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Bundeskabinett beschloss Stiftung gegen Rechts...

> UPDATE: Nun doch keine Bundesstiftung gegen Rechts (15.09.09)

...sagt Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee im MUT-Interview. Der Beschluss wurde bereits Mitte Juli gefasst. Sehr viel mehr ist allerdings noch nicht darüber zu erfahren. Denn generell steht derzeit in den Sternen, wie und ob es nach den Wahlen überhaupt mit den bitternotwendigen Bundesprogrammen gegen Rechtsextremismus weiter geht. Denn CDU und FDP als (den Umfragen nach) künftige Regierungspartner stehen nicht im Ruf, derlei für notwendig zu halten. MUT sprach mit dem Minister am Rande einer Buchvorstellung über Eisenbahner gegen Hitler. 

Von Holger Kulick


Herr Tiefensee, zunächst zu dem von ihnen vorgestellten Buch "Eisenbahner gegen Hitler", es erzählt von vielfältigem Widerstand von Eisenbahnern gegen das NS-Regime, der so umfangreich allerdings nicht war.
Nehmen das Eisenbahner eigentlich übel, wenn beschrieben wird, dass ihr Mut oft nur ein recht geringer war?

Nein, warum auch. Denn es gab Widerstand, der nicht unerheblich war. Dieses Kapitel unserer Geschichte war vor unserem Buch weitgehend unbekannt. Die Schicksale der Eisenbahner, die wir in unserem Buch erzählen, waren alle sehr unterschiedlich, aber eines eint sie alle: Diese Eisenbahner haben getan, was auf ihrer Ebene möglich war. Viele haben ihren Mut mit dem Leben bezahlt. Im übrigen wird der größte Widerstand vermutlich für immer unentdeckt bleiben. Ich wünsche mir deshalb, dass die Biografien dieser couragierten Eisenbahner Vorbild auch für nachfolgende Generationen sind.

Bei der Bahn gehört schon seit mehreren Jahren für Azubis ein Ausbildungsprogramm "Azubis gegen Hass und Gewalt" grundsätzlich zur Ausbildung dazu. Ist das ein Modell, von dem auch andere Ausbildungsbetriebe lernen sollten?

Dieses Programm hat Vorbildcharakter. Ich habe mich deshalb besonders darüber gefreut, dass auch einige Azubis dieser Initiative an unserer Veranstaltung zum Thema „Widerstand und Zivilcourage“ teilgenommen haben. Die Bundesregierung hat ihrerseits die „Charta der Vielfalt“ ins Leben gerufen, der die Unternehmen beitreten können. Ich würde es sehr begrüßen, wenn noch mehr Betriebe ihr Ausbildungsprogramm entsprechend gestalten würden.

Trotz vielfältiger solcher Initiativen gegen Rassismus und Rechtsextremismus trafen sich in diesem Jahr 7000 Neonazis in Dresden und 4000 in Gera, ein weiteres großes Nazikonzert steht Mitte September in Pößneck bevor. Können Sie sich das erklären, wieso ausgerechnet Neonazis unter Jugendlichen wieder einen solchen Boom erleben, insbesondere 'im Osten'?

Rechtsextremismus ist weder ein jugendspezifisches noch ein rein ostdeutsches Problem. Außerdem erlebe ich auch sehr positive Entwicklungen und sehe immer mehr Menschen, denen es reicht und die sich wehren. Als im Februar die Rechtsextreme Szene versucht hat, Neonazis aus ganz Europa für ihren Aufmarsch in Dresden zu mobilisieren und das Gedenken an die Bombardierung der Stadt für sich zu instrumentalisieren, waren wir Gegendemonstranten unter dem Motto „Geh Denken“ in der Mehrheit. Wir werden auch in Zukunft auf die Straße gehen, um die Sensibilität der Menschen zu stärken. Rechtsextreme Inhalte sind nicht immer als solche erkennbar. Dem können wir mit offenen und kritischen Diskussionen in der Gesellschaft begegnen. Wir müssen alle genauer hinsehen, die Richter verfassungsfeindliche Äußerungen konsequenter bestrafen. Wir Bürger sollten alle deutlich Flagge und - wo nötig - auch Zivilcourage zeigen. Das gilt für Ost und West.

