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NPD will Chancen in Hamburg nutzen


Am 20. Februar 2011 finden in Hamburg nach der Auflösung der schwarz-grünen Koalition neue Bürgerschaftswahlen statt. Auch die NPD will die Chance nutzen und viele Stimmen einfangen. Akteure in diesem Unterfangen sind ein Holocaustleugner, Steinzeitlinke und ein Hamburger Bezirk. Vorhang auf!


Von Andreas Winter

Der Bezirk Harburg hat ein undankbares Image. Südlich der Elbe gelegen wird er von vielen Hamburgerinnen und Hamburgern nur als Anhang der Hansestadt angesehen, quasi eine Kleinstadt vor der Millionenstadt. Trotzdem wird ihm von einer Gruppe menschenfeindlicher Politiker anscheinend eine große Bedeutung zugemessen. Die Rede ist von der NPD-Fraktion Hamburg, die einen Großteil ihres Wahlkampfes auf den über 200.000 Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Bezirk ausrichten. Grund dafür ist, dass etwa 53.000 der dort lebenden Menschen einen Migrationshintergrund besitzen. Eigentlich nichts Neues, dass die NPD weiterhin vehement versucht durch die Konstruktion einer „fremden Einwanderungsmasse“ Ängste und Aggressionen gegenüber Menschen mit Migrationsgeschichte zu schüren. So soll Harburg am 29. Januar Schauplatz einer Kundgebung der Neonazis werden.

Die Ledermütze ist wieder da

„Mit kriminellen Ausländern kurzen Prozess machen“, der Slogan unter dem auch Postkarten im Bezirk verteilt wurden, versucht nicht einmal die menschenfeindliche Einstellung der Partei zu verbergen. Anmelder der Kundgebung ist Thomas “Steiner” Wulff. Aufsehen erregte der Neonazi unter anderem dadurch, dass er laut NDR den Holocaust bestritt und dafür 1995 wegen Volksverhetzung verurteilt wurde. Der Mitbegründer der „Freien Kräfte“, dessen Spitzname auf den SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Felix Steiner zurückgeht wurde am 11. November 2010 zum Vorsitzenden des NPD-Kreisverbandes Bergedorf gewählt. Es sei “im Zuge der Jahreshauptversammlung des Kreisverbandes Bergedorf zum erwarteten Führungswechsel” gekommen, schreibt die NPD. Laut Erwartungen des „Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus Hamburg“ auf netz-gegen-nazis.de wird vermutet, dass Thomas Wulff 2011 zum neuen Landesvorsitzenden aufgebaut werden soll. Gegen die Kundgebung wurde bereits breiter Protest angekündigt.

„Hamburger Sturm“ und Runenmeditation

Am 9. Januar wurden insgesamt 15 Kandidaten auf die Landesliste der NPD Hamburg gewählt. Angeführt wird sie durch den bekannten Neonazi Torben Klebe. Dieser ist nicht nur ehemaliger Anführer der verbotenen Kameradschaft „Hamburger Sturm“ und war Führungsperson des verbotenen Neonazi-Musiknetzwerkes „Blood & Honour“, sondern auch ehemaliger Besitzer des Neonazi-Ladens „East Coast Corner“ und regelmäßiger Teilnehmer an Neonazi-Aufmärschen. An zweiter Stelle folgt das ehemalige Schill-Parteimitglied Torben Klebe und auf Platz drei wurde Thorsten Schuster gewählt. Dieser fällt auf seinem Facebook-Profil durch das gewählte Pseudonym „Weisthor“ auf. Dies war der Spitzname, des österreichischen Okkultisten und SS-Brigadeführers Karl Maria Wiligut. Außerdem erfähren interessierte Userinnen und User auf seinem Profil, dass Thorsten Schuster gerne Runenmeditation betreibt oder sich zum Beispiel vor einer neuen Weltregierung fürchtet, die durch die Bilderberger-Konferenz geplant werden soll. Alles sehr aufschlussreich. Interessant ist auch, dass die NPD sich für Integration einsetzt. Auf der Website der Braunen wird verlautbart: „Die Aufstellung einiger weiterer Kandidaten aus den Reihen der ehemaligen Schill-Partei sowie der fusionierten DVU wurde von allen NPD-Delegierten mit großer Mehrheit unterstützt und gibt ein Beispiel für die Integrationskraft der NPD als der einzig großen nationalen Oppositionspartei.“

