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für Engagement
Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Unter dem Motto „Brennpunkt Zossen – Demokratie verteidigen!“ wurde zu einem Benefizabend in die Berliner Akademie der Künste geladen. Die zahlreichen Spenden kamen dem Verein „Haus der Demokratie Zossen“ und der Initiative „Schulbesuche für Romaschüler in Sibiu/Rumänien“ zu Gute.
Im Foyer der Akademie der Künste wurden die zahlreichen Besucherinnen und Besucher des Benefizabends für Zossen von schillernder Musik der Band „Zigan Tzigan“ begeleitet. Auch der Zeichner „TOM“ war vor Ort und zeichnete „live für Zossen“ Bilder, die gegen Spenden erworben werden konnten. Viele weitere prominente Gäste waren geladen, die in einem gemeinsamen Akt der Solidarität mit Zossen die Bedeutung des Engagements gegen Neonazis deutlich machten.
Trotz des harmonischen Begleitprogramms ging der eigentliche Anlass des Abends nicht unter. Direkt am Eingang wurden die Gäste mit Fotos des zerstörten alten Hauses der Demokratie, das im Januar von einem jugendlichen Neonazi niedergebrannt worden war, konfrontiert. So konnte sich jeder selbst ein Bild darüber machen, wie gefährlich die Situation in Zossen ist, und wie wichtig Spenden und Solidarität für die couragierten Akteure vor Ort sind.
Zossen als Beispiel, wohin Ignoranz führen kann
Die Begrüßung und Moderation des Abends übernahm der Journalist Uwe-Karsten Heye. Er betonte, dass zu einem aktiven demokratischen Engagement gegen Neonazis auch Sitzblockaden zählen. Ignoranz gegenüber Menschenfeindlichkeit könne „bis in die Mitte der Gesellschaft führen“. Dem müsse angesichts stetig steigender rechtsextremistischer Straftaten und weit verbreitetem Wegschauens engagiert entgegengewirkt werden. So freute er sich besonders Jörg Wanke, den Sprecher der Initiative „Zossen zeigt Gesicht“, und sechzig mitgereiste Zossenerinnen und Zossener in Berlin begrüßen zu dürfen.
Die Situation vor Ort wurde durch die Lesung eines Artikels des Spiegelautors Stefan Berg veranschaulicht. Berg beleuchtete das soziale Umfeld des jungen Brandstifters und stellte die Strukturen der Neonazis in Zossen detailliert dar. Der Artikel verdeutlichte, dass neben den Neonazis in Zossen auch Ignoranz und Angst sehr präsent sind. Die Lesung gab einen beängstigenden Eindruck in die Gedankenwelt des jungen Täters, der nach eigener Aussage „den Rechten in Zossen zum Sieg verhelfen wollte“.
Extrem Rechte als europäisches Problem
Wie allerorts sind auch in Zossen Neonazis im Netz sehr aktiv. Dadurch, dass ihnen die öffentlichen Medien weitgehend verschlossen sind und sie durch die Internationalität und Anonymität des Internets häufig das deutsche Strafrecht umgehen können, ist und bleibt das Internet das wichtigste Medium für neonazistische Agitation und Organisation. Auf die weltweite Vernetzung von Neonazis im Internet machte Manfred Mayer aufmerksam, der auf Onlineversandhäuser, bei denen direkt neonazistische Produkte bezogen werden können, und auf das Phänomen „Metapedia“ verwies. Diese Plattform versteht sich als Pendant zu der von Neonazis als „zu links“ empfundenen Wikipedia und betreibt gezielte Geschichtsfälschung. In dem Portal finden sich Artikel in allen europäischen Sprachen, in Ungarisch sogar über 80.000 Beiträge. Diese Zahl macht deutlich, wie groß die neonazistische Bedrohung für ganz Europa ist.
Wie war das damals?
Einen Blick zurück in die Zeit des Nationalsozialismus warf Iris Berben mit der Lesung des Buches „Manja“ von Anna Gmeyer, welches 1938 im Exil erschien. Eindrucksvoll und sprachlich ergreifend wurden die Zustände der Zeit geschildert und ein Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt der Verfolgten geworfen. Deutlich wurden in dem Textausschnitt das ungeheure Leid und die beängstigende Massenmobilisierungen der Nationalsozialisten dargestellt. Der Blick in die Geschichte sei stets besonders wichtig, kommentierte Uwe-Karsten Heye, denn „wer seine Geschichte nicht kennt“ sei „vor Wiederholung nicht geschützt“.
„Die Rechten schlafen nicht“
Im Anschluss fand das 34. Akademiegespräch statt, an welchem der Präsident der Akademie Klaus Staeck, Jörg Wanke als Sprecher der Initiative „Zossen zeigt Gesicht“, der ungarische Autor György Dalos, die CDU-Bundestagsabgeordnete Monika Grütters und der Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg unter der Moderation Liane von Billerbecks teilnahmen.
Aus terminlichen Gründen musste die Zossener Bürgermeisterin, Michaela Schreiber, kurzfristig ihre Teilnahme am Gespräch absagen. So konnte sie nicht Stellung beziehen, als Klaus Staeck seinen Eindruck von Zossen erläuterte und beschrieb, dass vor Ort fast eine „Mafia“ herrsche, „die auch vor Gewalt nicht zurückschreckt“. Jörg Wanke pflichtete ihm bei und beschrieb seine Gefühle der Angst und Ohnmacht in der Nacht als das „Haus der Demokratie“ niederbrannte. Außerdem machte er deutlich, dass sich seit diesem Ereignis sein Leben und das Leben seiner Familie völlig verändert haben, da eine öffentliche Todesdrohung gegen ihn an eine Wand gesprüht worden ist.
Die Bedeutung eines offensiven Engagements gegen Rechts unterstrich auch Michael Sommer, DGB-Vorsitzender, in seinem Grußwort und forderte einen „Rechtsstaat, der Courage zeigt“. Er wies darauf hin, dass auch innerhalb der organisierten Arbeiterschaft rechtsextreme Einstellungen vorzufinden seien. Wichtig sei ein offensives Vorgehen der Demokraten, denn, so betonte er nachdrücklich, „die Rechten schlafen nicht“.
Engagierte Arbeit kann auch Spaß machen
Einen angenehmen Ausklang des Abends bereitete den Besucherinnen und Besuchern der Kabarettist Dieter Hildebrandt, der mit seinem Auftritt den Saal mitunter zum Toben brachte und mit großem Beifall verabschiedet wurde. Seine humorvoll verpackte, mitunter bissige Kritik konnte die Stimmung auflockern. So wurde deutlich, dass gemeinsames Engagement auch Spaß bereiten kann.
Sebastian Heidebrecht