Was ist aus Ihrer Sicht falsch gelaufen bei der Arbeit gegen Rechtsextremismus? Wo muss aus Ihrer Sicht u. U. mehr getan werden?

Wir haben in der Vergangenheit durchaus Erfolge erzielt. Dank engagierter Bürger und Kommunen, wie in Pirna und anderen Orten der Sächsischen Schweiz, konnten Neonazis gestoppt und zurück gedrängt werden. Bund, Länder und Kommunen unterstützen solche Initiativen. Trotzdem brauchen wir eine noch verlässlichere und zielgenauere institutionelle Unterstützung, die die demokratische Kultur vor Ort stärkt und sich nicht auf Einzelprojekte beschränkt. Mit den notwendigen Mitteln könnten engagierten Bürger vor Ort schnell und unkompliziert Projekte planen und organisieren.

Die SPD hat sich stets für eine Bundesstiftung stark gemacht, die Projekte gegen Rechtsextremismus dauerhaft unterstützen soll. Nun heißt es, der Grundstein für einen eigenen Stiftungsetat sei mit Hilfe Ihres Hauses gelegt, offenbar angebunden an die bereits bestehende Stiftung für Erinnerung, Verantwortung und Zukunft EVZ. Können Sie uns mehr dazu erläutern?

Ich habe dem Kabinett erfolgreich vorgeschlagen, eine Stiftung gegen Rechts zu gründen und finanziell zu fördern. Damit soll die Bekämpfung des Rechtsextremismus fest in die Arbeit der Bundesregierung verankert werden. Der Haushalt für das Jahr 2010 kann allerdings erst vom neuen Bundestag endgültig beschlossen werden.

Ab wann und mit welchem Etat tritt dieses Modell denn in Kraft? Und wer kann sich dort in Zukunft um Unterstützung bemühen?

Leider ist dazu derzeit noch keine Antwort möglich.

Aber einmal ganz praktisch gefragt mit einem Beispiel in eigener Sache: Unsere Informations-Website über und gegen Rechtsextremismus "www.mut-gegen-rechte-gewalt.de" gibt es seit nunmehr fast 7 Jahren, steht aber jetzt vor einem argen Engpass weil Mittel für die Finanzierung im kommenden Jahr fehlen. Könnte sich theoretisch auch ein solches - längst etabliertes - Projekt bei einer solchen Stiftung um Unterstützung bewerben, um in Zukunft weiter zu bestehen?

Auch hierzu ist leider noch keine Antwort möglich.


Dann ein anderes wichtiges Thema: Ist denn ein NPD-Verbot einer der möglichen Wege, bei der Arbeit gegen Rechtsextremismus wieder zu Erfolg zu kommen? Und wenn ja, wie schnell könnte es denn tatsächlich in Angriff genommen werden?


Ein NPD-Verbot löst das grundsätzliche Problem nicht. Rechtsextreme Strukturen werden auch nach einem solchen Verbot weiter existieren oder neu entstehen. Aber ein NPD-Verbot ist notwendig, um klar zu machen, dass es sich hier um eine Partei handelt, die außerhalb unseres demokratischen Systems steht. Wir dürfen die NPD nicht als „normale Partei“ akzeptieren. Ich bin auch kein Freund der These: „Lasst sie doch in einer Partei, da haben wir sie im Blick.“ Die NPD propagiert Ausgrenzung und Abwertung von Mitbürgern. Damit bedroht sie die Werte unserer Gesellschaft im Kern. Das sollten wir nicht auch noch mit Steuergeldern finanzieren. Wenn es also nur die kleinste Chance gibt, ein solches Verfahren zu gewinnen, dann sollten wir für ein Verbot eintreten. Ich setze mich deshalb dafür ein, dass Bundesregierung und Länder in dieser Sache gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode einen neuen Versuch starten.

Mehr zum Thema:
Wird bei der Arbeit gegen Rechtsextremismus eigentlich wirklich alles bedacht?
Ein Denkanstoß von Ulrich Dovermann
Networks without Borders,
Ein Vorwahlbericht von Karen Margolis auf der englischen Seite von MUT .


www.mut-gegen-rechte-gewalt.de /  Foto: Wolfgang Tiefensee, aufgenommen im Vorjahr bei der Präsentation des MUT-ABC für Zivilcourage der Mut-Redaktion. Aufnahme: Kulick

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