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Das Karussell dreht sich in die nächste Runde des Verbotsverfahrens der Partei NPD. Inzwischen ist die Nachricht nicht mehr so furchtbar wichtig. Viel mehr gehört das Verfahren und die Spekulationen zu vergangenen Zeiten. Wir haben heute andere Sorgen als die NPD. Die Realität hat die aufgeplusterte Diskussion von damals über das Verbot längst überholt.
Ein Kommentar von Anetta Kahane
Was soll das höchste Gericht denn verbieten? Einstellungen wie die in der NPD propagierten finden sich längst unverhohlen in der sogenannten Mitte der Gesellschaft. Deswegen drängt sich die Frage auf, ob es sinnvoll ist, die NPD angesichts eines Mainstreams, der sich davon nicht sehr unterscheidet, zu verbieten? Nun, es kommt auf das Motiv an. Wenn der Rechtsstaat zeigen will, dass er das Gesetz durchsetzt, ist es – wie man sagt – legitim, die NPD zu verbieten. Manche sagen sogar, dass sie verboten werden muss, wenn sie verfassungswidrig ist. Diese juristischen Motive kann man gut nachvollziehen. Gesetz ist Gesetz. Es gilt einfach. Der Versuch damit zu argumentieren, dass Gesetze ja nicht immer und überall so durchgesetzt werden, bringt uns nicht weiter. Gesetze sind Recht und Normen zugleich. Eine Normverletzung oder ein Gesetzesverstoß anderswo mag ungerecht oder gar unethisch sein, sie sollten dennoch niemals als Entschuldigung gelten, es in einem konkreten Fall ebenso zu handhaben. Also gut: verbieten, wenn es juristisch sein muss und rechtlich begründet werden kann.
Doch das Motiv, die NPD zu verbieten, war mehrheitlich nicht juristisch. Es war politisch. Es war moralisch und es war menschlich. Und damit einer Demokratie eigentlich nicht würdig. Parteien hatten das Verbot auf ihre Agenda geschrieben, weil sie ihre politische Institution nicht beschmutzt sehen wollten. Die Begriffe Partei und Demokratie sind praktisch eins, so dachten sie. Das stimmt aber nicht. Wir sehen das überall in Europa. Parteien und deren Programme können durchaus gegen Wort und Geist der Verfassung verstoßen, denn wenn man das Grundgesetz ernst nimmt, ist die unbedingte Gleichwertigkeit aller Menschen seine Basis. Dann wäre aber jede Partei, die hierbei Unterschiede macht gegen die Verfassung. Oh je, das würde bedeuten, dass nicht nur der Rassismus, der in allen Parteien vorkommt gegen die Verfassung wäre, sondern staatliches Handeln ebenso. Wir müssen also aushalten, dass es Parteien gibt, die diesen Grundsatz mehr oder weniger infrage stellen. Alle Parteien haben daran zu arbeiten. Dass eine NPD existiert, ändert daran nichts. Wenn die Parteien die Gefahr nicht ertragen, dass sich in ihren eigenen Reihen ähnliche Haltungen tummeln, dann stimmt etwas mit der Atmosphäre in der Partei nicht. Dafür kann man nicht die NPD verantwortlich machen.
Das moralische Motiv ist auch nicht viel besser: das Verbot als Versuch einer moralischen Hygiene. Meinungen zu verbieten geht nicht in einer Demokratie, und wenn, dann ausschließlich als Notwehr. Ein Parteiverbot ist auf europäischer Ebene nur zulässig, wenn die Gefahr einer Machtübernahme besteht. Das aber ist bei der NPD nicht der Fall. Moralisch davon überzeugt zu sein, dass die NPD der letzte Dreck ist, bedeutet eine Grundlage für eine Auseinandersetzung zu haben und nicht für ein Verbot. Vieles, was in Deutschland Debatte genannt wurde, bevor die Stimmung so hysterisch wurde, wie sie gerade ist, bestand eher in lauem Geplänkel. Zur Sache geht es jetzt. Darauf sind viele nicht vorbereitet und so eine Art Streit bis zur Substanz auch nicht gewohnt. Deshalb heißt es: rasch lernen. Statt die NPD zu verbieten. Dadurch verschwinden weder Pegida noch AfD oder andere rechte Parteien. Geschweige denn die Freien Kameradschaften. Und schließlich: Der Mensch setzt sich freiwillig ungern Strapazen aus, deswegen scheint ein Verbot der NPD allemal leichter als der ganze Stress mit dem andauernden Widersprechen, den Demos, der Aufklärerei.
Motive sind jetzt ohnehin verbraucht. Denn was soll dann mit AfD & Co werden? Nach der Logik dieser Motive müssten sie auch verboten werden. Sie sind aber nicht so groß geworden, weil die NPD nicht verboten wurde und weil die GEGEN die Verfassung ist. Sondern weil zu wenig FÜR den Sinn und Geist des Grundgesetzes getan wurde. Das ist der ultimative Grund, sich für demokratische Kultur einzusetzen, wie sich in der aktuellen Situation zwischen schutzsuchenden Flüchtlingen und brennenden Unterkünften hart und klar zeigt. Es gibt keinen besseren.