Das Portal
für Engagement
Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Am 4. März 2011 wählte „Pro Deutschland“ in der Mitgliederversammlung in Berlin Patrick Brinkmann zu ihrem Landesvorsitzenden. Der Rechtspopulismus rüstet sich für den Wahlkampf in Berlin. Was zeigte der Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen 2010? Gibt es Konsequenzen für Berlin?
Von Nora Winter
Der Wahlkampf zur Landtagswahl 2010 von „Pro NRW“ und auch der NPD hat ihnen in Nordrhein-Westfalen nicht die gewünschten Erfolge beschert, die sie erhofft haben. Insbesondere „Pro NRW“ ist es nicht gelungen, sich glaubhaft als Bürgerbewegung darzustellen. Beide Parteien haben es verpasst, die bestehenden rassistischen Ressentiments für einen flächendeckenden Wahlerfolg zu nutzen. Trotzdem war besonders „Pro NRW“ in Ballungsgebieten sehr erfolgreich.
Der Wahlkampf von NPD und Pro NRW
NPD und „Pro NRW“ warteten mit klassischen Wahlkampfmitteln auf, versuchten aber auch mit kleinen Besonderheiten auf Stimmenfang zu gehen. Wahlplakaten, TV- und Radiospots versuchte die NPD gezielt Erstwählerinnen und –wähler zu erreichen. In einem Anschreiben richtete sich die Jugendorganisation JN an Schülervertretungen und versuchte mit Slogans gegen „Bonzenparteien“ und die „schleichende Islamisierung“ zu punkten. Glücklicherweise reagierten verschiedene Institutionen schnell auf das Anschreiben und gaben den Schulen Handlungsempfehlungen. Außerdem stellte die NPD einen „Schüler-Stick“ her, der die bekannten Inhalte der „Schulhof-CD“ und Wahlkampfmaterialien enthielt. Zusätzlich reiste die NPD mit einem „Flaggschiff“, ein zum mobilen Wahlstand umgebauten Wohnmobil, durch das Bundesland. Auch ein den russischen Spätaussiedlerinnen und –aussiedlern versuchte die NPD zu punkten. Bereits 2008 gründete sie einen Arbeitskreis „Russlanddeutsche“.
„Pro NRW“ hielt sich im Wahlkampf an die bekannten Themen und war inhaltlich sehr eindimensional aufgestellt. Größtenteils prägten ihre Plakate und die Wahlkampfzeitung pauschale Hetze gegen den Islam und Forderungen nach einer „Law-and-Order“-Politik. „Pro NRW“ ging auf keinerlei spezifische NRW-Themen ein, sondern blieb bei den bekannten Kernthemen. Außerdem orientierte sich die selbsternannte Bürgerwegung an Öchsterreich: Unter dem Titel „Abendland in Christenhand“ nutzen sie den ursprünglich von der öchsterreichischen FPÖ verwendeten Begriff, um verschiedene Wahlkampfaktionen zusammenzufassen. Der belgische Vlaams Belang stellte „Pro NRW“ einen Bus zur Verfügung, der die Aufschrift „Kreuzzug für das Abendland“ trug.
Gegen die allgemeine Annahme verbündeten sich „Pro NRW“ und NPD nicht im Wahlkampf, sondern fischten im gleichen Wasser und machten sich Konkurrenz. Am 28. März 2010 in Duisburg als auch am 1. Mai in Solingen meldete die NPD zusätzlich zu den von „Pro NRW“ angemeldeten Demonstrationen eigene an. Beide Aktionen waren gering besucht und von vielen Gegendemonstrierenden umgeben. Auch in Berlin haben die Rechtspopulisten bisher massive Proteste erlebt. So wurde auch ihre Mitgliederversammlung am 4. März, auf der „Pro Deutschland“ Patrick Brinkmann zum Landesvorsitzenden wählte von Protesten begleitet.
