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...bei den Kommunalwahlen am 7. Juni 2009. Das Bundesland Sachsen-Anhalt gilt zwar als eine Hochburg von Neonazis und auch von Neonazigewalt. Politisch konnte die rechtsextreme Bewegung dort bislang allerdings weniger Fuß fassen. Jetzt soll sich das offenbar ändern, wie in Blick in die Kandidatenlisten der Kommunalwahl erhellt. Für Rechtsradikale kommt erleichternd dazu: Eine Prozenthürde gibt es diesmal nicht.
Von Tilo Giesbers und Mario Bialek
Derzeit werden im Bundesland Sachsen-Anhalt - soweit bekannt - „nur“ 23 Mandate in 17 der annähernd 1.000 Kommunalparlamente Sachsen-Anhalts von Vertretern der Extremen Rechten besetzt, darunter fünfzehn für die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) und je eins für einen Sportverein und für die „Deutsche Volksunion“ (DVU). Weiter zählen dazu drei für die „Deutsche Partei“ (DP) erreichte Mandate sowie je zwei für NPD und „Die Republikaner“ (REP), deren sämtliche Platzhalter aus ihren Parteien ausgetreten sind, ihre Sitze aber behielten.
Auch ein weiterer DVU-Kandidat hat nach seinem Parteiaustritt das Mandat behalten. Hans-Jörg Meyer war 1999 und 2004 in Hettstedt für die DVU erfolgreich. Diesmal tritt er auf Platz zwei der Liste der FDP an, mit deren Vertreter Andreas Koch er seit 3 Jahren eine Fraktion bildet.
Wahlplakate der NPD an den Laternenmasten in einigen Städten und Gemeinden künden bereits davon, dass sich der Anteil rechter Parlamentarier am 7. Juni erhöhen könnte. An diesem Tag finden in Sachsen-Anhalt – wie in sieben anderen Bundesländern – Kommunalwahlen statt. Die meisten Stadt-, Gemeinde- und Ortschaftsräte werden ebenso wie die Kreistage Stendal und Salzwedel gewählt.
Am selben Tag sind die Wähler/innen auch aufgerufen, die Zusammensetzung des Europaparlaments neu zu bestimmen, weshalb sich das „Land der Frühaufsteher“ wohl flächendeckend auf die Anti-EU-Propaganda der „Deutschen Volksunion“ (DVU) einstellen kann. Immerhin wohnt der stellv. Bundesvorsitzende und Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt und Sachsen, Ingmar Knop (34), in Dessau-Roßlau.
Die Kommunalwahlen
Offenbar herrscht bei Medien und Behörden Verwirrung über den Umfang der rechten Kandidaturen für die Kommunalwahlen. Jüngst berichtete die Tageszeitung „Magdeburger Volksstimme“ von der Vorstellung der Studie zur Verfassungsfeindlichkeit der NPD durch die SPD-Innenminister. Thema bei der Vorstellung des Berichts waren auch die Wahlen. „Zu den Kommunalwahlen am 7. Juni hat die Partei 76 Kandidaten aufgestellt“ wird Sachsen-Anhalts Ressortleiter Holger Hövelmann (SPD) zitiert. Andere extrem Rechte erwähnt zumindest der Artikel nicht.
Interessant allerdings ist, dass selbst der NPD-Landesvorsitzende Matthias Heyder (Elbingerode / LK Harz) nicht zu wissen scheint, wo überall Listen seiner Partei zugelassen wurde. Ihm zufolge stehen Mitglieder und Sympathisanten seiner Partei bei Wahlen zu 18 Räten auf den Wahlzetteln, darunter auch in Tangermünde (Landkreis Stendal). Laut Gemeindewahlleiter gibt es dort aber keine NPD-Kandidaten. Wohl aber in Tangerhütte, wo Heiko Krause nach fünf Jahren Pause wieder in den Stadtrat ziehen will.
Bei unseren Recherchen haben wir insgesamt 78 NPD-Vertreter in den zugelassenden Bewerberlisten für 19 Parlamente gefunden, darunter ganze 12 Frauen (15 %). Ob damit das Ziel, das Image der extrem rechten Szene aufzubessern und der Partei eine soziale, freundliche Außenwirkung zu verschaffen, erreicht wird, scheint fraglich. Mindestens zwei weitere Personen haben fristgerecht ihre Kandidatur für die NPD zurückgezogen. Dazu kommt der ehem. NPD-Landesvorsitzende Andreas Karl (Billroda / Burgenlandkreis) als Bürgermeisterkandidat für die zukünftige Gemeinde Finne.
