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Die NPD wollte die Freiwillige Feuerwehr einer Kleinstadt in Thüringen unterwandern - und so in die Mitte der Gesellschaft vorstoßen. Doch Bürgermeister und Vereinschef wendeten die Attacke mit einem juristischen Trick ab. Ein Lehrstück, wie man sich mit kluger Taktik gegen Rechtsextreme wehren kann. Ein Gastbeitrag.
Von Olaf Sundermeyer
Das Leben auf dem Land funktioniert manchmal nach ganz einfachen Regeln. Das weiß auch die rechtsextreme NPD, die versucht, mit ebenso einfachen Methoden in die Mitte der Gesellschaft einzusickern. "Wir schicken unsere Leute in die Freiwilligen Feuerwehren, um dort die Arbeit zu machen, die Feuerwehren machen", sagt der NPD-Landesvorsitzende für Thüringen, Frank Schwerdt, "aber möglicherweise sind das auch gesellschaftliche Zusammenschlüsse, bei denen man sich nicht nur über die Feuerwehr unterhält." Sondern auch über Politik. Deshalb arbeiten Funktionäre wie Schwerdt längst daran, Freiwilligen Feuerwehren auf dem Land zu unterwandern.
Mit rührigen NPD-Mitgliedern wie dem jungen Tommy F. aus Schleusingen im Thüringer Wald. Kaum hatte sich dort vor ein paar Jahren der NPD-Kreisverband gegründet, wollte F. in den Sportverein seiner Heimatstadt eintreten, und schließlich in die Freiwillige Feuerwehr - um sich bekannt zu machen für das anstehende Superwahljahr. Thüringen, das Bundesland in der Mitte Deutschlands, ist besonders hart umkämpft. Die NPD will hier - nach Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern - unbedingt in einen dritten Landtag einziehen. Die Chancen stehen gar nicht schlecht. Auch weil Leute wie F. über Jahre im sogenannten "vorpolitischen Raum" agitiert haben und häufig die Alltagskultur prägen.
Bei manchen Feuerwehren auf dem Land kommt das völkische Getue der Neonazis offenbar gut an: Wie etwa im brandenburgischen Groß Gaglow, wo im vergangenen Jahr Fotos von Feuerwehrmännern auftauchten, die bei einer Übung blaue Hemden trugen, mit der Aufschrift "Flink wie Windhunde, zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl". Ein Zitat Adolf Hitlers, mit dem er sein Idealbild der deutschen Jugend beschrieb. Solche Hemden hätten Tommy F. und seiner Clique wohl auch gefallen. Sein Kumpel Alex posierte halbnackt vor einer Hakenkreuzfahne an der Kinderzimmerwand für ein Foto, "weil das für mich ein starkes Symbol für Deutschland ist". Ein Mädchen trägt zwei Fingerringe mit Hakenkreuz, bei einem Grillabend grüßt man sich schon mal mit dem gestreckten rechten Arm. Frenck selbst hat sich eine Reichskriegsfahne ins Wohnzimmerfenster gehängt - als Gardine.
Solche Leute also schickt die NPD in die Feuerwehr. Aber die hatte in Schleusingen keine Lust auf Neonazis, denn die sorgten hier lange Zeit für Ärger. Linke Jugendliche wurden körperlich drangsaliert. F. selbst wurde wegen gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen, weil er einem Kubaner eine volle Bierflasche auf den Kopf schlug. Im Asia-Shop und im Dönerladen flogen Steine durch die Fensterscheiben, mehrfach wurde der Gedenkstein für die ehemalige Synagoge geschändet, ausländische Touristen wurden angepöbelt - von der Bande in Bomberjacken, die damals den Marktplatz beherrschte.
Schließlich erklärte F. Schleusingen zur Frontstadt, unterstützt von Neonazis aus ganz Thüringen, die nach und nach in die NPD eingetreten sind. Inzwischen gilt der Landesverband als besonders jung und radikal, gespickt mit verurteilten Gewalttätern und Leuten, die sich selbst als Nationalsozialisten bezeichnen. Gemeinsam wollten sie Schleusingen zum Kampfplatz ihrer Ideologie umkrempeln. Bei einem Fackelmarsch zum Rathaus kündigte F. sogar an, die Stadt zu übernehmen. "Eines Tages wird auch in Schleusingen ein NPD-Bürgermeister regieren." Unterdessen erhielt der tatsächliche Bürgermeister, Klaus Brodführer (CDU), Morddrohungen, im Rathaus traf eine Bombendrohung ein.