Laut der taz soll die NPD eine hohe Summe von einem Sympathisanten aus Spanien erhalten. Mehr als 100.000 Flugblätter und 7.000 Wahlpappen plant die Partei in der Stadt zu verteilen, sowie Radio- und Fernsehwerbung zu schalten. Möglicherweise könnte es sich bei dem Spender um den in Marbella lebenden Immobilienmillionär Rolf Hanno, der zu den Mitbegründern der Hamburger NPD gehört, handeln.

Die NPD und die Hamburger Linke

Nachdem die NPD im vergangenen Jahr durch Infostände, die größtenteils verboten wurden, versucht hatte Wählerstimmen zu gewinnen, scheint ein Taktikwechsel vorgenommen worden zu sein. Seit August letzten Jahres mühen sich die braunen Politiker an der Hamburger Linken ab. Neben den üblichen Hetzschriften auf die „linksextremistischen Gewalttäter“, der vermeintlich antideutschen Roten Flora oder die antifaschistischen Hausbesetzerinnen und -besetzer gab es auch drei Publikationen, welche die Querfrontler unter den Neonazis träumen ließen. Im ersten Text „Von innen umzingelt“ werden Norman Paech, Ulla Jelpke oder auch Norman Finkelstein als Diffamierungsopfer dargestellt. „Mutige Positionen“ gegen den „jüdischen Terrorstaat Israel“, sowie dem „Weltbrandstifter USA“, würden unterdrückt. Der zweite Text geht an das antiimperialistische Zentrum B5 auf St. Pauli. Die rückwärtsgewandten und antiemanzipatorischen Linken aus der Gruppe Sozialistische Linke (SOL) haben mit der Blockade des Claude Lanzmann-Films „Warum Israel“ ihre antiisraelische Denkweise und Nähe zu antisemitischen Positionen bewiesen. Dass die NPD um eine Zusammenarbeit wirbt, verwundert da nur noch wenig. Die Neonazis verweisen auf die „geistige Weiterentwicklung ehemaliger Linker“ wie Reinhold Oberlecher, Horst Mahler, und Bernd Rabehl.

Auch andere Wirrköpfe und Verschwörungstheoretiker, wie die Musiker von „Der Bandbreite“ werden von der fleißigen Hamburger NPD nicht ausgespart. Unter dem Titel „Die Bandbreite – Eine volkssozialistische Musikgruppe?“ schreiben die Rechten „Mit den Musiktiteln ‚Was ist los in diesem Land‘, ‚der Antideutsche‘ sowie einer Ballade im Zusammenhang mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 durchbricht die Musikgruppe das volksfeindliche, amerikanisierte, unsoziale und israelhörige Meinungsmonopol der bundesrepublikanischen Medien!“. Zumindest an Anknüpfungspunkten an antisemitische Ideologien mangelt es ihnen nicht.

Hamburg ist kein Ort für Neonazis

Durch den Deutschland-Pakt mit der DVU war die NPD 2008 nicht zur Bürgerschaftswahl angetreten, die DVU konnte damals 6.354 Stimmen und damit 0,8 Prozent erlangen. Durch die Fusion der beiden Parteien und die Aufnahme von Mitgliedern der Schill-Partei hat die NPD neue Unterstützerinnen und Unterstützer gewonnen, könnte aber auch einige Wählerinnen und Wähler verschreckt haben, die das nationalistische und neonazistische Profil der Partei verwässert sehen. Es bleibt abzuwarten, wie sich dies am 20. Februar auswirken wird. Trotzdem gilt: Hamburg ist kein Ort für Neonazis!

Foto: Thomas Wulff am 1. Mai 2010 in Berlin, Nora Winter
 

„Nichts erinnert an dieses Verbrechen“

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Thomas Wulff