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Es hört nicht auf: Stadt, Name, Land mit dem Roten Stern Leipzig


Mal wieder richten sich die Augen der Medien auf ein Fußballspiel im Leipziger Land, welches in Mügeln am 24. April ein vorzeitiges Ende fand. Exemplarisch scheint das dabei das Verhalten des Mügelner Bürgermeisters und die Hilflosigkeit der jeweiligen Fußballvereine samt Polizeikräfte zu sein. Erst in Brandis und nun auch in Mügeln.


Er habe nichts gehört und nichts gesehen. Mügelns Bürgermeister Gotthard Deuse tätigte sinngemäß diese Ansage gestern nach dem vorzeitig abgebrochenen Fußballspiel zwischen dem SV Mügeln-Ablaß und Roter Stern Leipzig `99. Obwohl nach eigenen Angaben persönlich anwesend, konnte das Stadtoberhaupt keinen Vorfall erkennen, als er dem berichtenden MDR gegenüber Auskunft erteilte. Da waren keine Gesänge, wie zum Beispiel das berüchtigte U-Bahn-Lied, in welchem die Hauptzeile lautet „Eine U-Bahn bauen wir, von Jerusalem bis nach Auschwitz".
Da war nichts, die ominösen Fans scheint es garnicht gegeben zu haben.

Mügeln? Da war doch was? Das kleine Städtchen bei Oschatz, 4.500 Einwohner, Tendenz fallend stand bereits schon einmal hoch im Kurs der Medien. Weitgehend für Nichtsachsen unbekannt, bis zu jenem Tag, als acht Inder von einem Stadtfest flüchteten, gejagt von zirka 50 "guten Deutschen". Auch damals war unmittelbar danach irgendwie nichts geschehen und es fiel auch den Medien auf, wie die Gemeinde zu dem Vorfall eine gespaltene Haltung hatte. Im nachfolgenden Prozess wurden vier junge Deutsche wegen Volksverhetzung und Körperverletzung verurteilt. Auf der Internetseite der sächsischen Kleinstadt steht: "Herzlich Willkommen in Mügeln", darunter das Bild der drolligen Schmalspurbahn "Wilder Robert" auf ihrem Weg zwischen Mügeln und Oschatz.

Die Mügelner selbst waren sicher froh, irgendwann wieder aus den Schlagzeilen raus zu sein. Nun ist die kleine Maschinenbaustadt wieder mittendrin, scheinbar sogar unverschuldet.

Denn nun sind es 50 "Fans", die den hiesigen Sportverein SV Mügeln-Ablaß beim gestrigen Spiel gegen Roter Stern Leipzig (RSL) "unterstützten". Zugereiste sollen es laut dem Verein in Mügeln gewesen sein, die da antisemitische Parolen von außerhalb aufs Gelände brüllten. Kein Mügelner dabei. Sogar einige Spieler des Clubs Mügeln-Ablaß 09 hatten sich wohl kurz bemüht, die Gesänge enden zu lassen, doch sie hörten einfach nicht auf - bis zur 80. Minute.

Da gab der Keeper von Roter Stern entnervt auf, verließ sein Tor und der Schiedsrichter pfiff ab.

80 lange Spielminuten hatten er und seine Mannschaftskameraden es ertragen, als "Schwuchteln", "Juden" und mit damit verbundenen verbalen Todesgesängen bedroht zu werden. Und der Überfall von Brandis steckte und steckt den Spielern von RSL noch tief in den Knochen - die Bilder des gewaltsamen Übergriffes von braunen Schlägern auf die Spieler gingen nicht nur durch die Medien - sie sind auch in den Köpfen der Leipziger Sportler präsent geblieben.

80 Minuten schritten ganz augenscheinlich auch die anwesenden Polizeibeamten nicht gegen die volksverhetzenden Gesänge und Gesten ein, noch unterbanden sie sie. Ganz augenscheinlich fanden hier im Beisein der Ordnungshüter Straftaten statt - ohne Konsequenzen.