Die NPD-Kandidaten im Einzelnen:
Magdeburg
Wahlbereich 1: Andy Knape (1986)
Wahlbereich 2: Michael Grunzel (1969)
Wahlbereich 3: Matthias Gärtner (1984)
Wahlbereich 4: Andreas Krause (1969), Gustav Haenschke (1948)
Wahlbereich 5: Florian Fuhrmann (1983)
Wahlbereich 6: Sascha Braumann (1977)
Wahlbereich 7: Bennet Schulze (1984)
Wahlbereich 8: Christian Schwidder (1982)
Wahlbereich 9: Tino Steg (1982)
Wahlbereich 10: Thomas Bartsch (1988)
Halle (Saale)
Erik Schulze (1984), Gerhard Pitsch (1958), David Dschietzig (1987), Matthias Bady (1983), Maximilian Borrasch (1988)
Landkreis Stendal
Tangerhütte
Heiko Krause (geb. 1969)
Kai Belau (1975)
Nicole Belau (1978)
Sebastian Block (1987)
Landkreis Anhalt-Bitterfeld
Köthen
Steffen Bösener (1979), René Häußler (1977)
Landkreis Salzland
Bernburg
Phillip Valenta (1981), Dr. med. Gert Mendl (1933), Yvonne Bretzke (1964), Egon Groschopp (1949)
Aschersleben
Hartmut Schirmer (1940), Ralf-Dieter Niedung (1957)
Hecklingen
Wahlbereich 1: Kai Pecht (1976)
Wahlbereich 2: Charlotte Pecht (1956)
Wahlbereich 3: Heidrun Walde (1948)
Wahlbereich 4: Ingo-Peter Walde (1945)
Landkreis Harz
Wernigerode
Michael Schäfer (1982), Tobias Anders (1984)
Quedlinburg
Matthias Brink (1955), Andreas Schmollius (1970)
Halberstadt
Daniel Dietz (1974), Thorsten Fleischmann (1968)
Landkreis Mansfeld-Südharz
Sangerhausen
Heiko Brunthaler (1962)
Eisleben
Kai Halle (1974), Ralf Waschk (1956), Anke Fiedler (1976), Ronald Pieper (1960)
Landkreis Saalekreis
Frankleben (Ortschaftsrat)
Rolf Dietrich (1944)
Burgenlandkreis
Weißenfels
Daniel Voigt (1972), Denny Winter (1980), Ulrich Mundt (1962), Patrick Murmann (1988), Danny Riebniger (1979)
Zeitz
Christel Kasprzyk (1955), Anneliese Golm (1956), Christine Tretner (1949), Marco Groschopp (), Gernot Rink (1957), Steffen Thiel (1976), Enrico Ehlert (1982), Martina Gratzke (1958), Peter Schmele (1980)
Bad Kösen
Raik Roßband (1961), Wolfgang Winter (1946), Jörg Dorloff (1978)
Laucha a. d. Unstrut
Lutz Battke (1958), Helga Karl (1940), Dieter Stichling (), Dietmar Reiß (), Volkmar Schenk ()
Verbandsgemeinde „An der Finne“
Wahlbereich 1: Andreas Karl (1963)
Wahlbereich 2: Herwig Cyba (1972)
Wahlbereich 3: Hans-Joachim Zschocke (1934), Jonas Wolfer (1990)
Wahlbereich 4: Babett Fiedler (1981), Bodo Weber (1962)
Wahlbereich 5: Kerstin Langheinrich (1969), Lars Kaufmann (1990)
Gemeinde „Finne“
Wahlbereich 1: Andreas Karl (1963), Babett Fiedler (1981)
Wahlbereich 2: Herwig Cyba (1972), Bodo Weber (1962)
Die meisten der Namen standen schon früher auf Wahllisten, manche hatten oder haben kommunale Mandate - manche auch für rechtskonservative Parteien wie die „Deutsche Soziale Union“ (DSU). Der parteilose Lutz Battke aus Laucha, bekannt geworden als Bezirksschornsteinfegermeister mit Hitlerbart, sitzt zwar für die NPD im Kreistag und hat schon ein Mandat im Stadtrat Laucha inne. Letzteres derzeit allerdings noch für den örtlichen Ballsportclub BSC 99, wo er auch Trainer ist.
Diverse rechte Einzelkandidaten
Auch wenn laut Landeswahlleiter keine anderen, extrem rechten Parteien antreten, finden sich doch interessante Namen auf den Listen von Wählergemeinschaften oder als Einzelbewerber. So z.B. Claudia Wiechmann (geb. 1955) aus Kakau (LK Wittenberg), die ehemalige Fraktionsvorsitzende der DVU bzw. deren Abspaltung „Freiheitliche Deutsche Volkspartei“ (FDVP) im Landtag und spätere Co-Bundesvorsitzende der „Deutschen Partei“ (DP). Die mittlerweile parteilose Wiechmann erlangte 2004 für die DP ein Gemeinderatsmandat, ebenso wie 1999 ihr Mann Harald (geb. 1954, gewählt für die DVU). Seit 2007 sitzt sie (ebenfalls für die DP gewählt) auch im Kreistag Wittenberg. Beide treten – diesmal als Einzelbewerber – wieder in Kakau an. Im Nachbarort Horstdorf wohnt Claudia Wiechmanns Schwester Martina Wiener (1957), die 2004 ebenfalls für die DP ein Gemeinderats- und ein Kreistagsmandat (damaliger Landkreis Anhalt-Zerbst) errang. Auch Wiener tritt als Einzelkandidatin wieder an.
Die Erfahrungen der zurückliegenden Kommunalwahlen (nicht nur in Sachsen-Anhalt) zeigen, dass die NPD und andere extrem Rechte gute Chancen hat, in alle betreffenden Parlamente einzuziehen. Schließlich gibt es bei Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt keine Prozenthürde. Wie viele Stimmen für ein Mandat nötig sind, hängt somit (vereinfacht) nur davon ab, wie viele Sitze zu verteilen sind. In Halle und Magdeburg bspw. werden je 56 Sitze verteilt, d.h. 1,78 % pro Sitz, praktisch könnte schon knapp 1 % reichen. Die Frage ist also nicht so sehr ob, sondern eher wie stark die NPD und andere extrem Rechte in die Parlamente einziehen.
Einzig beim Ortschaftsrat Frankleben ist der Erfolg fraglich, da bei sechs zu vergebenen Sitzen wohl mind. 10 % nötig sind.
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/ Foto: Von Neonazis beschmierte Parkbank in Dessau 2008 (Sachsen-Anhalt). Foto: Kulick