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Am Montag um 19 Uhr 13 Ortszeit wurde der ehemalige KZ-Wächter in ein Flugzeug gesetzt und nach München abgeschoben. Dort landete er am Dienstag um 9 Uhr 15. Die Staatsanwaltschaft München hatte im März einen Haftbefehl gegen Demjanjuk erwirkt. Sie wirft ihm vor, als brutaler Wachmann im Vernichtungslager Sobibor im besetzten Polen, Beihilfe zum Mord an 29.000 Menschen geleistet zu haben. Nun steht einer der letzten großen NS-Prozesse bevor.
In einem Krankenwagen wurde Demjanjuk zum Flughafen transportiert, begleitet von einer Limousine mit drei Beamten der US-Einwanderungsbehörde. Die Familie des mutmaßlichen Kriegsverbrechers hatte versucht, den 89-Jährigen vor den Blicken der Öffentlichkeit abzuschirmen. Sie hielten ein geblümtes Bettlaken vor den alten Mann, der auf einer Trage liegend in den Krankenwagen geschoben wurde.
Demjanjuk wurde zunächst in das Büro der US-Einwanderungsbehörde nach Cleveland gebracht. Dort wurden Abschiebeformalitäten erledigt, bevor er in einer Sondermaschine in Begleitung eines Arztes und eines Pflegers nach München geflogen wurde. Die Chartermaschine war mit Klinikgeräten, Sauerstoff und einem Defibrillator ausgestattet. In München angekommen wurde er im Krankenwagen ins Gefängnis Stadelheim gebracht .
"Iwan der Schreckliche"?
Iwan Nikolajewitsch Demjanjuk kämpfte zunächst als Rotarmist im Zweiten Weltkrieg gegen Hitlers Armeen, so lange bis ihn die Deutschen im Herbst 1941 gefangen nahmen. Im Juli 1942 wechselte Demjanjuk die Seiten und ließ sich von der Totenkopf-SS im polnischen Trawniki ausbilden. So entgingen viele Ukrainer dem Tod in deutscher Gefangenschaft. Als Hilfswilliger („Hiwi“) wurde Demjanjuk Ende März 1943 nach Sobibór abkommandiert. Im Schichtbetrieb töteten die Nazis dort Juden, und Demjanjuk funktionierte bestens als Rädchen in Hitlers Vernichtungsmaschine, wie die deutschen Ermittler nachweisen wollen. Der Ukrainer soll als Wachmann Juden von den Zügen in die Gaskammern geführt haben und sich Häftlingen gegenüber besonders grausam und gewissenlos verhalten haben. Rund 200 Menschen täglich wurden in Demjanjuks Zeit in Sobibór zwischen März und Oktober 1943 getötet. Am Tod von 29 000 Menschen soll der Ukrainer so beteiligt gewesen sein. Für Häftlinge galt er aufgrund der ihm nachgesagten Brutalität als "Iwan der Schreckliche".
Demjanjuk hatte am Montag in Deutschland eine weitere juristische Niederlage erlitten: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg lehnte es ab, die Bundesregierung zur Rücknahme ihrer Aufnahmeerklärung zu verpflichten. Eine Entscheidung, ob der nach Entziehung der US-Staatsbürgerschaft staatenlos gewordene Demjanjuk tatsächlich in der Bundesrepublik aufgenommen werde, sei auch nach dessen Ankunft in Deutschland möglich.
Zudem sei es nicht Sache der deutschen Behörden, über die Transport- und vor allem Flugfähigkeit des 89-Jährigen zu befinden. Das OVG wies damit eine Beschwerde Demjanjuks gegen einen Beschluss der Vorinstanz zurück (Aktenzeichen OVG 10 S 17/09).
Wenn Alter vor Strafe schützt (spiegel.de, 12.5.)
Was Demjanjuk vorgeworfen wird (stern.de, 12.5.)
Zeitzeugenbericht über das Lager Sobibor
Video: Demjanjuk gut zu Fuß
Mehr über den langen Anlauf zur Auslieferung Demjanjuks
Mehr über Demjanjuk
Kommentar (Berliner Zeitung 13.5.)
Aktuell: Ein Mord im Stil von KZ-Wächtern (MUT 5.5.)
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Quellen: stern, focus, spiegel, dpa / Foto: John Demjanjuk 1988 vor Gericht in Jerusalem / Foto: Wikipedia Commons / hk