht hatte, wurde dies in Teilen der Presse als Beleg für ein Bündnis von Islamisten mit deutschen Rechtsextremisten gewertet. Jedoch sollte klar sein, dass es einer längerfristigen Beobachtung innerrechter Debatten bedarf, um einschätzen zu können, ob die extreme Rechte gewillt ist ein Bündnis mit Islamisten einzugehen, anstatt aus einem singulärem Ereignis oder einem Artikel solch weitreichende Schlüsse zu ziehen.

Das Thema Islam hat in den wichtigen Zeitungen der deutschen extremen Rechten seit den Terroranschlägen vom 11. September an Bedeutung  gewonnen. Die Betrachtung des Themas hat sich dabei grundlegend geändert.

Innerrechte Debatten

Seit 1951 ist die rechtsextreme Zeitschrift Nation & Europa (NE) ein solcher Ort, wo die extreme Rechte Debatten führt, an denen sich Richtungsentscheidungen ablesen lassen. Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes ist die NE nach wie vor „eines der wichtigsten meinungsbildenden Medien für die rechtsextremistische Szene“. Politisch ist die Zeitung seit je her im Etnopluralismus verhaftet, den der Herausgeber Peter Dehoust in einem Artikel folgender Maßen auf den Punkt brachte: „Arabien den Arabern (und dem Islam), Europa den Europäern und ganz Deutschland den Deutschen! Die Türken versammeln sich wieder in der Türkei“.

Die Positionen zum Islam haben sich in der Zeitung über die Jahre gehörige verändert. Anfänglich spielte der Islam in den Artikeln eine sehr untergeordnete Rolle, in den 80er Jahren wurde er außerhalb Europas meist als bester Schutz vor dem Kommunismus und dem Amerikanismus betrachtet. Nachdem Zusammenbruch des Ostblocks spielte in den 90er Jahren vor allem die Betrachtung des Islams bei der Einwanderung eine große Rolle. Ihm wurde meist das Existenzrecht in Europa abgesprochen und er fungierte als Sinnbild für die verhasste Einwanderung. Nach den Terroranschlägen des 11. September wird der politische Islam aber außerhalb Europas zunehmend positiv rezipiert, da nicht er, sondern der Amerikanismus der Gegner sei. In vielen Artikeln wird der Islamismus als Teil einer völkischen Antiglobalisierungsbewegung wahrgenommen und vereinnahmt ohne dessen Praktiken auch nur im Ansatz zu kritisieren. Im Gegenteil, der islamistische Terrorismus wird als einzige Möglichkeit wahrgenommen, wie man sich gegen den übermächtigen Gegner USA in Europa und den arabischen Ländern wehren kann. Ferner wird in Artikeln immer wieder positiv betont, dass der Islam unvereinbar sei mit dem Kapitalismus, da im Islam ein Zinsverbot herrsche. Verbunden mit der Hoffnung eines Sieges des Islam über den Amerikanismus ist, dass sich dadurch auch „das Problem“ der Masseneinwanderung lösen würde, da die Muslime dann zurück in ihre „natürlichen“ Heimatländer könnten, die derzeit Opfer des amerikanischen Imperialismus seien. So äußerte sich auch jüngst der NPD-Chef Voigt im Wahlkampf, als er sich für von Islamisten errichtete Kalifatstaaten in arabischen Ländern aussprach, denn „dann hätten Muslime keinen Grund mehr in Deutschland zu bleiben“. Diese Ansicht wird jedoch nicht von allen Autoren der rechten Medienlandschaft geteilt, immer wieder wird gewarnt, dass der Islam eine imperialistische Religion sei, die sich auch nach einem Sieg über Amerika nicht auf ihre „natürlichen“ Gebiete zurückziehen würden.

Von den Befürwortern des Islamismus in der deutschen extremen Rechte wurde immer wieder kritisiert, dass der Islamismus zersplittert sei und keinen Führer habe. Seit dem Amtsantritt des iranischen Staatspräsidenten Ahmedinischad wird dieser oftmals als Führer der islamischen Welt begrüßt und als Hoffnungsträger „der freien Welt“ gesehen. Gerade seine geschichtsrevisionistischen und antisemitischen Äußerungen sind auf breite Zustimmung unter Rechtsextremen gestoßen und haben laut Verfassungsschutz bei deutschen Neonazis zu einer teilweisen Durchbrechung ihrer islamfeindlichen Haltung geführt.

