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Mitglieder einer mutmaßlichen Bürgerwehr haben einen Geflüchteten gewaltsam aus einem Supermarkt abgeführt. Bei dem Mann handelt es sich laut Polizei um einen 21-jährigen Asylsuchenden aus dem Irak, der sich zurzeit im Arnsdorfer Fachkrankenhaus in psychiatrischer Behandlung befindet. Er soll an jenem Tag bereits mehrfach im Supermarkt erschienen sein, weil eine dort gekaufte SIM-Karte für sein Handy nicht funktionierte. Ein Video zeigt, wie eine Angestellte des Supermarkts und ein weiterer Mann den 21-Jährigen auffordern, zwei Weinflaschen, die er in der Hand hält, abzustellen. Offensichtlicht gibt es Verständigungsprobleme. Spätere getroffene Zeugenaussagen des Verkaufspersonals sollen laut Polizei ergeben haben, dass die Filialleiterin festgestellt hatte, dass das Guthaben der Telefonkarte bereits aufgebraucht worden war. Der 21-Jährige soll demnach in Rage geraten sein, eine Flasche Wein aus einem Regal genommen und damit die Filialleiterin sowie eine Mitarbeiterin bedroht haben. Dies ist in dem Video nicht zu sehen.
Ein weiterer Zeuge verständigte daraufhin die Polizei. Bevor diese eintraf, kamen drei Männer in den Supermarkt, darunter der örtliche CDU-Gemeinderat. Die Männer sind offenbar um Mitglieder einer selbsternannten Bürgerwehr. Das Video zeigt, wie sie den 21-Jährigen ergreifen und gewaltsam aus dem Supermarkt schaffen. Der Betroffene wehrt sich und wird mehrfach geschlagen, mutmaßlich auch ins Gesicht. Bei Eintreffen einer Polizeistreife fanden die Beamten den 21-Jährigen mit Kabelbindern gefesselt an einem Baum auf dem Parkplatz des Supermarktes vor. Der CDU-Politiker sagte gegenüber ZEIT online, es handele sich nicht um eine Bürgerwehr. Im Gemeinderat war der Vorfall bereits Thema. "Wir haben Zivilcourage gezeigt", hatte der CDU-Politiker dort gesagt. Er selbst habe die Polizei informiert. Allerdings habe er gegenüber der Polizei angegeben, dass es sich um Ladendiebstahl handele, heißt es im Polizeibericht.
Arnsdorfs Bürgermeisterin (SPD) glaubt nicht, dass die Männer, die in dem Video zu sehen sind, zufällig in dem Supermarkt auftauchten. Neben dem CDU-Gemeinderat habe sie in dem Video zwei Personen identifizieren können, sagte sie ZEIT online. Die beiden seien mehrfach lautstark und massiv als Asyl-Gegner bei Versammlungen und öffentlichen Gemeinderatssitzungen aufgefallen, bei denen es um eine mögliche Asylunterkunft in dem Ort ging. Dass sich in Arnsdorf eine Bürgerwehr gegründet hätte, ist der Bürgermeistern nicht bekannt. Jedoch hat eine Facebook-Seite nach dem Vorfall im Supermarkt damit gedroht, künftig "das Recht in die Hand" zu nehmen. Der Görlitzer Polizeipräsident Conny Stiehl sagte laut Freie Presse zu dem Vorfall: "Durch die Erregtheit des Asylbewerbers war das Festhalten sinnvoll, ich tu mich schwer zu sagen, notwendig."
Die Polizei ermittelt gegen beide Seiten: Gegen den 21-jährigen Asylsuchenden wegen des Verdachts der Bedrohung, gegen drei Männer der Bürgerwehr wegen Freiheitsberaubung.