Sie sind hier

Verleihung des Sächsischen Förderpreis für Demokratie

Heute wird in der Dresdener Frauenkirche der Sächsische Förderpreis für Demokratie verliehen. Damit werden Praxisbeispiele prämiert und innovative Ansätze unterstützt. MUT stellt die Nominierten vor.

Von Robert Fähmel

Schon seit Jahren versuchen neonazistische Gruppen gezielt, ihre Kräfte in Sachsen zu bündeln und prägen ein zunehmend antidemokratisches Klima. Über lange Zeit haben sich Strukturen etabliert, die es immer mühsamer machen, sich für die Werte der Demokratie, Weltoffenheit und die Anerkennung der Menschenrechte einzusetzen. Doch die Gesellschaft reagiert: In Sachsen gibt es zahlreiche Initiativen, die bereits fachlich fundierte Erfahrungen im Umgang mit Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung in jeglicher Form besitzen. Mit dem Sächsischen Förderpreis werden gute Praxisbeispiele prämiert und innovative Ansätze unterstützt und befördert. Für den diesjährigen Preis wurden 80 Bewerbungen eingereicht. Am Ende langer Diskussionen wurden 10 Projekte nominiert. MUT stellt die Nominierten im Folgenden vor:


AKuBiZ e.V., Pirna
Das Alternative Kultur- und Bildungszentrum, oder kurz: AKuBiZ hat sich zum Ziel gemacht, Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus zu betreiben. „Etwa zwanzig junge Menschen wollten damals helfen eine demokratische Kulturarbeit zu leisten und so rechte Alltagskultur und den anhaltenden Naziterror zurückzudrängen“, so Steffen Richter, der Vorsitzende des Vereins. Dieses Ziel verfolgt der Verein seitdem mit vielfältigen Aktionen wie Zeitzeugengesprächen, dem „Antirassistischen Fußball-Cup“ oder auch dem Comic „Jetzt reicht’s in Sachsnitz“.

Antidiskriminierungsbüro e.V., Leipzig
Oft richtet sich das Augenmerk auf die Bedrohung durch neonazistische Einstellungen und Gruppierungen, vernachlässigt jedoch das Problem des Alltagsrassismus, der gerade auch der „Mitte“ der Gesellschaft verbreitet ist. Seit nunmehr fünf Jahren stellt das Antidiskriminierungsbüro die erste und einzige Anlaufstelle in Ostdeutschland für Betroffene von Alltagsrassismus dar. „Diskriminierung ist kein Minderheitenproblem, sondern eines der Mehrheitsgesellschaft“, stellt Mitarbeiterin Iris Fischer-Bach treffend fest. „Dies müssen wir im Blick haben und von dieser Einsicht ausgehend auf die gesellschaftlichen Strukturen und die einzelnen Menschen einwirken.“

Augen auf e.V., Zittau/Löbau
Der Verein im Dreiländereck von Deutschland, Tschechien und Polen gründete sich mit dem Anspruch, durch Kultur- und Freizeitangebote Vorurteile abzubauen. Mit Konzertveranstaltungen, Fußballturnieren und Podiumsdiskussionen sorgt der Verein für eine interkulturelle Begegnung der besonderen Art. „Unser Ziel ist es, ein tolerantes und respektvolles Miteinander verschiedenster Kulturen hier im Dreiländereck zu schaffen, den Rassismus zu vertreiben und den Rechtsradikalismus zu verdrängen“, so Sven Kaseler von Augen auf e.V., „denn in der Vielfalt sehen wir eine Bereicherung und nicht Beliebigkeit oder gar Bedrohung.“

Bürger.Courage e.V., Dresden
Bürger.Courage arbeitet völlig ehrenamtlich als überparteiliche Bürgerinitiative für Demokratie, mit dem Ziel, vor allem auch die „bürgerliche Mitte“ zu sensibilisieren und zu mobilisieren. öffentlichkeitswirksamen Aktionen sollen die Dresdner Bürger immer wieder aufgerüttelt, erinnert und zum Nachdenken angeregt werden. Der Verein sucht immer wieder nach Einzelpersonen, städtischen Akteuren oder Unternehmen für Engagement für Demokratie und gegen Rechts.

Huflattich e.V., Venusberg/Chemnitz
Der Verein schafft interkulturelle Angebote für Kinder und Jugendliche und unterstützt rechte Jugendliche bei ihrem Ausstieg aus der Szene. Trotz erheblichen Widerstands aus der Neonazi-Szene steht der Huflattich e.V. seit Jahren Kindern und Jugendlichen offen, um ihnen auf spielerische Weise Gleichwertigkeit und Teilhabe zu vermitteln. „Nur auf diese Weise können wir sie auf Ihrem Entwicklungsweg begleiten und damit aktiv gegen rechtsextreme und rassistische Tendenzen arbeiten. Hierin liegt unsere Verantwortung für die Zukunft“, so Mitarbeiterin Daniela Bittner.