Die Ergebnisse
Insgesamt erhielt die NPD 0,7 und Pro NRW 1, 4 Prozent der Stimmen. Damit konnte „Pro NRW“ die Hürde zur Wahlkampfkostenerstattung nehmen. Landesweit haben 186.193 Wählerinnen und Wähler für NPD, „Pro NRW“ und REP gestimmt. Gerade bei jüngeren Wählerinnen und Wählern ist der Anteil der drei Parteien recht hoch. Auffallend ist, dass die Rechtsparteien zusammen genommen in Ballungsgebieten die Fünf-Prozent-Hürde fast erreichten bzw. überschreiten konnten. In Duisburg erhielten sie in einem Wahlkreis sogar 6,1 Prozent, in Gelsenkirchen II 5, 6 oder in Leverkusen, wo pro NRW drei Sitze im Stadtrat hat, 4,5 Prozent. Die Städte, in denen ein Potenzial bei etwa fünf Prozent liegt, haben gemeinsam, dass soziale Umstände wie Arbeitslosenzahlen hoch und durchschnittliches Haushaltseinkommen niedrig sind. Außerdem können die Parteien hier auf eine stabil organisierte Struktur zurückgreifen, die sie in der Fläche nicht besitzen. In ländlichen Regionen konnten sie kaum Wahlkampf führen und treffen auf wirtschaftlich besser gestellte Gemeinden, in denen andere Formen des Zusammenlebens wirken als in Städten. In ihrer „Hochburg“ Köln musste die Bürgerbewegung „Pro NRW“ im Vergleicht zu den Ergebnissen von Pro Köln in der Kommunalwahl 2009 ziemlich herbe Verluste einstecken. Die Ursachen dafür sind nicht vollständig klar. Eine plausible Möglichkeit ist aber, dass „Pro Köln“ im Wahlkampf mit lokalen Themen wie dem Bau der Moschee punkten konnte – landestweit konnte „Pro NRW“ solche Themen nicht besetzen.
Was lässt sich für Berlin lernen?
Die Misserfolge von NPD und „Pro NRW“ sind wahrscheinlich auf mangelnde Organisationstrukturen in der Fläche zurückzuführen. Außerdem hatten die beiden Parteien untereinander massive Konflikte. Konflikte haben sie auch in Berlin. Der Webseite von „Pro Berlin“ ist zu entnehmen, dass die NPD eine „geheimdienstlich gesteuerte, obrigkeitlich erwünschte, weil abschreckend wirkende Pseudo-Opposition“ sei. Man müsse sich „inhaltlich konsequent von Rechtsextremisten abgrenzen“ und dürfen keine „Kontakte ins NPD-Milieu unterhalten“, schreibt Manfred Rouhs, Bundesvorsitzender von „Pro Deutschland“. Aber in der Hauptstadt fischen sie auch nicht im selben Milieu. „Die NPD Berlin hat nie einen Wahlkampf gemacht, der sich besonders durch Bürgernähe auszeichnet“, so Ulli Jentsch vom Rechercheteam „Berlin rechtsaußen“ (http://www.blog.schattenbericht.de/). „Sicherlich gibt es thematische Überschneidungen, aber die NPD spricht Menschen mit einem geschlossen rechtsextremen Weltbild an. Da machen sich eher ‚Pro Deutschland‘ und ‚Die Freiheit‘ Konkurrenz.“ Nach Recherchen von „Berlin rechtsaußen“ soll „Pro Deutschland“ über mehr als 200 Mitglieder in der Hauptstadt verfügen und auf einen passiven Unterstützerkreis in rund 3.000 Berliner Haushalten zählen können. „Die Mitgliederzahl hat sich innerhalb weniger Monate vervierfacht“, so Jentsch. „‚Pro Deutschland“ schafft es, durch Postkartenaktionen eine Masse an Personal vorzutäuschen, welches es so zwar nicht gibt, aber immerhin sind rund 50 Personen mehr oder weniger aktiv derzeit am Wahlkampf oder dem Aufbau bezirklicher Strukturen beteiligt“, sagt Jentsch. In Berlin wird es wohl einen klassischen Straßenwahlkampf mit vielen Personen und viel Material geben. „Wie in NRW ist auch ein Wahlkampf-Bus geplant. Die Klientel wird damit auch tatsächlich angesprochen.“ Das zeige vor allem auch die sprunghafte Unterstützerentwicklung. „Das Potential, in die eine oder andere BVV einzuziehen, ist sicher da.“, so Jentsch. Doch ihre monothematische Ausrichtung wird ihnen wohl auch in Berlin keine übermäßigen Ergebnisse bescheren.
Foto: von the_real_hal via Flickr, cc