Das Portal
für Engagement
Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
..ist derzeit die D-Jugend des TSV Ehningen, das liegt zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb. Das Team spielt in Zukunft im Trikot mit der Aufschrift "Mut-gegen-rechte-gewalt.de" - auf eigenen Wunsch der Mannschaft. Diese Woche fand die "Trikot-Premiere" statt. Der Bürgermeister Ehningens, Claus Unger, übergab persönlich das erste Trikot. Eine Reportage über das couragierte Team und seine Beweggründe folgt. Zuvor muss aber über den 2.Bundesligisten Energie Cottbus gelästert werden...
Denn Bundesliga-Absteiger Energie Cottbus hat erneut eine Niederlage zu verzeichnen. Gegen die NPD. Der Lausitzer Verein zog die Zusage zu einem Turnier beim brandenburgischen FSV Germania Storkow zurück, weil sich die rechtsextreme NPD zu einer Demonstration angemeldet hat. Das Motto des Turniers lautete "Mit Energie für Toleranz". Das stank der rechtsextremen Partei, die von "verquererem Toleranzextremismus" sprach und mittels Demo einen Besuch ankündigte. Daraufhin bekam es Energie Cottbus mit der Angst zu tun und machte Sicherheitsbedenken geltend. Das Kopfschütteln ist groß. Die NPD lacht sich ins Fäustchen und präsentierte Rassismus pur.
Auf ihrer Parteihomepage ließ die NPD als Reaktion dem Rassismus eines ihrer Cottbuser Stadt-Abgeordneten freien Lauf. "... muß sich in deutschen Sportmannschaften die halbe Welt tummeln?" wird mit rassistischem Unterton gefragt und über Vereine wie Energie Cottbus gelästert: "....Allesamt sind sie nur noch Schachfiguren im Multikulti-Schach der Hochfinanz und der großen Politik...Wir demonstrieren am Sonnabend dennoch in Storkow unter dem Motto "Mit Energie für Brandenburg", denn wir brauchen keine abgehobene Multikulti-Truppe um für unser Brandenburg Flagge zu zeigen....". Fanatismus pur. Doch solchen verblendeten Rechtsaußen wollte Energie Cottbus nichts entgegensetzen und sagte es lieber ab, an einem Wochenendturnier mit dem Titel "Mit Energie für Toleranz" teilzunehmen, an dem sogar eine Auswahl ehemaliger DDR-Nationalspieler teilnimmt. Cottbus wurde übrigens durch den SV Babelsberg ersetzt.
Dennoch bleibt Groll. Während der Fußball-Zweitligist aus Cottbus die Entscheidung mit abgeblich nicht zu gewährleistender Sicherheit begründete, reagierte der gastgebende Verein Germania Storkow mit Unverständnis: "Wir hätten gerade erwartet, dass Energie Rückgrat zeigt", teilte die Vereinsführung am Mittwoch mit. Warum Cottbus wirklich zurückzog, darf spekuliert werden. Laut 'Märkischer Allgemeinen hegen Insider einen ganz anderen Verdacht: Der FC Energie wolle Ärger mit eigenen Fans vermeiden, die sich mit der NPD und anderen rechten Gruppierungen solidarisieren und in Storkow das Motto „Mit Energie für Toleranz“ ad absurdum führen könnten, berichtet das Blatt. Laut Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg seien Anhänger des Bundesliga-Absteigers wiederholt mit antisemitischen und rassistischen Parolen aufgefallen.
Dass ein Verein auch ganz anders reagieren kann, zeigt die Trikotwahl des schwäbischen TSV Ehningen:
Die 'mutigen' Trikots wurden am 1. Juli durch den Bürgermeister Ehningens offiziell übergeben. Der Verein hatte sich selber für den MUT-gegen-rechte-Gewalt Bannerent schieden und die Trikots sogar aus eigener Kasse finanziert. Ehningens D-Jugend-Spieler Cedric Fais (Foto) erläuterte zunächst, was für ihn und seine Mitspieler "Mut gegen rechte Gewalt" bedeutet: "Der TSV Ehningen schaut nicht zu, wenn jemand rassistisch beleidigt wird."