Initiative Zivilcourage Hoyerswerda
Hoyerswerda – seit September 1991 ist die Kleinstadt geradezu ein Synonym für Rassismus und Rechtsextremismus. „Das Stigma, mit dem die Bürgerinnen und Bürger von Hoyerswerda leben müssen, stärkt das Selbstbewusstsein der rechten Szene, die seit den Geschehnissen 1991 glaubt, in Hoyerswerda willkommen zu sein“, so Sabine Kopischke. Als Neonazis den Jahrestag der fremdenfeindliche Pogrome begingen, gründete sich ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis, um bürgerschaftliches Engagement aufzubauen. Seitdem haben sie zahlreiche Workshops, Ausstellungen, Theateraufführungen und Kulturfeste organisiert und für das Problem der Neonazi-Szene sensibilisiert.

InitiatorInnen des Riesaer Appells
In den letzten Jahren entwickelte sich Riesa immer mehr zu einem bedeutenden Netzwerkstandort von Neonazis der gesamten Bundesrepublik. „Es fehlten unter den verschiedenen Akteuren der Stadt und der Region ausgehandelte Strategien und Instrumente, mit dieser Situation umzugehen“ bestätigt Dirk Haubold. Mit dem Erstarken der Neonazis wuchs jedoch auch der Wunsch, diesen etwas entgegenzusetzen und ein breites Bündnis formierte sich. Schließlich verkündete man einen Appell, in dem sich die mitwirkenden Einrichtungen auf einen demokratischen Wertekonsens verpflichteten. Nun will das Bündnis mit verschiedenen Aktionen die Riesaer sensibilisieren und mobilisieren.

pax christi-Gruppe für Flüchtlingskontakte, Dresden
Die Helfer der Abschiebungshaft-Kontaktgruppe besuchen Abschiebungshäftlinge in der Justizvollzugsanstalt Dresden. „Wir helfen Menschen in außerordentlichen Notsituationen. Menschen die zur Sicherung ihrer Abschiebung gemeinsam mit Strafgefangenen in Haft sitzen“, beschreibt Mai die unhaltbare Situation Mit persönlichen Gesprächen im Gefängnis berät die Gruppe, vermittelt wichtige Kontakte, hilft diesen Menschen in ihrer sozialen Isolation und steht ihnen menschlich bei. Sie setzt sich für die Wahrung der Menschenrechte und den Schutz von Minderheiten ein.

Projektschmiede gGmbH, Dresden
Die Projektschmiede setzt nicht nur eigene Ideen um, sondern stellt anderen Initiativen auch ihr Wissen und ihre Werkstatt zur Verfügung. Damit trägt die Projektschmiede auch zu einer vielfältigeren Zivilgesellschaft, in der kleinere Initiativen problemlos neben größeren bestehen und von ihnen profitieren können. „Einen Großteil unserer Projekte bewegen wir gemeinsam mit verschiedenen Kooperationspartnern. Die dadurch entstehenden Synergien und Kompetenzen sind für beide Seiten außerordentlich wichtig“, erklärt Tobias Heinemann, der Geschäftsführer. Selbst ist die Projektschmiede mit Projekten im Kinder- und Jugendbereich, im Bildungsbereich und im Kulturbereich tätig.

Soziale und politische Bildungsvereinigung Limbach-Oberfrohna e.V.
Die Soziale und politische Bildungsvereinigung e.V. ist eine Initiative, die mit einem breiten Angebot einen wichtigen Beitrag für die demokratische Kultur vor Ort leistet. Von Film- und Vortragsveranstaltungen, über Einkaufstätigkeiten für Senioren, bis hin zu kostenloser Nachhilfe und Kinderbetreuung - die Vielfalt der Menschen und ihrer Ideen zeichnet die Soziale und politische Bildungsvereinigung aus. Um der Neonazi-Szene vor Ort etwas entgegenzusetzen, eröffnete man einen Infoladen als Anlaufpunkt für nicht-rechte Jugendliche. Immer wieder gab es Übergriffe durch Neonazis, bis der Laden geschlossen werden musste. An einem neuen Standort werden die Vereinstätigkeiten aber fortgeführt.


Die beiden Hauptsieger erhalten Preisgelder in Höhe von je 10.000 Euro, die acht übrigen Nominieren Anerkennungspreise in Höhe von je 500 Euro. Verliehen wird der Förderpreis von der Amadeu Antonio Stiftung, der Freudenberg Stiftung, der Stiftung Frauenkirche Dresden und der Kulturstiftung Dresden der Dresdner Bank. Der sächsische Ministerpräsident und Schirmherr des Förderpreises, Stanislaw Tillich, stiftet einen zusätzlichen Sonderpreis.