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"Sonnenwende": Kommissar Stubbe ermittelt am 21. November in der rechtsextremen Szene (Foto: ZDF).
Anlässlich der Vorpremiere von „Sonnenwende“, der neuen Folge aus der Krimireihe „Stubbe – Von Fall zu Fall“, fand am 16. November im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin eine Podiumsdiskussion zum Thema „Die neue Rechte“ statt. Der Film ist am 21. November im ZDF zu sehen.
Von Jan Schwab
Nicht häufig werden bei einer Filmproduktion Experten um Rat gefragt. Das ZDF hat es bei EXIT-Deutschland und der Amadeu Antonio Stiftung für die neue Folge der beliebten Krimireihe „Stubbe – Von Fall zu Fall“ mit Wolfgang Stumph in der Hauptrolle getan. Der Film heißt „Sonnenwende“ und ist am Samstag, den 21. November um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen. Die Geschichte beginnt in Hamburg, wo am Elbstrand eine Wasserleiche angespült wird. Vieles deutet darauf hin, dass der Tote, ein Vietnamese, Opfer eines Bandenkrieges im Milieu der Zigarettenmafia geworden ist. Doch als sich herausstellt, dass der Tote nicht aus Hamburg stammt, sondern bereits vor einigen Wochen in einem kleinen Städtchen flussaufwärts unter rätselhaften Umständen verschwunden ist, führen Kommissar Stubbe die Ermittlungen nach Elbermünde. Stubbe muss bald erkennen, dass ein rechtsextremer Hintergrund für die Tat nicht unwahrscheinlich ist und nur eine Handvoll Bürger und ein ehemaliger Polizeikollege bereit sind, ihm zu helfen. Es scheint, dass Polizei, Stadtverwaltung und zahlreiche Bürger mit der rechtsextremen Szene sympathisieren oder aus Angst vor ihr schweigen.
Anlässlich der Vorpremiere von „Sonnenwende“ am 16. November fand im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin anschließend eine Podiumsdiskussion zum Thema „Die neue Rechte: eine unterschätzte Gefahr?“ statt. Neben Hauptdarsteller Wolfgang Stumph und Regisseur Peter Kahane waren auch der neue Innenminister Thomas de Maizière (CDU), der Generalstaatsanwalt von Brandenburg Dr. Erardo Rautenberg und EXIT-Gründer Bernd Wagner geladen. Moderiert wurde von Peter Frey, Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios.
"Wir müssen gemeinsam etwas tun!"
Dass „Sonnenwende“ kurz nach den Feierlichkeiten zum 20-jährigen Jubiläum des Mauerfalls ausgestrahlt wird, ist kein Zufall. Am Ende des Films hält Kommissar Stubbe anlässlich des 20. Jahrestags der Wende vor seinen Kollegen eine bewegende Rede, in der er die Geschichte seiner langjährigen Freundschaft mit einem ehemaligen Polizeikollegen erzählt. In dieser Geschichte spiegelt sich vor allem wider, was seit der deutschen Wiedervereinigung auf der Strecke geblieben ist. Dazu gehört unter anderem eine offensive Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus.
Auf die Frage, welche Probleme seiner Meinung nach seit der Wende noch nicht ausreichend in Angriff genommen worden seien, antwortete Wolfgang Stumph, dass es bei der Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus erheblichen Nachholbedarf gebe. Stumph betonte, dass in erster Linie die Ursachen bekämpft werden müssten und nicht, wie häufig der Fall, nur die Auswirkungen. Besonderes Augenmerk solle dabei auf die Jugend gerichtet werden: „Die Jugendlichen merken doch, dass die Rechten sie ernst nehmen, das dürfen wir nicht zulassen“. Stumph plädierte für mehr demokratische Angebote im Jugendbereich, damit junge Menschen gar nicht erst auf die Idee kommen, bei den Rechtsextremen mitzumachen. Gleichzeitig verwahrte er sich gegen die weit verbreitete Einschätzung, Rechtsextremismus sei in erster Linie ein ostdeutsches Phänomen: „Mir tut es weh, wenn immer nur auf die Ostdeutschen gezeigt wird. Wir müssen gemeinsam etwas tun!“ Daher sei auch der fiktive Schauplatz des Mordes im Film, Elbermünde, ganz bewusst an der Grenze zwischen Ost- und Westdeutschland angesiedelt.