Auch, wenn wie auf den Bildern zu sehen, eine nahezu als uniformiert auftretende Gruppe ein Spiel heimsucht. Kommt es dann zum Äussersten, wie in Brandis, könnte man das alles ja vielleicht noch so erklären: Die "Linken" von Roter Stern hätten provoziert oder, wären sie nicht da gewesen, wär es soweit garnicht gekommen. Bei Vergewaltigungsopfern hat man sich mittlerweile von dieser mittelalterlichen Art der Argumentation verabschiedet, im Fußball scheint sie hier und da noch obsolet zu sein.


Bereits in der 20. Minute des Spiels hatte anwesende Polizisten die rund 150 anwesenden Roter Stern - Fans der neuen Richtung folgend ins Auge gefasst und sich Anhänger aus dem Block gegriffen. Anlass? Sie hatten nach Auskunft des RSL lautstark auf die Straftaten hingewiesen, die vor ihren Augen stattfanden. Das dies sicher nicht ganz freundlich nach der bereits verstrichenen Zeit geschehen sein könnte, wäre zu verstehen. Nun waren jedoch erstmal sie selbst an der Reihe. Man warf ihnen nun eben jene Provokationen vor und nahm die Personalien auf - etwas unsanft wohl, Roter Stern Leipzig meldet zumindest heute fünf durch die Polizeikräfte verletzte Menschen aus der eigenen Fanriege.

Die Aktion hatte eine erste Spielunterbrechung zur Folge. Die betroffenen Zuschauer aus dem Roter Stern-Fanblock haben nun nach Angaben des Sportclubs RSL selbst Anzeigen gegen die Polizeibeamten gestellt. Man darf gespannt sein, wie die Polizei Westsachsens damit umgeht.

Das Spiel endete beim Spielstand von 2:0 für den SV Mügeln Ablaß. Ob der Fußballsport und Ergebnisse unter solchen Bedingungen überhaupt noch eine Rolle spielen, ist dagegen fraglich. Ebenso fragwürdig wohl, wie die eilige Positionierung eines gewählten Stadtoberhauptes in der sächsischen Provinz im Namen des Rufes seiner Stadt via MDR. Vollkommen klar dagegen die Taktik der "herumreisenden Fans" im sächsischen Land. Präsenz zeigen, verunsichern und schlussendlich ein diffuses Gefühl von "Landnahme" im Interesse der eigenen Ideologie produzieren. Und zwar immer dort, wo der verhasste, weil als "links" bekannte Fußballverein RSL aus dem "roten Leipzig" auftaucht.

Die westsächsische Polizei läßt es derzeit scheinbar zumindest vor Ort geschehen und filmt währenddessen. Zum Schaden auch der Mügelner Einwohner, die nun dementieren, argumentieren und diskutieren, was sie nicht wirklich verschuldet haben. Ob es da eine angemessene Reaktion ist, nun seitens des Presseverantwortlicher des SV Mügeln-Ablaß 09, Jan Greschner in einer offiziellen Erklärung auf der Internetseite zu schreiben, die Fans des RSL und ihre Spieler hätten Spieler des eigenen Clubs als "Nazis" tituliert, sei dahingestellt.

Er wird es jedoch zumindest beweisen müssen und es klingt, als wolle man etwas ausbalancieren. Im allerschlimmsten Falle jedoch stimmt es womöglich auch noch und alle Beteiligten sollten sich intensiv fragen, was da eigentlich vorgeht. Mit Fußball jedenfalls hat das alles in jedem Fall überhaupt nichts mehr zu tun.

Von Michael Freitag
Übernahme des Artikels mit freundlicher Genehmigung der
Leipziger Internet Zeitung
Fotos: Roter Stern Leipzig

Ein interessanter Radiobeitrag mit O-Tönen von kopfstoß.fm über das Spiel.
 

"Wir geben keine Ruhe!" - Der RSL in Brandis