Das Portal
für Engagement
Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Arnstadt ist schon oft in die Schlagzeilen geraten. Im letzten Jahr fand dort der „Thüringentag der nationalen Jugend“ statt. Der Bürgermeister Hans Christian Köllmer macht nun durch Relativierung der Verbrechen des Dritten Reiches erneut auf sich und sein Städtchen aufmerksam.
„Weiter so!“, schrieb die sogenannte Bürgerbewegung „Pro Deutschland“ Ende Januar 2010 an Thilo Sarrazin in einem offenen Brief. Sarrazin machte im vergangenen Jahr durch rassistische Äußerungen über Migranten, die sich vom Staat aushalten lassen, kein Deutsch lernen wollen, aber "ständig kleine Kopftuchmädchen" produzierten auf sich aufmerksam. Unter dem Brief findet sich auch die Unterschrift des Arnstädter Bürgermeisters: Hans Christian Köllmer von der Wählergemeinschaft „Pro Arnstadt“.
Pro was?
Die sogenannten „Pro Bewegungen“ entwickeln sich seit geraumer Zeit in Deutschland. Am bekanntesten ist wahrscheinlich die rassistische Gruppierung „Pro Köln“. 2004 zog die Bürgerbewegung, die mit dem „Anti-Islamisierungskongress“ und rechtspopulistischer Feindbildstilisierung auf einige Zustimmung trifft, mit fünf Abgeordneten in den Kölner Stadtrat ein. Personell speisen sich einige der Pro-Bewegungen aus ehemaligen REP-Mitgliedern und scheuen sich auch nicht dem NPD-Organ „Deutsche Stimme“ Interviews zu geben. Ebenso gibt es Bestrebungen das Modell auf Bundesebene auszudehnen: „Pro Deutschland“ heißt es dann. In diesem Rahmen ist wohl auch der Arnstädter Bürgermeister Köllmer aktiv – zumindest zeigt das seine Unterschrift unter dem offenen Brief an Sarrazin. Ob die Pro-Bewegungen jedoch eine gemeinsame Organisation in ganz Deutschland bilden können, bleibt abzuwarten. Bisher sind sie sich noch nicht so einig. Jedoch finden sie einen Nährboden in der Bevölkerung. „Die Pro-Bewegungen sind Ergebnis mangelnder Integrationsbemühungen der Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten“, sagt Bernd Wagner von EXIT, dem Aussteigerprogramm für Neonazis, „Sie geben vorschnell Antworten auf Probleme in der Gesellschaft. Zum Beispiel durch pauschale Zuschreibungspolitik“.
Pro Demokratie?
Wichtig ist Köllmer und seiner Wählergemeinschaft „Pro Arnstadt“, dass sie besonders gute Demokraten sind. „Wir schätzen preußische Tugenden und sind Demokraten die fest auf der Basis des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland handeln!“ ist als Vereinsbeschreibung auf der Webseite zu lesen. „Pro Arnstadt konterkariert seinen eigenen Anspruch, indem sie mit Thüringer Neonazis paktieren“, so Wagner. Im vergangenen Jahr machte Köllmer im Vorfeld des „Thüringentags der nationalen Jugend“ auf sich aufmerksam. Die nötige Distanzierung des Neonazifests ließ er vermissen und reagierte auf den Vorwurf im Arnstädter Stadtrat am 14. Mai 2009, mit dem Hinweis, dass er ja kein Nazi sei, da wäre ihm „zu viel Sozialismus“ drin. Die Demokratie, auf deren festen Boden Pro Arnstadt sein will, bleibt indessen eine hohle Phrase. Wenn Bürgerinnen und Bürger wissen wollen, wann die nächste Stadtratssitzung ist, wird ihnen gesagt „Na, wenn der Bürgermeister sie einberuft“. Die Stadträte der Linken und der SPD hatten eine Sitzung außerhalb des regulären Termins beantragt. Der Bürgermeister wollte diese einfach mit der nächsten anberaumten Sitzung verbinden. Die Kommunalaufsicht hat nun bestätigt, dass dieses Vorgehen nicht rechtskonform sei.
Relativierung
Die Partnerstadt von Arnstadt ist Gurk. Dort traf man sich gelegentlich auch mit dem verstorbenen Rechtspopulisten Jörg Haider. „Wer auf Herrn Haiders Spuren wandelt und diesen ‚Rechtspopulisten’ zum Vorkämpfer für Demokratie erklärt, muss sich nicht wundern, wenn er irgendwann selbst bei rechtsradikalen Gruppierungen landet“, so das „Bündnis gegen Rechtsextremismus Arnstadt“ in einer Presseerklärung. Nun ist Köllmer durch eine Relativierung der Verbrechen des Dritten Reiches erneut aufgefallen. In einem Zeitungsinterview war er auf seine Sympathie für „Pro Deutschland“ angesprochen worden. Zur Rechtfertigung führte er die Gegenfrage an, ob nun rechte Gruppen so ausgegrenzt werden „wie im Dritten Reich die Juden“. Laut MDR erklärte Köllmer, dass er sich auf die Ausgrenzung zu Beginn der Judenverfolgung bezogen habe und nicht auf die „schrecklichen Verbrechen“ danach. Somit sei der Vergleich nicht problematisch. Die SPD-Fraktion sieht das anders: „Darin sehen wir eine Verharmlosung der begangenen Verbrechen“, so Martina Lang, Fraktionsvorsitzende der SPD, laut Thüringer Allgemeiner Zeitung. Die Stadträte der Arnstädter SPD versuchen nun Köllmer wegen Volksverhetzung anzuklagen. Ebenso wollen sie laut einem offenen Brief an den Bürgermeister ihn zum Rücktritt bewegen: „Sollten Sie unserer Aufforderung nicht folgen, werden wir umgehend ein Abwahlverfahren einleiten“, so der Ortsverein der SPD.
Nora Winter
Foto: "Luftbild Arnstadt", pilot_micha via Flickr, cc.