Überforderte Polizeibeamte und eine gleichgültige Bevölkerung
Für Erardo Rautenberg, Generalstaatsanwalt von Brandenburg, spiegelt „Sonnenwende“ durchaus Situationen wider, wie er sie in kleinen ländlich geprägten Gemeinden selbst erlebt hat. Allerdings wollte er der Polizei nicht pauschal unterstellen, insgeheim mit der rechtsextremen Szene zu sympathisieren. Vielmehr habe er oft beobachtet, dass die Beamten schlichtweg überfordert waren: „In vielen Fällen wusste die Polizei nicht, wie sie mit Rechtsextremismus umgehen sollte.“ Das häufige Wegschauen bei rechtsextremen Straf- und Gewalttaten resultiere also eher aus polizeilichem Unvermögen als aus Sympathie mit den Tätern. Ähnlich äußerte sich auch Ex-Kriminaloberrat Bernd Wagner, der sich seit 2000 bei EXIT-Deutschland um Aussteiger aus der rechtsextremen Szene kümmert: „Bei der Polizei habe ich eher ein läppisches Dahindümpeln im Job wahrgenommen als Beamte, die mit den Neonazis sympathisieren.“ „Sonnenwende“ sei in weiten Strecken jedoch ein realistischer Film: „Ich habe Gemeinden in Baden-Württemberg und in Brandenburg besucht, in denen es ähnlich zugeht wie in diesem Film“, betonte Wagner. Es gebe diese Orte tatsächlich, wo sich Menschen nicht auf die Straße trauen, um gegen Neonazis zu demonstrieren. Auf der anderen Seite habe er aber auch ermutigendes Engagement erlebt: „Wenn sich erst einmal genug Leute zusammenfinden, um gemeinsam gegen die Rechten zu agieren, dann zeigt das durchaus Wirkung auch innerhalb der rechtsextremen Szene, die sich dann nicht selten zurückzieht“.
Peter Kahane, der bei der beliebten Krimireihe nicht nur Regie führt, sondern als Drehbuchautor auch Erfinder der Stubbe-Figur ist, machte auf die Komplexität des Problems aufmerksam. „Sonnenwende“ spiegle nicht ausschließlich das Ergebnis der Versäumnisse nach der Wende wider, sondern auch Defizite, die bereits während der DDR-Zeit herrschten. Auch wenn im Film die Problematik an manchen Stellen überspitzt dargestellt werde, sei allen Beteiligten am Ende wichtig gewesen, nicht in Klischees zu verfallen. So könnten manche Figuren nicht eindeutig der rechtsextremen Szene zugeordnet werden, was durchaus der heutigen Realität entspreche, in der rechtsgerichtete Jugendliche nicht mehr zwingend am Äußeren zu erkennen seien. „Wir versuchen unter anderem zu zeigen, in welcher Situation sich ein Jugendlicher befindet, der auf dem Land, inmitten einer rechtsextremen Umgebung, aufwächst“. Wolfgang Stumph ergänzte: „Das ist nicht nur ein Film über Neonazis, sondern auch über die gleichgültige Bevölkerung, die wegschaut.“
Die Engagierten sollen nicht unter sich bleiben
Der neue Innenminister Thomas de Maizière (CDU) äußerte sich während der Podiumsdiskussion erstmals öffentlich zum Thema Rechtsextremismus. Er sehe Rechtsextremismus vor allem als ein Problem ländlicher Regionen in Ostdeutschland, nicht aber zwingend als ein „Arbeitslosenproblem“. Zur Verantwortung der Polizei bemerkte de Maizière: „Ich glaube nicht, dass die Polizei in dieser Weise wegsieht und sympathisiert, wie das im Film dargestellt wird.“ Das eigentliche Problem sei, dass die Beamten mit den rechtsextremen Straftaten oft allein gelassen würden und überfordert seien. De Maizière wies darauf hin, dass die heutige rechtsextreme Szene vor allem ein Produkt der Entwicklung ab Mitte der neunziger Jahre sei und nicht der Wende- oder DDR-Zeit.
Positiv bewertete er, dass Rechtsextremismus – anders als noch in den Neunzigern – nicht mehr verdrängt werde. Das Problem könne nur bewältigt werden, wenn es von verschiedenen Seiten angegangen werde: Dazu gehöre ein hartes juristisches Vorgehen gegen rechtsextreme Straftaten und Organisationen, das öffentliche Entlarven von Widersprüchen in der Szene (wie z.B. die Tatsache, dass NPD-Material auch in Polen gedruckt wird), sowie das Engagement der Zivilgesellschaft. Entscheidend, so de Maizière, sei jedoch, dass die Engagierten nicht unter sich blieben, sondern dorthin gingen, „wo es weh tut“. Will heißen: Bei der erfolgreichen Bekämpfung des Rechtsextremismus muss der Fokus wieder stärker auf der Zusammenarbeit mit denjenigen gelegt werden, die Gefahr laufen, in die rechtsextreme Szene abzurutschen: „Wir müssen versuchen, diese Leute zurückzugewinnen“, so de Maizière.
Nicht verpassen:
„Sonnenwende“ aus der Reihe „Stubbe – Von Fall zu Fall“
Samstag, 21. November, 20.15 Uhr im ZDF
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