Islamisten als Gastautoren

Diese positive Rezeption des Islamismus findet sich in letzter Zeit auch sehr deutlich in der „Nationalzeitung“ vom DVU-Vorsitzenden Frey, der schon erwähnten NPD-Parteizeitung „Deutsche Stimme“ oder der neurechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“. So kommen in den Zeitungen des öfteren auch Islamisten durch Gastbeiträge oder Interviews zu Wort, wie Vertreter der Hizb ut Tahrir, Hamas oder der Hizb`Allah. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass dem Islam meist das Existenzrecht in Europa abgesprochen und er hier als „widernatürlich“ bekämpft wird. Aber selbst darauf ist nicht mehr Verlass. Im März 2001 war der österreichische Neonazi Robert Schwarzbauer noch recht isoliert, als er im Aufruf „Bordelle statt Moscheen?“ eine geplante NPD-Demonstration gegen ein Moscheebau in Bad Kreuznach vehement kritisierte. Er argumentierte, Moschee würden den entwurzelten muslimischen Einwanderer helfen zu den Geboten ihrer Religion zurückfinden anstatt im „herrschenden babylonischen Sittenverfall“ zu verkommen. Diese Verteidigung des Islam in Deutschland ist zwar bei weitem nicht mehrheitsfähig in der deutschen extremen Rechten, jedoch ist solch eine Position nicht mehr so exotisch wie vor dem 11/9. In dem schon erwähnten Artikel der April-Ausgabe der Deutsche Stimme wird nicht nur die „revolutionärer Sprengkraft“ des Koran gelobt, der Autor Hans-Georg Gjallerup kommt auch zum Schluss, dass der Islam „einen, wenn nicht sogar den alternativen Ansatz zur derzeit vorherrschenden kapitalistischen Ideologie“ bietet. Auch wenn, wie gesagt, diese eindeutige Positionierung pro Islam auch innerhalb Deutschlands eine Randerscheinung in der extremen Rechten darstellt, ist es schon bemerkenswert, dass diese Themen überhaupt in der Deutsche Stimme ernsthaft diskutiert werden.

Konsensfähiger ist da schon eher die Position des Vorsitzende der Hamburger NPD, Jürgen Rieger. Er führte zwar eine Demonstrationen gegen den Bau einer Moschee an, betonte aber gleichzeitig, dass man nicht gegen den Islam demonstriere. Rieger hat es sogar geschafft, seine Vorgängerin an der Spitze der Hamburger NPD mit dem Argument zu stürzen, sie sei antiislamisch und somit für die NPD untragbar, da man als Nationalisten „es sich nicht mit den Islamisten verscherzen“ dürfe. Dass der Islam auf diese Art in der NPD kampagnenfähig ist und eine Vorsitzende mit dieser pro-islamistischen Argumentation zum Rückzug gezwungen werden kann, zeigt, dass das Thema Zusammenarbeit mit Islamisten durchaus stark an Brisanz gewonnen hat.

Auch Vorbehalte gegen Zusammenarbeit

Dass eine Zusammenarbeit auch gerade bei Islamisten auf sehr große Vorbehalte trifft mussten im September 2006 Neonazis aus Dortmund erfahren. Sie hatten Islamisten zu ihrer antiisraelischen Demo eingeladen. Nachdem die Islamisten erfuhren wer die Organisatoren sind, nahmen sie ihre Unterstützung für die Demo zurück. So einfach ist es also nicht für Neonazis gemeinsame Sache mit Islamisten zu machen. Doch eine Allianz zwischen Islamisten und Rechtsextremisten muss nicht bedeuten, dass ein großer Teil der beiden politischen Lager gemeinsam agieren, sondern wahrscheinlicher ist eine Zusammenarbeit im kleinen Rahmen. Dass dies jedoch kein Grund zur Entwarnung ist, hat z.B. das Attentat auf die israelische Olympiamannschaft 1972 in München gezeigt. Die Terrororganisation „Schwarzer September“ hatte vor dem Attentat deutsche Neonazis als Helfershelfer in den eigenen Reihen. Auch nach Schändungen jüdischer Friedhofe, oder anderer jüdischer oder israelischer Einrichtungen stellt sich oft die Frage, ob die Täter einen rechtsextremen oder islamistischen Hintergrund haben. Dies lässt erahnen, was eine Zusammenarbeit auch auf kleinster Ebene für eine Gefahr darstellt.

Das Foto entstand am 16.4.05 in Essen, Motto der Demo war dementsprechend "Keine Waffen für Israel". Gezeigt werden die palästinensische Fahne und die umgedrehte US-Flagge, ein Zeichen in der Neonaziszene für erklärten Antiamerikanismus (Quelle: inymedia).

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de

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16.4.05 in Essen, Motto der Demo war dementsprechend "Keine Waffen für Israel. Quelle: indymedia