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Am letzten Samstag fand in Gera das Neonazi-Festival „Rock für Deutschland“ statt. Viele der Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten kamen von außerhalb. Eine Reportage aus einer Stadt, die ihr Problem noch nicht wirklich erkannt hat.
„Die Gegenproteste waren in Teilen ein Erfolg“, so formuliert es Hannes Roth aus dem Vorbereitungskreis gegen das „Rock für Deutschland“. Der Teilerfolg lag hierbei vor allem in der Sensibilisierung. „Das Neonazi-Fest wurde das erste Mal als Problem wahrgenommen“, erklärt Roth gegenüber MUT. In den lokalen Medien wurde im Voraus breit darüber berichtet. Verhindert wurde es aber nicht, behindert nach Angaben der Organisatorinnen und Organisatoren der Gegenveranstaltungen schon. Das Hasskonzert für die rund 1000 angereisten Neonazis konnte jedoch pünktlich beginnen. „Es war deprimierend zu sehen, wie wenig Geraerinnen und Geraer an den Blockaden gegen das Nazifest beteiligt waren“, meint eine Teilnehmerin der Protestaktionen aus Jena. Nach offiziellen Angaben nahmen ca. 1000 Menschen an den Gegenprotesten teil, von dem ein großer Teil aus anderen Städten wie Jena, Weimar, Dresden oder Berlin anreiste.
Uniformierte und Hitlergrüße
Die Teilnehmerzahlen vom letzten Jahr konnte das „Rock für Deutschland“ dieses Jahr nicht wiederholen. Ein Grund für die Mobilisierung in 2009 war der Auftritt von Michael „Lunikoff“ Regner, ehemaliger Sänger der verbotenen Rechtsrock-Band „Landser“. Aber auch die Hitze, das Fußballspiel der deutschen Nationalmannschaft und ein Konzert der unter Neonazis beliebten Band „Kategorie C“ in Leipzig können Einflussfaktoren für weniger Publikum gewesen sein.
In der Kritik von Seiten des Vorbereitungskreises der Protestveranstaltung stehen auch Ordnungsamt und das Verwaltungsgericht Gera. Die Demonstration am Vorabend mit 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durfte nicht wie angemeldet auf der Spielwiese enden. „Es wurde ein Bedrohungsszenario konstruiert, was es so nicht gab“, meint Hannes Roth. Im Twitter-Account des „Freien Netz Jena“ feierte man die Entscheidung. Mehrere Neonazis zeigten auf dem Weg zum Veranstaltungsort im Beisein der Polizei Hitlergrüße. Auf das Gelände gelangten auch uniformierte Gruppen wie beispielsweise der „Freien Kameradschaft Sonneberg“, obwohl dieses im Auflagenbescheid untersagt worden war.
Perspektiven für die Zukunft
Nach Meinung von Hannes Roth muss für nächstes Jahr die Zusammenarbeit der verschiedenen Bündnisse kontinuierlich ausgebaut werden. Hierzu sollen auch die Veranstalter der verschiedenen Kundgebungspunkte mehr in die Verantwortung geholt werden. Das Konzept des zivilen Ungehorsams soll mehr in die Öffentlichkeit getragen werden. Dafür müsse es in der Vorbereitung wieder Blockadetrainings geben. „Wir dürfen uns auf keinen Fall entmutigen lassen. Im Vergleich zum Jahr 2009 ist viel passiert“, resümiert er. Das Aktionsbündnis „Gera gegen Rechts“ hatte sich nach den raren Protesten gegen das „Rock für Deutschland“ im letzten Jahr gegründet. Auch die Kirche konnte mehrere hundert Menschen zu einem Friedensgebet in die Trinitatiskirche bewegen. Im Dezember diesen Jahres soll mit den ersten Vorbereitungen für das nächste Jahr begonnen werden.
Die Mobilisierung der Bürgerinnen und Bürger aus Gera wird dabei im Vordergrund stehen. „Es ist erschreckend, wenn für viele Menschen aus Gera die einzigen Probleme an diesem Tag der Wegfall der Straßenbahn oder die gestörte Ruhe im Lidl-Markt waren“, so die Gegendemonstrantin aus Jena. Gera gilt als eine der Hochburgen neonazistischer Aktivitäten in Thüringen. Im letzten Jahr war die Stadt nach Angaben des „Thüringer Hilfsdienst für Opfer rechtsextremer Gewalt“ (THO) ein Schwerpunkt rechter Gewalt. Auch in diesem Jahr gab es, gerade im Zusammenhang mit dem „Rock für Deutschland“, mehrere Angriffe unter anderem auf die lokale Opferberatung, das Rathaus und das Wahlkreisbüro des Landtagsabgeordneten Wolfgang Lemb (SPD).
Von Franz Zobel
Foto: Jugendliche Neonazis bei Rock für Deutschland 2010