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Die Zukunft der Arbeit gegen Rechtsextremismus in der neuen Bundesregierung ist weiter ungewiss. In der Innenpolitik setzt der Entwurf des Koalitionsvertrages der neuen gelb-schwarzen Koalition auf den Kampf gegen Extremismus. Insbesondere soll auch stärker gegen Linksextremismus und Islamismus vorgegangen werden. Inwieweit die Arbeit von Initiativen und Projekte gegen Rechtsextremismus davon betroffen ist, ist noch unklar. Zu den Plänen der neuen Bundesregierung erklärt die Extremismusexpertin der CDU, Kristina Köhler: "Eine Unterscheidung zwischen bösen und guten Extremisten ist absurd. Ein freiheitlicher Rechtsstaat muss sich gegen alle seine Feinde wehren, egal ob es sich dabei um Rechtsextremisten, Linksextremisten, Islamisten oder andere Verfassungsfeinde handelt.“ Köhler warnt davor zwischen den einzelnen Extremismusformen aufzurechnen oder die Bekämpfung des Islamismus und des Linksextremismus zu tabuisieren. Der Bundesverfassungsschutzbericht verzeichnet für das Jahr 2008 insgesamt 1042 Gewalttaten mit rechtsextremen und 701 Gewalttaten mit linksextremen Hintergrund. Als Grund für die verstärkte Arbeit gegen den Linksextremismus nennt Köhler, dass die Straßenschlachten zwischen Rechtsextremisten und Linksextremisten immer brutaler werden würden und auch die Hilflosigkeit des Staates in Berlin gegenüber dem Anzünden von Fahrzeugen. Der SPD wirft Köhler vor, dass sie in der Großen Koalition Linksextremismus und Islamismus systematisch verharmlost habe. Auch der Extremismusexperte der FDP, Christian Ahrendt, verteidigt in der Presse den Ansatz der neuen Bundesregierung: "Die Programme können nicht breit genug aufgestellt werden, man darf sich nicht nur auf Rechtsradikalismus konzentrieren". Ob der neue Ansatz zur Mittelkürzung bei der Arbeit gegen Rechtsextremismus führen wird, ist laut Ahrend unklar. Jedoch verlautete aus Koalitionskreisen, dass die Arbeit des Bundesprogramms „Vielfalt tut gut“ insgesamt von allen drei Fraktionen sehr positiv bewertet werden würde.
Annen: CDU auf dem rechten Auge blind
Niels Annen, Sprecher der AG Rechtsextremismus beim Parteivorstand der SPD, findet deutliche Worte zu dem Ansinnen der neuen Koalitionäre: „Schwarz-gelb ist am Ziel. Endlich kann dem zivilgesellschaftlichen Engagement gegen Rechtsextremismus der Geldhahn zugedreht werden. Der Koalitionsvertrag verschleiert eine Mittelkürzung im notwendigen Kampf gegen Rechts, denn die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Linksextremismus und Islamismus spielen insbesondere in Ostdeutschland fast überhaupt keine Rolle.“ Mit dem Extremismusschwerpunkt zeige insbesondere die CDU zum wiederholten Male, dass sie auf dem rechten Auge blind sei, so Annen: „So geschehen im Rahmen der Koalitionsgespräche 2005, bei der Verlängerung der rot-grünen Bundesprogramme Civitas und Entimon zum Jahreswechsel 2006/07 und einer Bundesministerin von der Leyen, der dieser Bereich ihres Ministerium offenbar völlig egal war.“ Er forderte stattdessen das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Rechtsextremismus zu stärken und für eine dauerhafte Finanzierung der erfolgreichen Projekte mittels einer Bundesstiftung zu sorgen.
Finanzierung der bewährten Strukturen weiter unklar
Monika Lazar, grüne Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus bemängelt, dass die neue Regierungskoalition im vorgelegten Entwurf keine Aussage zur Weiterführung der Bundesprogramme „Vielfalt tut gut“ sowie „Kompetent für Demokratie“ treffe. Lazar: „Am wichtigsten ist die dauerhafte Finanzierung der bewährten Beratungsstrukturen in Ost und West. Diese drohen nun endgültig den Bach hinunter zu gehen. Das ist eine unerträgliche Situation und ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die sich seit Jahren haupt- oder ehrenamtlich gegen alte und neue Nazis und für unsere Demokratie engagieren.“ Wie viele andere versteht auch Lazar die Neuorientierung des „Bündnis für Demokratie und Toleranz“, dass im Koalitionsvertragsentwurf aufgefordert wurde, sich stärker gegen allen Formen des Extremismus zu engagieren, nicht: „Den Koalitionsfraktionen scheint hierbei entgangen zu sein, dass dieses Bündnis schon seit Jahren gegen alle Formen des Extremismus arbeitet. Es mangelt nicht an neuen Aufgaben, sondern an einer ausreichenden personellen und finanziellen Ausstattung. Die Handlungsfähigkeit des Bündnisses ist aufgrund chronischer Unterfinanzierung kaum noch gegeben.“ Auch Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linken, bewerte das Vorhaben als völlig verfehlt: „Links- und Rechtsradikalismus auf eine Ebene zu stellen trägt zur Verharmlosung von rechter Gewalt bei.“
Rechtsextremismus nicht gegen Linksextremismus aufrechnen
Der Stiftungskoordinator der Amadeu Antonio Stiftung, Timo Reinfrank, mahnt in Reaktionen auf die parteipolitischen Auseinandersetzungen an, die unterschiedlichen Bedrohungen der Demokratie ernst zu nehmen und sie nicht gegeneinander auszuspielen: „Es macht jetzt keinen Sinn den Rechtsextremismus gegen den Linksextremismus aufzurechnen. Wenn die neue Koalition auch andere, neuere Formen des Extremismus, Antisemitismus oder Islamismus bekämpfen will, muss sie auch dafür die notwendigen Mittel und Programme zur Verfügung stellen. Andernfalls wird der Kampf gegen Rechtsextremismus geschwächt, die Nazis freut es“. Reinfrank fürchtet insbesondere um die Zukunft der Beratungsstellen für Opfer rechtsextremer Gewalt, die nicht mehr in das Konzept der neuen Bundesregierung passen könnten. Auch warnt er davor – wie von der Koalition geplant – den Fokus der Verstetigung nur auf die Aussteigerprogramme zu legen, da sie nur ein Baustein in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus sein können. Wichtig sei es vor allem zivilgesellschaftliche Initiativen und Projekte zu fördern, die im lokalen Raum wirken und vielfältig alle Formen von Demokratiefeindlichkeit bekämpfen helfen.
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Foto: s_zeimke (Creative Commons); Text: Carsten Jensen