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Zwar gedachte er den Holocaust-Opfern und verurteilte Antisemitismus - aber weckte dennoch Kritik. Denn mit keinem Satz ist Papst Benedikt XVI. bei seinem Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vashem darauf eingegangen, dass er selbst Angehöriger jenes Volkes ist, das den Aufstieg Hitlers und damit den Holocaust ermöglichte. Kein Wort auch zu seiner persönlichen Vergangenheit als Hitlerjunge und Wehrmachtssoldat. Und keine Entschuldigung. Somit wird nicht nur in Israel erste Kritik am Papst-Besuch laut. Der Zentralrat der Juden nannte die Papst-Rede "halbherzig".
Die Rede sei bewegend gewesen, aber es habe etwas gefehlt, sagte der Vorsitzende des Jad-Vaschem-Rates und Holocaust-Überlebende, Rabbiner Israel Meir Lau. Weder seien die für das Gemetzel verantwortlichen Deutschen oder Nazis beim Namen genannt worden noch habe es eine Entschuldigung oder ein Wort des Bedauerns gegeben. Israels Parlamentspräsident Reuwen Rewlin beklagte das Fehlen einer Entschuldigung, er sei am Montag nicht nach Yad Vashem gekommen, um "historische Beschreibungen" der Shoah zu hören. Vielmehr habe er gehofft, dass der Papst eine Entschuldigung vorbringe, "gerade wegen der Deutschen und der Kirche". Bedauerlicherweise habe der Papst nichts dergleichen geäußert. Der Direktor der Gedenkstätte, Awner Schalew, sagte im israelischen Rundfunk, die Worte des Papstes seien zwar wichtig, aber "kalt und abstrakt" gewesen.
Zuvor hatte Benedikt am ersten Tag seines Besuches in Israel alle Leugner des Holocausts in die Schranken gewiesen. "Mögen die Namen dieser Opfer niemals ausgelöscht werden! Mögen ihre Leiden niemals geleugnet, heruntergespielt oder vergessen werden", sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche während seines Besuches in Jad Vaschem.
Benedikt rief außerdem zu einem weltweiten Kampf gegen den Antisemitismus sowie einer friedlichen Lösung des Nahost-Konfliktes auf. Anders als von vielen Juden erhofft, ging der deutsche Papst jedoch nicht auf die Rolle der Kirche während der Judenvernichtung zur NS-Zeit ein.
Der Besuch in Jad Vaschem zählte zu den heiklen Höhepunkten der einwöchigen Reise ins Heilige Land. Im historischen Museum der Gedenkstätte, das Benedikt nicht besuchte, wird sein Vorgänger Pius XII. (Papst von 1939 bis 1958) als Oberhirte dargestellt, der nicht genügend gegen die Judenverfolgung getan hat.
Tief ergriffen und in sich gekehrt
Benedikt verfolgte die Zeremonie tief ergriffen und in sich gekehrt. Er entzündete die ewige Flamme, sprach mit sechs Holocaust-Überlebenden und legte einen Kranz mit gelb-weißen Blumen an jener Stelle nieder, an der die Asche von ermordeten Juden aufbewahrt wird. "Mögen alle Völker guten Willens wachsam bleiben, indem sie aus dem Herzen der Menschen das tilgen, was zu solchen Tragödien führen könnte", sagte der Pontifex.
Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, äußerte sich "vorsichtig optimistisch" zum Papst-Besuch in Israel. Er hoffe, dass Benedikt "die offenen Wunden" heile, die der Vatikan in jüngster Zeit aufgerissen habe. Es wäre beispielsweise ein "positives Zeichen", wenn sich der Papst "für die Verfolgung der Juden durch die Kirche entschuldigen würde". Aus Sicht von Kramer ist der Papst nicht wie von diesem immer wieder betont auf einer "Pilgerreise" im Heiligen Land, sondern auf einer "hoch politischen Tour".
Benedikt umschiffte erste Klippe
Benedikt umschiffte gleich zu Beginn seines fünftägigen Aufenthaltes eine politisch schwierige Klippe. Er sprach sich nicht direkt für einen unabhängigen Palästinenserstaat aus, sondern plädierte dafür, dass "beide Völker in Frieden in ihrer jeweiligen Heimat innerhalb sicherer und international anerkannter Grenzen leben können". Er bete täglich für "eine Rückkehr des Friedens und der Gerechtigkeit ins Heilige Land und die ganze Region", sagte der Papst. "Frieden ist ein wirkliches Geschenk."
Der deutsche Papst erinnerte während der Empfangszeremonie auf dem internationalen Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv an das tragische Schicksal des jüdischen Volkes. Benedikt wies dabei auf die "fürchterlichen Folgen" von Ideologien hin, die die grundsätzliche Würde eines jeden Menschen verneinten. "Traurigerweise erhebt der Antisemitismus in weiten Teilen der Welt weiterhin sein hässliches Haupt. Das ist völlig inakzeptabel. Jede Anstrengung muss unternommen werden, um den Antisemitismus zu bekämpfen, wo immer er auftritt", sagte das Kirchenoberhaupt.
Ein für Israel bislang einmaliges Aufgebot von 80.000 Polizisten und Sicherheitskräften soll das Kirchenoberhaupt in den fünf Tagen seines Besuchs schützen. Zuletzt hatte Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. Israel im März 2000 besucht.
Am Nachmittag stand ein Empfang in der Präsidenten-Residenz in Jerusalem auf der Tagesordnung. Die Polizei drängte rechtsgerichtete Demonstranten, die gegen den Besuch des Papstes protestieren wollten, in Seitenstraßen ab. Das spirituelle Oberhaupt der streng religiösen Schas-Partei Rabbi Ovadia Josef wies die vier Minister seiner Partei zu einem "leisen Boykott" des Papstes an. Eine Organisation von Nachfahren von Holocaust-Opfern rief Autofahrer dazu auf, um 18.00 Uhr Ortszeit aus Protest gegen Benedikt anhaltend zu hupen. Zu diesem Zeitpunkt besuchte Benedikt XVI. gerade die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem.
Seinen Auftritt dort kritisierte auch die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch. Zwar habe Benedikt XVI. mit seinem Aufruf zum Kampf gegen Antisemitismus ein "positives Signal in Richtung Judentum" ausgesandt, sagte Knobloch der "Bild"-Zeitung. Dennoch erscheine die Geste angesichts der noch ausstehenden klaren Distanzierung des Vatikans von der antisemitischen Pius-Bruderschaft als "halbherzig".
Zur Kritik des Zentralrats der Juden (spiegel.de, 12.5.)
Zur Website des Vatikans über den päpstlichen Isreal-Besuch.
Mehr über Yad Vashem.
Der Papst in Jad Vashem (spiegel.de-reportage, 11.5.)
Papst doch für Palästinenserstaat (focus.de, 13.5.)
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Foto: Der Papst am Berg Moses (stern-Archiv/reuters)