"Das war wie eine Filmszene aus dem 'Dritten Reich', beängstigend, erdrückend", erinnert sich Brodführer, "da war allen klar: Hier wird nicht mehr gespaßt, hier wird es ernst." Lange Zeit hatte Brodführer zu denen gehört, die das Problem mit den Rechten nicht wahrhaben wollten. So wie viele seiner Kollegen in der anfälligen Provinz. "Aber ich habe dazugelernt".
Die Stadt fühlte sich ohnmächtig; Brodführer versuchte, Aufmärsche und Infostände der NPD zu verbieten - ohne Erfolg, die Partei klagte ihre Rechte ein. Zur selben Zeit stellte F. seinen Antrag um Aufnahme bei der Freiwilligen Feuerwehr, wo die Anfrage des stadtbekannten rechten Schlägers überraschte. Sein Wunsch wurde ihm nicht erfüllt; Wehrführer Jürgen Grobeis lehnte ihn ab. Denn er benahm sich nicht wie einer, dem das Gemeinwohl am Herzen liegt.
Nachdem auch Klaus Brodführer als Dienstherr der Feuerwehr der Empfehlung des Wehrführers folgte, widersprach F. beim Landratsamt. Mit Erfolg. Jeder, der die körperlichen Voraussetzungen erfüllt, darf gemäß Feuerwehrgesetz mitmachen. Wieder eine Niederlage für die Demokraten in der Auseinandersetzung mit dem Neonazi. Brodführer suchte also Rat - bei seinem Sohn. Der büffelte damals in Jena für das juristische Staatsexamen, und fand eine Lösung, die am Ende funktionierte: Wehrführer Grobeis teilte seinem Dienstherrn schriftlich mit, dass er nach 30 Jahren Mitgliedschaft in der Schleusinger Feuerwehr aus derselben austreten werde, sofern Tommy F. eintritt. "Sollte es zu einer Aufnahme des Herrn F in die Freiwillige Feuerwehr Schleusingen kommen, werden die Kameraden ihre Tätigkeit niederlegen und aus der Feuerwehr austreten." Anlage: eine handschriftliche Notiz mit 43 Unterschriften von Schleusinger Feuerwehrleuten: "Ich schließe mich der Auffassung des Kameraden Jürgen Grobeis mit allen Konsequenzen an und werde bei einem positiven Bescheid über den Eintritt des Herrn F. in die Feuerwehr Schleusingen ebenfalls meinen Austritt aus der Fw Schleusingen erklären." Ein anderer Feuerwehrmann begründete seinen Entschluss so: "Ich kann nicht zum Verkehrsunfall kommen, und da ist ein Farbiger im Auto eingeklemmt, und ich habe dann so einen dabei. Darauf kann ich mich nicht verlassen!"
F's erneuter Widerspruch gegen den Bescheid der Stadt wurde vom Amt für Kommunalaufsicht schließlich zurückgewiesen. "In der konkreten Situation war dem Bürgermeister nicht zuzumuten, im Interesse einer einzelnen Person die Arbeitsfähigkeit der gesamten Freiwilligen Feuerwehr Schleusingen zu gefährden. Ihr Widerspruch war daher als unbegründet zurückzuweisen."
Die Feuerwehr ist immer stolz darauf, dass ihre Kameradschaft über den Neonazi gesiegt hat. "Wenn die merken, dass eine Truppe zusammensteht, sind die ganz schnell verschwunden, wie der Herr F.", heißt es bei der Feuerwehr. Tommy F. ist nach der Abfuhr umgezogen, in eine Stadt, die nun ihrerseits darüber nachdenkt, wie sie mit dem Neonazi fertig wird.
Aus: Christoph Ruf/Olaf Sundermeyer: "In der NPD - Reisen in die National Befreite Zone" Beck'sche Reihe, 2009, 229 Seiten, 12,95 Euro. Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Beck-Verlags. Fotos auf spiegel.de. Mehr zum Buch: in-der-npd.de
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Was tun, wenn's bei der Feuerwehr brennt (MUT, 18.5.2008)
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www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/ Foto:hk