Fußball-Abteilungsleiter und TSV-Vorstandsmitglied Wolfgang Peuker betonte die Wichtigkeit, gegen Gewalt jeglicher Form einzustehen, "egal ob sie von links oder rechts kommt. Wir projektieren als Fußballer die rechte Gewalt, weil sie auf den Sportplätzen ein Thema ist - mit linker Gewalt hatten wir als Fußballer noch nicht zu tun."
Bürgermeister Claus Unger bedankte sich beim TSV Ehningen und beim Familienreferat der Gemeinde für die Umsetzung des Themas mit den Jugendlichen. "Sie machen einen tollen Job. Die Gemeinde steht beim Thema voll hinter Ihnen."
Der Familienreferent der Gemeinde Ehningen, Hubert Würth, lobte die D-Jugendlichen für ihre kostruktive Mitarbeit zum Thema und wünschte allen Spielern für ihre Zukunft, "dass ihr das Motto nicht nur auf dem Trikot, sondern auch in eurem Herzen tragt." Im Verein kommt noch etwas dazu: In der Jugendarbeit wird auch gemeinsam über das Thema gesprochen und in einem Workshop wurden von den Nachwuchsspielern eigene Positionen und Regeln erarbeitet. Vorbildlicher kann Fussballjugendarbeit kaum sein.
Aber Ehningen ist nicht Cottbus
Aber Ehningen ist nicht Cottbus. In Brandenburg kritisierten daher auch mehrere Politiker den Verzicht von Energie Cottbus heftig, auch einmal ein solches Zeichen zu setzen. Die Absage sei eine Kapitulation vor der NPD, schüttelte beispielsweise die Rechtsextremismus-Expertin der Grünen im Bundestag, Monika Lazar, ihren Kopf. Mit der Begründung, man wolle sich "nicht politisch vereinnahmen lassen", gieße Energie Cottbus "Wasser auf die Mühlen der Neonazis". Lazar forderte den FC Energie auf, seine Absage zu revidieren und am Samstag (4. Juli) nach Storkow zu fahren. Doch der Appell perlte an Cottbus ab.
Der Sprecher für ein Tolerantes Brandenburg der Linksfraktion im Landtag, Andreas Bernig, sagte, die Absage des Spiels sei kein gutes Beispiel für Zivilcourage. Es gehöre zur Strategie der NPD, durch Drohungen einzuschüchtern, Angst zu verbreiten und so Einfluss zu gewinnen. "Dass der führende Fußballverein im Land Brandenburg solchen Einschüchterungen nachgibt, ist unverständlich", sagte Bernig. Gerade der Sport habe eine besondere Verantwortung, wenn es darum geht, für Toleranz und gegen Rassismus einzutreten.
Auch Brandenburgs Finanzminister Rainer Speer übte Kritik an der Absage. Es sei ein schlechtes Zeichen, wenn man kneife. Speer, zugleich Präsident des Regionalligisten Babelsberg 03, kündigte nun eine gemeinsame Mannschaft Cottbus/Babelsberg an, die am Samstag trotz NPD-Demo bei Germania Storkow antritt
Am Dienstag hatte bereits der Bundestagsabgeordnete Lothar Bisky (Linke) in einem Schreiben den FC Energie gebeten, diese Entscheidung zu überdenken. Ansonsten hätte die NPD mit ihrem Ziel, das Spiel zu verhindern, gesiegt, schrieb er. Und wie sich die NPD darüber freute, konnte man schon gestern bei ihr nachlesen. Inzwischen haben aber auch die Bürger vor Ort und das Aktionsbündnis Tolerantes Brandenburg reagiert. Vor Ort soll es ein multikulturelles Fußball Straßenfest geben. Ohne Rechtsaußen.
Ein Vorbild für Cottbus? Schön wär's...
Wie der Tag in Storkow verlief (Tagesspiegel 6.7.2009)
TSV Ehningen - und von Germania Storkow
EM = Einmischen, Fußballinitiativen gegen Rassismus
Wie das Storkower Turnier ablaufen sollte (Märkische Allgemeine, 3.7.2009)
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Fotos Trikotübergabe: Dirk Köneke / hk