Das Portal
für Engagement
Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Sind Neonazis in Wurzen nicht nur auf der Straße eine Macht, sondern auch im Stadtparlament? Das behauptet die NPD. Denn nur mit ihrer Hilfe sei der örtliche CDU-Bürgermeisterkandidat Gerald Lehne am 6. Mai wieder ins Amt gehoben worden. Nun regt sich Protest.
"Ein Bürgermeister, der nur durch die Schützenhilfe der NPD gewählt wurde, ist nicht tragbar", sagte der Grüne Stadtratskandidat Miro Jennerjahn am Montag in Wurzen. Die CDU müsse angesichts dieser Wahl erklären, wie sie es mit den Adjektiven "christlich" und "demokratisch" in ihrem Parteinamen halte. Der Hintergrund:
Die rechtsextremistische NPD teilte auf ihrer regionalen Internetseite mit, dass ihre beiden Stadträte bei der Wahl am 6. Mai für den mehrheitslosen CDU-Kandidaten Gerald Lehne gestimmt hätten. Wörtlich heißt es bei der NPD des Muldentalkreises: "Am Ende hat alles Beten doch geholfen – die NPD hatte ein Einsehen und verhalf Herrn Lehne bereits im ersten Wahlgang zu einer zweiten siebenjährigen Amtsperiode." Lehne erhielt 16 Stimmen, der parteilose Gegenkandidat René Drehmann 13 Stimmen. Ohne die NPD-Stimmen wäre CDU-Kandidat Lehne im ersten Wahlgang, in dem die absolute Mehrheit von 16 Stimmen notwendig ist, durchgefallen. Die NPD erklärte dazu, man habe die Fähigkeit zur konstruktiven Zusammenarbeit mit der CDU durch diese Wahl bestätigt und sei dazu auch nach der Kommunalwahl am 7. Juni weiter breit. Oberbürgermeister in Wurzen ist Jörg Röglin (parteilos), der von einem Bündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei getragen wird. Anwesend bei der Wahl waren 14 CDU-Stadträte, 6 Stadträte der SPD, 6 Stadträte von Die Linke, 2 Stadträte der NPD und ein Stadtrat der Liste Sportverein, sowie der stimmberechtigte Oberbürgermeister.
Auch wenn die Abstimmung geheim war spricht vieles dafür, dass die Aussage der NPD der Realität entspricht. Die Entscheidung für die Neuausschreibung der Beigeordnetenstelle war im Stadtrat gegen den Widerstand von SPD und Linken erfolgt. Wie aus gut unterrichteten Kreisen zu vernehmen war, hatte sich die NPD bereits in den Ausschüssen gemeinsam mit der CDU für die Neuausschreibung ausgesprochen und später auch für den CDU-Kandidaten Lehne gestimmt.
Die politische Brisanz erhält der Vorfall dadurch, dass die CDU im Stadtrat keine eigene Mehrheit besitzt. Die Wahl Lehnes erfolgte, obwohl es aus Sicht der Grünen einen fachlich deutlich besser qualifizierten Kandidaten gab, der die Unterstützung von SPD und Linke, sowie dem Oberbürgermeister hatte. Bereits im Herbst 2004 hatte die Wurzener CDU den städtischen Haushalt für das Jahr 2005 nur mit den Stimmen der NPD beschließen können. Darauf hin war es zu einer Art Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD gekommen, um solche Situationen künftig zu vermeiden. In der Vereinbarung heißt es wörtlich: „Eine Beschlussfassung, die nur eine Mehrheit mit den Stimmen der NPD ermöglichen würde, ist auszuschließen.“ Nun hat die Wurzener CDU bewusst eine Situation herbeigeführt, die eine eigene Mehrheit ausschloss. Sie hat damit nicht nur der NPD kurz vor dem Wahlmarathon 2009 ein Erfolgserlebnis beschert, sondern auch den Bemühungen der vielen Menschen in Wurzen, den Einfluss der neonazistischen NPD zurück zu drängen, schweren Schaden zugefügt. (Quellen: ddp/Grüne u.a.)
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Foto: NDK / h.kulick